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  • Buch mit Kunststoff-Einband

Produktdetails
  • Verlag: Pahl-Rugenstein Nachfolger
  • Seitenzahl: 264
  • Abmessung: 205mm
  • Gewicht: 472g
  • ISBN-13: 9783891442685
  • ISBN-10: 3891442688
  • Artikelnr.: 25195698
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.04.2000

Auf verlorenem Posten
Kurt Bachmann, der tapfere Parteisoldat

Kurt Bachmann: Wir müssen Vorkämpfer der Menschenrechte sein. Reden und Schriften. Herausgegeben von der VVN-BdA Köln, zusammengestellt von Ulrich Sander. Pahl-Rugenstein Verlag, Bonn 1999. 268 Seiten, 29,90 Mark.

Der Titel der Auswahl von Reden und Schriften des DKP-Gründungsvorsitzenden ist irreführend. Von Menschenrechten ist in dem Buch nur ein einziges Mal die Rede, in einem angehängten Textstück. Kurt Bachmann fordert in einem Brief an die Geschichtskommission der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN): "Wir müssen Vorkämpfer der Menschenrechte sein." Doch der Satz geht einschränkend weiter: "... in einer Periode, in der alle Klassenfragen höchsten Rang haben und die Lösungen bei Marx und Engels so gültig sind wie eh und je." Das heißt nichts anderes als: Klassenfragen gehen allemal vor Menschenrechte.

Der das noch 1994 schrieb, war lange Zeit fast eine kommunistische Heiligenfigur, ein "Bannerträger des Antifaschismus", ausgezeichnet mit den höchsten Orden der DDR und der Sowjetunion. Von der Neukonstituierung 1968 bis zum Hamburger Parteitag 1973 war er der nominelle Vorsitzende der Deutschen Kommunistischen Partei, ehe er vom Machtmenschen Herbert Mies beiseite geschoben wurde: Bachmann hatte seine Schuldigkeit getan. Als Jude, Widerstandskämpfer und Überlebender der Konzentrationslager galt er auch in bürgerlichen Kreisen bis hin zu Heinrich Böll, der ihn persönlich schätzte, als Ehrenmann. Er wurde nicht mit der unrühmlichen stalinistischen Vergangenheit der KPD in Verbindung gebracht und war darum bestens geeignet, der 1968 neu gegründeten Partei ein humanistisches Mäntelchen umzuhängen. Er hat es lange getragen, auch wenn es zum Ende hin ziemlich fadenscheinig geworden war.

Die Reden, Schriften und Zeitungsartikel, die Kurt Bachmanns unbelehrbare Parteigänger zwei Jahre nach seinem Tod - er lebte von 1909 bis 1997 - zusammengestellt haben, sind keine erquickliche Lektüre. Die Sprache wechselt zwischen Agitprop und Parteichinesisch und erlaubt allenfalls im Umkehrschluss Aussagen über die Persönlichkeit eines tapferen Parteisoldaten, den weder die Moskauer Prozesse noch der Hitler-Stalin-Pakt, weder die Errichtung noch der Fall der Berliner Mauer von seiner kommunistischen Überzeugung abbringen konnten.

"Jüdischer Herkunft"

Kurt Bachmann bezeichnet sich selber ein einziges Mal als "deutschen Arbeiter jüdischer Herkunft, aber mit keinerlei jüdisch-religiöser Bindung". Ansonsten tut er alles, um seine jüdische Herkunft zu verschweigen. Während er von seiner Frau berichtet, sie sei "aus rassischen Gründen" in Auschwitz ermordet worden, sieht er sich selbst nur als "politisch Verfolgten". Sein Leidensweg führte ihn durch fünf Konzentrationslager, in denen er jeweils Mitglied der illegalen Lagerleitungen wurde. Er zählte zu den wenigen Überlebenden des Todesmarsches von Auschwitz nach Buchenwald und nahm dort im April 1945 am legendären Aufstand der Häftlinge teil. Über seine politische Aktivitäten in der unmittelbaren Nachkriegszeit schreibt er wenig. Aber es ist zu vermuten, dass er wie seine Genossen Carlebach, Schleifstein, Goldberg und Ledwohn zu jenen Kommunisten jüdischer Herkunft gehörte, die die SED-KPD-Führung nach Gründung der DDR gern zur Bewährung als "Frontkämpfer" in die "monopolkapitalistische Hälfte Deutschlands" abschob, statt sie am Aufbau des Sozialismus selbst zu beteiligen. So wirkte Bachmann vor allem als Bonner Korrespondent der antifaschistisch-kommunistischen Wochenzeitung "die tat" und als Repräsentant der diversen Antifa-Verbände, bis 1968 seine Stunde kam und er für fast fünf Jahre an die Spitze der DKP berufen wurde. Bei internationalen Konferenzen saß er dabei allerdings immer nur am Katzentisch, denn amtlich wurde die "Avantgarde des deutschen Proletariats" noch vom altersstarrsinnigen KPD-Vorsitzenden Max Reimann repräsentiert.

