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Jeder Konzert-, jeder Opernbesucher kennt diesen Anblick: der schwarze Rücken, die fliegenden Frackschöße, die lockende, gebieterische Hand. Ohne den Mann, ohne die Frau am Pult schweigt das Orchester, ist es wie seiner Seele beraubt. Und doch bleibt die Figur des Dirigenten ein Mythos. Was verbirgt sich hinter Namen wie Claudio Abbado, Ingo Metzmacher, Daniel Harding oder auch Simone Young? Wo liegen die Schwerpunkte dieser Dirigenten, wie sind sie musikalisch zu typisieren, was sind ihre Stärken und was ihre Schwächen? Die Musikkritikerin Julia Spinola geht diesen Fragen nach. In…mehr

Produktbeschreibung
Jeder Konzert-, jeder Opernbesucher kennt diesen Anblick: der schwarze Rücken, die fliegenden Frackschöße, die lockende, gebieterische Hand. Ohne den Mann, ohne die Frau am Pult schweigt das Orchester, ist es wie seiner Seele beraubt. Und doch bleibt die Figur des Dirigenten ein Mythos. Was verbirgt sich hinter Namen wie Claudio Abbado, Ingo Metzmacher, Daniel Harding oder auch Simone Young? Wo liegen die Schwerpunkte dieser Dirigenten, wie sind sie musikalisch zu typisieren, was sind ihre Stärken und was ihre Schwächen? Die Musikkritikerin Julia Spinola geht diesen Fragen nach. In ausführlichen Porträts werden 30 der wichtigsten Dirigenten exemplarisch vorgestellt - von den großen, noch tätigen Alten bis hin zu den Jungen, über die man allmählich zu reden beginnt. Abgerundet wird die Gegenüberstellung durch einen umfangreichen Lexikonteil, eine Auswahldiskografie und ca. 30 s/w-Fotos.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.04.2005

