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Produktdetails
  • Verlag: Verlag Antje Kunstmann
  • Originaltitel: Getting over Edgar
  • Seitenzahl: 308
  • Abmessung: 26mm x 146mm x 215mm
  • Gewicht: 504g
  • ISBN-13: 9783888972461
  • ISBN-10: 3888972469
  • Artikelnr.: 24565514
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.03.2001

Goldhamster mit Freiheitsdrang
Joan Barfoots Aufbruchsroman macht am Ende zuckerkrank

Edgar Stone hat schon einmal besser ausgesehen. Aber die Profis vom Bestattungsinstitut haben ihn "gut hingekriegt", was gewisse Anforderungen stellt, wenn jemand unter einen Schnellzug geraten ist. Edgars funkelnagelneues Kabriolett, knallrot und mit Rennfahrerstreifen, hatte aus rätselhaften Gründen gestreikt und war auf den Eisenbahnschienen stehengeblieben, als der Acht-Uhr-zwanzig-Expreß herandonnerte. Die Gattin trägt zur Beerdigung ein Kostüm in der Farbe des geplätteten Autos und überlegt, ob sie "Nennt mich Ed" auf den Grabstein meißeln lassen soll. Sie könnte auch die Ruhestätte "mit einer kleinen, verchromten Stoßstange markieren. Oder mit einem riesigen Zugscheinwerfer. Oder einem aufstrebenden Zementpenis, der seine Wiederkunft symbolisiert."

Von Trauer, man ahnt es, kann nicht die Rede sein. Gleichwohl ist Gwen Stone keine jener lustigen Witwen, die beim Exitus des Gemahls nachgeholfen haben, um sich für Kränkungen zu rächen oder ein Vermögen zu kassieren: Die Kanadierin Joan Barfoot hat keinen Krimi geschrieben, sondern nur einen Frauenroman mit Leiche. Der ultimative Unfall trifft Gwen genauso unvorbereitet wie Edgar, der gerade im Begriff war, sich aus dem graumelierten Ehealltag auszuklinken und ein neues Leben anzufangen. Allerdings nimmt die Hinterbliebene es dem Hingeschiedenen ziemlich übel, daß er sich über ihre Wünsche, Nöte und Bedürfnisse wieder einmal hinwegsetzen wollte, wie er es während der zwanzigjährigen Zweisamkeit so oft getan hat. Dafür übt sie nun Vergeltung, indem sie die "verwertbaren Teile" Edgars in einem offenen Sarg arrangieren und mit "strategischer Polsterung" vervollständigen läßt. Den letzten Schliff erhält das Werk durch eine Schirmmütze aus Tweed und fingerlose Rennfahrerhandschuhe. "Edgar", konstatiert Gwen zufrieden, "würde auf der Stelle tot umfallen, wenn er sich jetzt sehen könnte."

Eine späte, aber originelle Revanche für ein halbes Leben voller Frustrationen. Sie verläßt die Begräbnisfeier unmittelbar nach dem "Amen" und sucht erstmals ohne Herrenbegleitung eine Kneipe auf. Im "Gully's" findet sie Trost und Zuwendung bei dem jungen Barkeeper David, der sie mit seiner schüchternen Höflichkeit bezaubert. Die beiden landen im Ehebett von Gwen und Edgar, Friede seiner Asche, und haben eine Menge Spaß, während dem Verblichenen in seinem Fotorahmen auf dem Nachttisch das Nachsehen bleibt. Was Gwen nicht ahnt: Ihr zartfühlender Liebhaber ist bei dem One-Night-Stand entjungfert worden; mit immerhin dreiundzwanzig Jahren war er noch nie einer Frau so nah gekommen wie dieser "beschwipsten, köstlichen, verlockenden Witwe". Jetzt schwenkt die Erzählkamera auf David und seine Probleme, was zumal aus Frauenperspektive recht kurzweilig und überdies lehrreich ist. Der Jüngling leidet an einem Syndrom, das wir sonst eher mit finsteren, hinter Parkbäumen lauernden Unholden in Verbindung bringen. Für seinen Psychotherapeuten erfindet er die rührende Parabel, er habe als Kind eines Tages seinen Goldhamster ausgesetzt, weil er es nicht mehr ertragen konnte, das kleine Tier im Käfig eingesperrt zu sehen. Der Drang, den Bewohner seines Hosenstalls coram publico an die frische Luft zu lassen, hat dem erwachsenen David schon drei Verhaftungen, einen Monat Gefängnis, einen Bewährungshelfer und besagten Therapeuten eingebracht, ihn von sozial verträglicheren erotischen Betätigungen abgehalten und seinen beruflichen Aufstieg blockiert.