Verengte Definitionen

In seinen Schriften versucht sich Bachmann immer wieder als Faschismustheoretiker, aber bis zu seinem Lebensende ist er über die Stalin-Dimitroff'sche Formel kaum hinausgekommen, nach der Faschismus die "offen terroristische Diktatur des reaktionärsten und aggressivsten Teils des Großkapitals" darstellt. Der Hitler-Faschismus bleibt für ihn nur eine "andere Herrschaftsform des Kapitals" - neben der bürgerlichen Demokratie. Er sieht in der Judenvernichtung nur einen "Teil des Massenterrors" und des "Klassenkampfes". Solche verengten Definitionen bringen ihn mitunter - sicher ungewollt - in die Nähe der Holocaust-Leugner. Er bestreitet jedenfalls den spezifisch antijüdischen Charakter der Vernichtungslager und ordnet die Judenverfolgung in die antisowjetische Gesamtstrategie der Nazis ein. Durch die ideologische Brille sieht er auch den Aufstand vom 20. Juli. Er spricht abfällig von einer "Palastrevolution", die scheitern musste, weil ihre Akteure zum Teil gegen die Sowjetunion eingestellt waren und die Arbeiterparteien isolieren wollten.

Kurt Bachmann hat in seinen Aufsätzen die politische Entwicklung in Deutschland von 1950 bis 1995 kommentierend und argumentierend begleitet. Seine Sichtweise blieb in all den Jahren unverändert. Sein letzter Beitrag trägt den Titel: "Die Bundesrepublik driftet - nach rechts!" Das war 1952 schon so, als Adenauer die deutsche Wiederbewaffnung einleitete, das war 1961 so, als Bachmanns Genossen fürchteten, die Bundeswehr werde demnächst mit klingendem Spiel durchs Brandenburger Tor marschieren, und das war 1983 so, als die Pershing-Raketen stationiert werden sollten. Die Rechtsgefahr und die "drohende Faschisierung" werden unentwegt ritualhaft beschworen. 1978 polemisiert Bachmann vehement gegen die "These vom Offenhalten der deutschen Frage", und 1990 sieht er von der deutschen Wiedervereinigung den Weltfrieden bedroht. Die F.A.Z., das "Sprachrohr der deutschen Monopolbourgeoisie", wird dabei eifrig ins Visier genommen - und sogar mit Leserbriefen bedacht.

Es gäbe einen besseren, ehrlicheren Titel für das Buch: "Auf verlorenem Posten". In den Attacken, mit denen sich der linientreue Genosse noch einmal in den Streit um Gorbatschows Perestrojka und in den Richtungskampf innerhalb der DKP einmischt, fällt, auf die innerparteilichen Gegner gemünzt, diese Formulierung mehrmals, und sie fällt prompt auf ihn zurück. Bachmann, dessen Leben nicht ohne persönliche Tragik verlaufen ist, hat zeit seines politischen Lebens auf verlorenem Posten gestanden und für eine längst verlorene Sache gekämpft.

PETER SCHÜTT

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Keine erquickliche Lektüre" ist dieses Buch, findet Peter Schütt, der schon den Titel für ärgerlich hält. Denn von Menschenrechten sei hier nur ein einziges Mal die Rede: da nämlich, wo der DKP-Gründungsvorsitzende Bachmann die "Klassenfrage" über die Menschenrechte stelle. Dieses Buch, für das "Bachmanns unbelehrbare Parteigänger" Texte von Bachmann zusammen gestellt haben, zeichnet sich in Schütts Augen vor allem dadurch aus, dass es Bachmanns fast paranoide Furcht vor einer "drohenden Faschisierung" dokumentiere. Das beginnt, wie Schütt darlegt, bereits bei Adenauer und reicht bis zur Wiedervereinigung. Darüber hinaus zeigt sich der Rezensent genervt von Bachmanns Sprache, einer Mischung "zwischen Agitprop und Parteichinesisch". Schütt leugnet zwar nicht die Tragik in Bachmanns Leben. Dennoch sei aber festzustellen, dass Bachmann in politischer Hinsicht "zeit seines Lebens auf verlorenem Posten gestanden" habe.

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