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Der letzte Gedichtband von Karl Mickel erscheint nach dem Privatdruck von 1999 erstmals in öffentlicher Ausgabe.Karl Mickel gehörte mit Volker Braun, Heinz Czechowski, Bernd Jentzsch, Rainer Kirsch, Sarah Kirsch und Richard Leising zum Freundeskreis der später sogenannten Sächsischen Dichterschule. Auch Elke Erb und Adolf Endler, mit dem Mickel die legendäre Anthologie »In diesem besseren Land« (1966) herausgab, standen dem Kreis nahe.Mickels Lyrik beeindruckt durch die Kombination von expressiven Fügungen und hohem Ton, Umgangssprache und ästhetischem Ausdruck.Der Gedichtband »Geisterstunde«…mehr

Produktbeschreibung
Der letzte Gedichtband von Karl Mickel erscheint nach dem Privatdruck von 1999 erstmals in öffentlicher Ausgabe.Karl Mickel gehörte mit Volker Braun, Heinz Czechowski, Bernd Jentzsch, Rainer Kirsch, Sarah Kirsch und Richard Leising zum Freundeskreis der später sogenannten Sächsischen Dichterschule. Auch Elke Erb und Adolf Endler, mit dem Mickel die legendäre Anthologie »In diesem besseren Land« (1966) herausgab, standen dem Kreis nahe.Mickels Lyrik beeindruckt durch die Kombination von expressiven Fügungen und hohem Ton, Umgangssprache und ästhetischem Ausdruck.Der Gedichtband »Geisterstunde« wurde von Karl Mickel zusammengestellt und erschien kurz vor seinem Tode als Privatdruck. Der Band liegt hier erstmals in einer öffentlichen Ausgabe vor. In den Zyklen »Irrlicht«, »Schiller Chöre«, »Das Jahrhundert« und »Zeitsprung« finden sich Gedichte, die in der Zeitspanne von der Entstehung von »vita nova mea« (1963) bis zu Mickels letztem Lebensjahr entstanden.
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Autorenporträt
Karl Mickel (1935-2000) gehört zu den bedeutendsten Lyrikern, Dramatikern, Essayisten und Erzählern in »diesem besseren Land«.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.12.2004

Das Gaudi der Nachwelt
Spuk mischt sich Spuk, Lemuren schnattern - In seinem letzten Gedichtband beschwört Karl Mickel die Geisterstunde
Als Karl Mickel nicht ganz 65-jährig am 20. Juni 2000 starb, hatte trotz seiner schweren Krankheit niemand mehr damit gerechnet. Hatte er nicht gerade erst am 7. April, scheinbar fast gesundet, zusammen mit Volker Braun und Bernhard K. Tragelehn in der Berliner Akademie der Künste aus seinen Werken gelesen? Die in den folgenden Tagen in schneller Folge erscheinenden Nachrufe gaben zwar der Bestürzung Ausdruck - aber sprachen dann doch über den einstigen Wirtschaftshistoriker, den Dichter, Dramaturgen und Poetikprofessor in einem Ton, der sich für ein großes, abgerundetes Lebenswerk ziemt. Karl Mickels Werk erschien als „eines der prägnantesten deutscher Sprache in der zweiten Jahrhunderthälfte”, wie Friedrich Dieckmann schrieb oder „eines von mondialem Rang” nach Peter Gosse.
Seine proletarische Herkunft und seine Fachausbildung in Wirtschaftsgeschichte gaben dem Dichter im Arbeiter- und Bauernstaat so etwas wie einen Autoritäts-Vorschuss, den er zu nutzen wusste. Wie seine Kollegen der „Sächsischen Dichterschule” konnte er sich für Formales begeistern und sich von der klassische Tradition inspirieren lassen. Wenn er schon nicht die Popularität eines Volker Braun erreichte, so zollte man seinem Werk doch größten Respekt. Volker Braun wagte gar eine Prophezeiung: „Im 22., sage ich voraus, wird er populär sein”. Rainer Kirsch ist skeptischer: „Die Deutschen haben einen großen Dichter verloren. Weiß der Himmel, ob sie verdienen, dass sie es merken.”