Die Widerhaken und das Triebleben der Klänge
Fesselnde Olympiade, wider alle Schönspielerei: Die Musikkritikerin Julia Spinola schreibt lebendig und kraftvoll über ihre Auswahl der „großen Dirigenten unserer Zeit”
Julia Spinola, die treffliche, 1962 geborene, durchaus gestrenge Musikredakteurin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, hat für ihr Buch über die 30 „großen”, gegenwärtig in Deutschland aktiven Dirigenten und Dirigentinnen einen vergnüglich direkten Ton gewählt. Es macht Spaß, sich auf die bildhaft lebendigen, kurzen Porträts einzulassen. Manchmal verleiten Spinolas un-akademische, wirklich nicht ledern-musikrezensentenhafte Formulierungen zum Lächeln.
Wer locker, aber anspruchsvoll über Dirigenten und Interpretationen schreiben will, riskiert dabei auch Forciertheiten, Übertreibungen, schiefe Bilder. Stört es nicht doch ein wenig, gleich im ersten Absatz lesen zu müssen: „Seither ist eine Flut von ,Musikführern‘ . . . geschrieben worden”? Reagiert über-penibel, wer nur unwillig nachvollzieht, dass Franz Welser-Möst zwar Bruckner schneller nimmt als üblich, „aber stets ohne auf den bloßen Effekt einer ,Entmystifizierung‘ zu schielen”? Verhält sich humorlos pedantisch, wer zusammenzuckt bei der Mitteilung: „Einer bequem konsumierbaren Feierabendkunst hat Gielen seit jeher die Zähne gezeigt”?
Zugegeben: Was die Autorin dartun möchte, wird auf diese Weise ungemein deutlich. Regelrechte Kabinettstücke fesselnden Informierens sind die in alle Porträts geschickt eingefügten biographischen Fakten: wer bei wem was lernte, wie die Interpreten-Karrieren entstanden. Dabei erfährt der Leser Mannigfaches über die Situation von Orchestern in Deutschland, England, den USA.
„Subjektiv” wirkt in solchen Büchern natürlich und unvermeidlich die Auswahl der kritisch Gewürdigten. Doch dagegen als Rezensent andere Figuren vorzuschlagen, ist müßige Rechthaberei. Dass Dirigenten wie Rilling oder Gutenberg fehlen, mag mit dem Interesse der Autorin hauptsächlich für große Symphonik und Oper (aber nicht im gleichen Maße für Chor-Kultur, Oratorien und Passionen) zu erklären sein. Ein wenig absurd scheint indessen ihr Argument (es geht um lebende, aktive, große Dirigenten), auf die Würdigung von James Levine und Lorin Maazel zu verzichten: „weil sie seit einiger Zeit vornehmlich in den USA tätig sind”. Als gehörte nicht ein Maazel zu den bedeutendsten Dirigenten des Jahrhunderts mit wahrlich auch europäischer Präsenz, als hätte nicht Levine in Bayreuth, Salzburg und München Beträchtliches vollbracht. Man darf unterstellen, der Autorin seien Kent Nagano, Thielemann und Mariss Jansons platterdings wichtiger, aktueller, näher. Ihr Nagano-Porträt schließt auch mit der Prophezeiung: „Sollte Mariss Jansons seinen bis ins Antrittsjahr Naganos (2006) reichenden Drei-Jahres-Vertrag beim Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks verlängern, würden der Musikstadt München nach viel dirigentischem Star-Theater mit dieser Trias wieder aufregende Zeiten ins Haus stehen.”
Obwohl der Autorin schwerfällig germanische „Weihe” eher befremdlich, schäumende Seelen-Ekstatik verdächtig zu sein scheint (auffällig schlecht kommt Tschaikowski weg), so reagiert sie sympathischerweise viel zu musikalisch, um nicht doch gegebenenfalls einzuräumen, wie wichtig ein lebendig artikuliertes (furtwänglerhaftes) Espressivo sei. Oder was sie am Klang vibratoloser Streicher stört („meist etwas dünn . . . , näselnd oder kalt, wie Metallfäden”). Michael Gielen, Claudio Abbado, Jonathan Nott, Simone Young gehört ihre fast uneingeschränkte Sympathie. Sie spart andererseits nicht mit harscher Kritik an Haitink, Norrington, Masur, Zubin Mehta.
Leider analysiert Spinola nur ganz selten die Einzelheiten verschiedener Interpretationen ausführlich und nachvollziehbar. Das ist - ohne Notenbeispiele - oft auch ein sehr heikles Unterfangen, ohne beträchtliche Verbalisierungskunst kaum zu leisten. Natürlich begreift man die (jugendliche) Vorliebe der Autorin für „Widerhaken”, für das Triebleben der Klänge - und ihre Verachtung aller polierten Schön-Spielerei. Mehrfach kommt sie auf Bruckners moderne „architektonische Strukturen” zu sprechen, darauf, dass er ein ebenso „kühner wie überlegter Tektoniker” sei. Aber nicht einmal andeutungsweise erläutert sie, was sie eigentlich damit meint.
Gewiss empfinden manche Leser es als wohltuend, wenn man sich vorlaute Rang-Zuweisungen erspart. Andere dürften solch wertende Eindeutigkeit vermissen. Sind denn Rang-Unterschiede wirklich nur Chimären, von modischen Kritikern in die Welt gesetzt? Spinola wagt es nämlich kaum, sich konkret festzulegen, in welcher Liga zwischen Weltklasse und biederem Kapellmeister ihre Helden und Heldinnen eigentlich mit-spielen. Wenn sie etwa der Dirigentin Simone Young vorbehaltlos zubilligt: „Ihre Interpretationen sind mitreißend, schwungvoll und geschliffen, mit viel Gespür für dramatische Entwicklungen”- dann lässt sich höheres Lob kaum denken, zumal auch von „unerschöpflich wirkenden Ressourcen” dieser Künstlerin die Rede ist. Also eine Mischung aus Bernstein und Toscanini? Wie ist das einzustufen? Wir Kritiker neigen gern aus schwungvollem Eifer und Konfliktscheu zu derartigen Huldigungen. Doch Wilhelm Furtwängler, der Victor de Sabata passioniert verehrte, sprach schon 1940 die tiefgründige Warnung aus: „Wenn Sie den städt. Musikdirektor X genauso besprechen wie etwa Sabata, so schaden Sie nicht Sabata. Sie verraten aber die Kunst, schädigen diese und verwirren das Publikum. ”
Von Lothar Zagrosek und seinem Stuttgarter „Ring” (mit vier verschiedenen Regisseuren) heißt es enthusiastisch, er habe „die genuin dramatische Qualität der Musik Wagners” hervorgehoben. „Sinnfällig wurde, wie unmittelbar symphonischer Atem und Motivgeflecht mit szenischen Vorstellungen aufgeladen sind, wie untrennbar autonomer musikalischer Ausdruck und eine in ihrer Drastik bisweilen ans Handgreifliche grenzende Gestensprache der Musik verschmolzen sind”. Solcher Zustimmung darf sich Zubin Mehtas Münchner Ringnicht erfreuen. „Weder seine Wagner- noch seine Verdi-Interpretationen vermochten künstlerisch zu überzeugen. Der Orchesterglanz schien perfekt, doch unter der versiert glatten und zugleich oft etwas behäbigen Oberfläche wurde das fundierende Gesten-Gewebe des Wagnerschen Musikdramas . . . begraben . . .”
Nun gab es tatsächlich zahllose Gründe, mit den inszenatorisch willkürlichen, trostlosen, auch musikalisch keineswegs hinreichenden Münchner Ring-Aufführungen kritisch ins Gericht zu gehen. Gleichwohl war das Niveau der Wagner-Darbietungen von Mehtas Nationaltheater-Orchester, wie mir schien, um eine beträchtliche Dimension höher, dringlicher, als bei der Stuttgarter „Götterdämmerung”.
Wie alledem auch sei: Julia Spinolas temperamentvolles Buch reizt zum Lesen, provoziert Widerspruch, macht nachdenklich. Und das ist wahrlich kein geringer Vorzug.
JOACHIM KAISER
JULIA SPINOLA: Die großen Dirigenten unserer Zeit. Henschel Verlag, Berlin 2005. 288 Seiten, 24,90 Euro.
Wer ist nun Weltklasse, wer biederer Kapellmeister? Hier agiert eine Auswahl der Auswahl: Claudio Abbado, Simone Young, Zubin Mehta, Kent Nagano, Christian Thielemann und Riccardo Muti.
Fotos: AP, action press, ddp (2x), dpa, Arte
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.03.2005

