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"Rosa und Karl" - fast alle verbinden mit diesem Doppelnamen etwas, aber fast alle etwas anderes. Worauf gründet der Mythos, auf welche Worten, auf welchen Taten? Ein grandioses Mißverständnis? Eine über Jahrzehnte vervollkommmnete Fälschung? Manfred Scharrer, ein Kenner der Geschichte der Arbeiterbewegung, gibt eine fundierte und überraschende Antwort.

Produktbeschreibung
"Rosa und Karl" - fast alle verbinden mit diesem Doppelnamen etwas, aber fast alle etwas anderes. Worauf gründet der Mythos, auf welche Worten, auf welchen Taten? Ein grandioses Mißverständnis? Eine über Jahrzehnte vervollkommmnete Fälschung?
Manfred Scharrer, ein Kenner der Geschichte der Arbeiterbewegung, gibt eine fundierte und überraschende Antwort.
Autorenporträt
Manfred Scharrer, 1945 in Hersbruck (Franken), Werkzeugmacher. Abitur am Berlin-Kolleg 1966-1968, studierte Erwachsenenbildung, Soziologie und Geschichte. Diplomarbeit über die "Arbeiterbewegung vom Obrigkeitsstaat". Assistent an der Freien Universität Berlin am Institut für Soziologie (1975-19809. promovierte über "Die Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung", d.h. vor allem über Rosa Luxemburg (1981). Anschließend verschiedene Forschugsprojekte, u.a. DGB-Projekt "Gecshichte von Unten" und "Curriculum: Geschichte der gewerkschaften". Zahlreiche Publikationen zu Rosa Luxemburg, der Geschichte deutschen Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung. Er arbeitet in Mosbach (Baden) und leitet dort die ver.di-Bildungsstätte und lebt in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2002

Kämpferin für die Weltrevolution
Manfred Scharrer rückt die Maßstäbe im Berliner Denkmalstreit um Rosa Luxemburg zurecht

Manfred Scharrer: "Freiheit ist immer . . ." Die Legende von Rosa & Karl. Transit Verlag, Berlin 2002, 190 Seiten, 16,80 Euro.

Am 15. Januar 1969, dem fünfzigsten Jahrestag der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, zogen in West-Berlin knapp zweitausend Anhänger der außerparlamentarischen Opposition, vorwiegend Studenten, über den Kurfürstendamm. An der Spitze wurde ein Spruchband mit einem Zitat von Luxemburg gezeigt: "Die Sozialdemokratie ist nichts als ein stinkender Leichnam." Auch Porträts der beiden KPD-Gründer wurden mitgeführt. "Karl Liebknecht haben wir's geschworen, der Rosa Luxemburg reichen wir die Hand", sangen die Demonstranten. Die Melodie stammt aus einem Soldatenlied des Ersten Weltkrieges - "dem Kaiser Wilhelm haben wir's geschworen". Ein Teil der Demonstranten begab sich zur Parteizentrale der SPD und zertrümmerte mit Pflastersteinen mehrere Fenster, ein anderer Teil schmiß einem Kaufhaus sämtliche Schaufenster ein und plünderte die Auslagen.

In Ost-Berlin paradierten am folgenden Wochenende militärische Verbände zu Ehren von Liebknecht und Luxemburg. Nach dem Vorbeimarsch begab sich die SED-Führung mit Walter Ulbricht an der Spitze auf den sozialistischen Heldenfriedhof zur Kranzniederlegung. In vierzig DDR-Jahren kam es nur einmal zu einer geringfügigen Abweichung von dem ordnungsgemäßen Liebknecht-Luxemburg-Ritual. Bürgerrechtler erschienen 1988 mit einem eigenen Transparent zur Demonstration. Darauf stand Luxemburgs oft zitierter Satz "Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden". Der Staatssicherheitsdienst kassierte damals das Transparent und die es tragenden Andersdenkenden.

Seit dem Ende der DDR ist Karl Liebknecht aus dem Gedächtnis der deutschen Linken weitgehend verschwunden. Von Rosa Luxemburg blieb vor allem das eine Zitat übrig. Doch schon ein Blick auf den Zusammenhang, in dem der Satz ursprünglich stand, trübt das reine Bild. Luxemburg kritisierte damit zwar 1917 die Auflösung der frei gewählten russischen Verfassunggebenden Versammlung durch die Bolschewisten. Doch nur wenige Zeilen später plädierte sie ihrerseits für eine Diktatur des Proletariats, für "sozialistische Maßnahmen in energischster, unnachgiebigster, rücksichtslosester Weise".