So kurz und heftig der Zusammenstoß der ungleichen Liebesbedürftigen sich gestaltet, so lang und breit schildert Joan Barfoot die Folgen, die das Erlebnis für beide zeitigt. Gwen kommt über Edgar hinweg und gewinnt eine neue Einstellung zu ihrer Ehe-Misere, verkauft ihr Haus, hebt das vom Gatten beiseite geschaffte Geld ab und macht sich in einem Wohnmobil auf den Weg ins Blaue. David, der noch lange von ihr träumt, überwindet allmählich seinen Hamster-Tick, stellt sich auf eigene Füße, emanzipiert sich von seiner therapeutischen Hilfsmannschaft und findet Kontakt zu attraktiven Frauen seines Alters.

Auf der Strecke bleibt dabei das herbe Satire-Aroma, das die ersten Kapitel des Romans so erfrischend durchzieht: Irgend etwas muß Joan Barfoot dazu bewogen haben, mitten im Erzählen von Bitterschokolade auf Sahnebonbons umzuschalten. Nachdem Gwen ihre innere Rechnung mit Edgar beglichen hat, tauchen in der Geschichte lauter liebenswerte Menschen auf, die alle furchtbar nett zueinander sind und über ihre kleineren oder größeren Sorgen im locker-verständigen Ton amerikanischer Psycho-Ratgeber reden: Davids schicksalsgebeugter Vater und seine neue Lebensgefährtin, Gwens zeitweiliger Reisebegleiter Jack, der zur Hochzeit seiner Exfrau fährt, eine Gruppe junger Tramper, die Gwen ihren unerfüllten Kinderwunsch ins Gedächtnis ruft, schließlich die hilfsbereiten Nachbarn, die am Ziel ihrer langen Fahrt auf sie warten, in einem Domizil mit Paradiesgarten an der schönen, milden Westküste.

Zu allem Überfluß tritt auch noch das Baby Benny auf den Plan, die Frucht des Beischlafs nach der Beerdigung, "süß wie Honig, glatt wie Seehundhaut, zart und saftig wie Kalbfleisch". So überwältigt ist die Spätgebärende von dem Souvenir, das David ihr hinterlassen hat, daß sie nun sogar dem armen Edgar dankbar sein und ihm alles Gute wünschen kann. Der Leser hat unterdessen gelernt, Edgar schmerzlich zu vermissen, bewahrte doch die makabre Gegenwart seiner Überreste wenigstens den Anfang des Romans vor jener Honigsüße, die am Ende die Seiten fast verklebt.

KRISTINA MAIDT-ZINKE

Joan Barfoot: "Als er sie verließ". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Eva und Thomas Pampuch. Verlag Antje Kunstmann, München 2000. 310 S., geb., 39,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

An dieser Geschichte hat Rezensentin Kristina Maidt-Zinke schnell die Lust verloren. Erst genoss sie noch das "herbe Satire-Aroma" in den ersten Kapiteln des leicht skurril wirkenden Romans über eine Dreierbeziehung. Dann aber stehen plötzlich die Probleme des jungen Manns im Vordergrund, aus der Frauenperspektive erzählt. Das findet sie erst noch kurz- dann aber schnell langweilig. Und dann wird die Geschichte auch noch so süßlich, dass sie ihr die letzten Romanseiten fast verklebt. Die Stimmung der Rezensentin ist total verdorben.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Man kann Joan Barfoots Romane über die Banalitäten und Untiefen des Alltags gar nicht genug loben, weil diese sich auf wunderbare Weise in atemberaubende Gebilde verwandeln."(Elke Schubert, Süddeutsche Zeitung)