Julia Spinola, Musikredakteurin dieser Zeitung, liefert den ersten Gesamtüberblick über die derzeit im europäischen Raum tätigen Dirigenten von Bedeutung, einschließlich der Nachwuchskünstler, über die man zu reden beginnt. Musik ist nur lebendig als interpretierte. Während es eine wahre Flut von "Musik-Führern" gibt, die in die verschiedensten Gattungen einführen, sind Darstellungen, die über die Vielfalt unterschiedlicher Interpretationsstile informieren, recht rar. Diese Lücke möchte das Buch schließen helfen. Es enthält dreißig ausführliche, nach Interpretentypen gegliederte Porträts, die über die Darstellung von Biographie und Laufbahn eines Dirigenten hinaus jeweils auch seine künstlerische Physiognomie am Beispiel konkreter Interpretationsanalysen plastisch werden lassen. Zusätzlich werden weitere hundert Dirigenten in lexikalischen Kurzporträts vorgestellt. Ergänzt wird der Band um ca. 2000 CD-Hinweise. (Julia Spinola: "Die großen Dirigenten unserer Zeit". Henschel Verlag, Berlin 2005. 288 S., 30 S/W-Abb., geb., 24,90 [Euro].)

F.A.Z.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Joachim Kaiser stellt die Autorin als die "durchaus gestrenge" Musikredakteurin der FAZ vor, die für ihren Porträtband von dreißig "großen Dirigenten unserer Zeit" eine sehr direkten, vergnüglichen Ton gewählt habe. Spinolas Sprache sei eher unakademisch, meint Kaiser und lässt durchblicken, dass ihm manches zu salopp formuliert ist. Dafür seien ihre Kurzporträts sehr bild- und lebhaft, gesteht er zu. Natürlich hat Kaiser, der große Kritikerpapst der SZ, auch einiges einzuwenden: die - zugestanden subjektive - Auswahl leuchtet ihm nicht immer ein. Er vermisst Levine und Maazel und schiebt das Fehlen von Rilling und Guttenberg auf Spinolas Vorliebe für große Symphonik und Oper. Und ihre Interpretationen findet er selten anschaulich und ausführlich genug. Vor allem aber fragt sich Kaiser, ob Spinolas Weigerung, die von ihr vorgestellten Dirigenten in einer Rangordnung zu klassifizieren, nicht für manche Leser unbefriedigend ist. Für ihn offensichtlich schon. Zwar äußere Spinola Sympathien und Begeisterung, aber Kaiser bemängelt das Fehlen von eindeutigen, überprüfbaren Kriterien, die zwischen "Weltklasse und biederem Kapellmeister" unterscheiden lassen. Zum Schluss gibt sich Kaiser jovial und lobt das Buch als sehr anregend.

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