Luxemburg hat ihre im Gefängnis verfaßte Kritik an Lenin und Trotzki zu Lebzeiten nie veröffentlicht. Die Kampfaufrufe und Artikel, die sie nach dem Ende des Kaiserreiches vor dem kommunistischen Putschversuch gegen den von Sozialdemokraten gebildeten Rat der Volksbeauftragten verfaßte, sind anderer Natur. Von Toleranz ist darin keine Rede, es geht nur noch um Entweder-Oder, nur um die Alternativen Verrat oder Revolution. Während die sozialdemokratische Übergangsregierung unter Friedrich Ebert sich zur Vorbereitung freier Parlamentswahlen anschickte, propagierte Luxemburg die "Aufrichtung der sozialistischen Diktatur".

Als der Spartakusputsch, der diese Diktatur erreichen wollte, mangels Unterstützung durch die Berliner Arbeiter zusammenbrach, verkündete die KPD-Führerin, die Revolution sei nun einmal die einzige Form des Krieges, "wo der Endsieg nur durch eine Reihe von ,Niederlagen' vorbereitet werden" könne. "Der ganze Weg des Sozialismus ist - soweit revolutionäre Kämpfe in Betracht kommen - mit lauter Niederlagen besät. Und doch führt dieselbe Geschichte Schritt um Schritt unaufhaltsam zum endgültigen Sieg."

Auf Betreiben der PDS beabsichtigt der Berliner Senat, Rosa Luxemburg alsbald von Staats wegen ein Denkmal zu setzen. Das Vorhaben wurde von SPD und PDS im Koalitionsvertrag vereinbart. Ein Staatsdenkmal für Luxemburg stand schon unter Erich Honecker auf der Wunschliste des SED-Politbüros. Seine Verwirklichung ist seit vielen Jahren ein Anliegen des früheren SED-Kulturfunktionärs Thomas Flierl, der heute Berlins Kultursenator ist. Flierl wünscht ein Staatsdenkmal für Luxemburg, wie er sagte, als Ausdruck der Ambivalenz, als Erinnerungszeichen an das "Jahrhundert der Extreme".

Ambivalenz jedoch war Rosa Luxemburg fremd. Sie wollte polarisieren, um ihre Ziele zu erreichen. Das tat sie in der deutschen Sozialdemokratie, seit sie dort 1898 aufgetaucht ist. Luxemburg, die der SPD eine "Verpflichtung zur Weltrevolution" abverlangen wollte, beförderte durch ihre Radikalität die unversöhnliche Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung. Schon 1905 stritt sie gegen alle sozialdemokratische Realpolitik und gab die Losung aus, die Arbeiterklasse müsse darauf vorbereitet sein, "nötigenfalls auch ihr Blut im Straßenkampf zu verspritzen".

Manfred Scharrer, ein Kenner der deutschen Arbeiterbewegung, setzt sich in seinem soeben erschienenen Buch mit dem Wirken von Liebknecht und Luxemburg auseinander. Scharrer äußert sich zur aktuellen Berliner Denkmalsdiskussion mit historischem Bedacht. "Die Legende von Rosa und Karl", so steht zu befürchten, wird trotz alledem weiterleben. Legenden sind gegen geschichtliche Tatsachen gefeit.

JOCHEN STAADT

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Was Manfred Scharrer da in seiner Doppelbiografie über Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht schreibt, ist ja alles richtig, meint Norbert Seitz. Natürlich verberge sowohl der Liebknecht-Kult als auch der "fast ins Kitschhafte abgedriftete Rosa-Mythos" die dunklen Flecken in der Vergangenheit der beiden. Natürlich sei höchst fragwürdig, ob der Sozialismus die "wahre Demokratie" ist. Vielleicht war für die beiden die Demokratie ja nur das Mittel zur Erringung der Macht. Und ja, ziemlich sicher hätten Rosa und Karl dem Rufmord nahestehende Methoden angewandt. Aber für eine Doppelbiografie, die als "Legendenzerstörung" angelegt ist, reiche es nicht, nur "Radikalismen auf den Index zu setzen". Der Rezensent vermisst die Berücksichtigung der "repressiven Bedingungen" der damaligen Zeit, in denen die Aussagen entstanden. Die "heiße Nadel", mit der der Text aus Anlass der aktuellen Berliner Debatte um ein Rosa-Luxemburg-Denkmal gestrickt worden sei, sieht man dem Band auf Schritt und Tritt an, kritisiert Seitz. Für ihn wäre ein "Psychogramm" dieser beiden höchst widersprüchlichen Persönlichkeiten sinnvoller gewesen.

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