Es hat immerhin vier Jahre gedauert, bis nun ein letzter Gedichtband von Karl Mickel einer größeren Öffentlichkeit vorliegt. Der Dichter hatte ihn unter dem Titel „Geisterstunde” als Privatdruck 1999 in fünfzig signierten Exemplaren sozusagen vor-veröffentlicht. Durch seinen Tod ist es eine Nachlese geworden, mit einigen Gedichten aus älterer Zeit (das älteste von 1963!), oft später überarbeitet, hauptsächlich aber mit Gedichten jüngeren und jüngsten Datums. Das Bändchen schließt ernst und prophetisch mit dem 1997 geschriebenen „Epitaph. Altenglisch” in fünffüßigen Jamben: „Was Wirklichkeit? Du schaust die Gruft ja jetzt.”
Niemand zeichnet als Herausgeber, und das Bändchen enthält kein Wort über den Dichter oder über sein Werk oder über das eine oder andere erklärungsbedürftige Gedicht, wenn man von dem Hinweis auf den Erstdruck einmal absieht. Das ist schade, zumal Karl Mickel vom Hermetischen keine Offenbarungen erwartete und selber durchaus bereit war, seinen Gedichten ein paar Anmerkungen beizugeben.
Schnoddrig, schmerzhaft
Für ihn, der die großen Kunstwerke einmal „die Leitfossilien ihrer Zeitalter” genannt hat, war die Kunst in einem emphatischen Sinne historisch. Darum muss sie politisch sein, wie subjektiv sie ihre Gegenstände auch ergreifen mag. Das galt für den Dichter vor der Wende wie danach: da ist das Gedicht „Empfindung” von 1975, mit dem Thema des bespitzelten Dichters, frech, traurig und weise. Anderes erinnert an Chile, an das Jahr 1989, an die Balkan-Kriege, und das ergreifende 1996 datierte Libretto der Schenkerschen „Goldberg-Passion”, die 1999 zum 10. Jahrestag des Mauerfalls uraufgeführt wurde, nimmt allein dreißig der rund 100 Seiten ein: sie erzählt die Flucht der Brüder Rozenek aus dem Eisenbahnzug, der sie in den Tod fahren sollte. Die poetische Montagetechnik, die Mickel hier anwendet, indem er den Bericht mit Bibelzitaten in der Lutherschen Fassung, mit Kirchenliedern, Claudius und Eichendorff einfasst, erweist sich als ein Ausdrucksmittel, das der Größe des Themas Holocaust und der tief empfundenen Unzulänglichkeit des Dichtens über dieses Thema angemessen ist. An bedeutender Stelle enthält das Werk ein Selbstzitat, ein Gedicht, das Mickel 1966 verfasst hatte und „Indianerfilm” überschrieb (so im ersten Band der Werkausgabe). Es benennt schon damals hart das Unheimliche an der Erinnerungsindustrie: „Die ausgestorbene Rasse / Das Gaudi der Nachwelt / Demnächst in diesem Theater / Auschwitz in Farbe Totalvision/ . . .”.
Karl Mickel hat sich nie um political correctness bemüht. Das ist neben seinem Dichtertalent und der harten Arbeit am Text ein Qualitätsmerkmal. Allerdings ist es in der modernen Demokratie schwerer geworden, politische Gedichte zu schreiben, da die Politik ein Diskussionsgegenstand bleibt und jede politische Aussage, auch die poetische, zur Disposition stehen muss. Das widerspricht nicht selten dem traditionellen Anspruch der Poesie, eine etwas weiter greifende, tiefere und weisere, wenn schon nicht eine ewige Wahrheit zu verkünden.
Karl Mickel hat seine innere Teilnahme, seine Wut oder seinen schmerzlichen Zynismus bei aktuellen Themen nie verleugnet. Es sind dabei Gedichte entstanden, von denen man hoffen möchte, dass sie ihre Anlässe weit überdauern werden; andere, wenige, vermögen aber schon jetzt nicht mehr zu überzeugen. Die beiden Stücke zum Krieg im Kosovo stolpern auf dem schmalen Grat zwischen Ironie und Analyse; ein „Gescheiterter Plan zum Ewigen Frieden” gibt sich wie ein ausgearbeiteter Witz, dessen absichtlich alberner Humor auch ein wenig befremdet. Es scheint hier zu fehlen, was Mickels Gedichten, trotz häufig knirschender, eigenwilliger Schnoddrigkeit, ja trotz Humor ihre abgründige Tiefe gibt: eine Klarheit, die schmerzt.
Diese Klarheit strahlt am stärksten vielleicht doch in jenen Stücken, welche vor allem dem Subjektiven zu verdanken sind oder die nach klassischem Vorbild die ganze Conditio humana zum Thema haben, wie der Prolog-Chor zu Schillers Braut von Messina. Die einfache und so beunruhigende Frage „wo bin ich?”, die Odysseus in seinem Ithaka ausspricht, das er nicht wiedererkennt (1965), stellt der Dichter erneut in „High Noon” (1995): „Spuk mischt sich Spuk / Lemuren schnattern - / Hast nicht auch du schon die Schaufensterpuppe / Mit ihrer Kundin verwechselt, oder Verkäuferin? // Wo bin ich? Wie / Konnte es geschehen?! / Das / Habe ich nicht gewollt!”
In dem Gedicht „Das Alter” sagt er über das Jahr 1995, sein sechzigstes, dass es auch „das dreißigste Jahr der vernichteten Hoffnungen” sei. Mickel teilt mit seinen Dichterkollegen und Dichterfreunden aus der Ära der DDR dieses Schlüsselerlebnis der vernichteten Hoffnungen. Aber was bleibt, ist nicht Zynismus: Sein letztes Wort spricht Rozenek am Ende der Goldberg-Passion, und es heißt: „Ich weiß nicht / Woher das Sanfte kommt, und das Gute: / Ich weiß es bis heute nicht, und / Muß nun gehen.”
HANS-HERBERT RÄKEL
KARL MICKEL: Geisterstunde - Gedichte. Wallstein Verlag, Göttingen 2004, 103 Seiten, 22 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Im Jahr 2000 ist der Lyriker Karl Mickel verstorben, und wie bei vielen Lyrikern war der Tod ein Thema, das ihn beschäftigt hat. In seinen späten Gedichten kehrte Mickel vielleicht nicht zufällig zum Genre der Grabinschrift zurück, das er in den sechziger Jahren schon einmal ausprobiert hatte. Doch was für ein Unterschied, ruft Stephan Speicher erstaunt aus. Wie beweglich das Epitaph damals, wie starr das aus dem Jahr 1997! Speicher schließt daraus, "was noch zu sagen ist, ist Wiederholung einer Wahrheit aus sehr alter Zeit". Diese Art der "Seelenverdüsterung", meint Speicher, war nicht typisch für Mickel, der ein Genussmensch gewesen sein muss und immer wieder in Konflikte mit den DDR-Oberen geriet. Dennoch, das Ende der DDR muss ihn getroffen haben, vermutet Speicher. Der vorliegende Band enthält u.a. einige Chorverse, die Mickel für eine Berghaus-Inszenierung von Schillers "Braut von Messina" überarbeitet hat. Die vorliegende Präsentation der Mickel-Gedichte im Wallstein Verlag findet Speicher "mehr vornehm als handlich", er verweist auf einen Band der Schiller Gesellschaft, in dem Mickels Bearbeitung der Schillerschen Verse komplett enthalten ist. Zu guter Letzt noch ein Lob auf den Dichter: wie sonst nur Peter Rühmkorf habe Mickel die deutsche Literaturgeschichte gesichtet, genutzt und ihre Themen und Motive fortgeführt. Ab und an sei er dabei dem Reiz der "Literatur als Spiel der Eingeweihten" erlegen.

© Perlentaucher Medien GmbH
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