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Vier Menschen in einem Supermarkt. Sie kennen einander nicht und stehen doch in enger Beziehung zueinander, denn kunstvoll verzahnt Jens Wonnenberger ihre Geschichten, ihre Sicht auf die Welt, ihre Enttäuschung und Sehnsüchte. "Infarkt" ist ein dichter Roman um Gedankenspiele und Lebensgefühle.

Produktbeschreibung
Vier Menschen in einem Supermarkt. Sie kennen einander nicht und stehen doch in enger Beziehung zueinander, denn kunstvoll verzahnt Jens Wonnenberger ihre Geschichten, ihre Sicht auf die Welt, ihre Enttäuschung und Sehnsüchte. "Infarkt" ist ein dichter Roman um Gedankenspiele und Lebensgefühle.
Autorenporträt
Jens Wonneberger: Geboren 1960 in Großröhrsdorf. Seit 1992 ist er Schriftsteller und Literaturredakteur des Dresdner Stadtmagazins SAX. Zahlreiche Veröffentlichungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.08.2004

Im Supermarkt
Seelische Windstille: Jens Wonnebergers Roman "Infarkt"

Die vier Hauptfiguren in Jens Wonnebergers Roman "Infarkt" sind, wie es an einer Stelle heißt, "Statisten im eigenen Leben". Michalke ist Soziologiestudent in der Diplomarbeitskrise. Sabine Schwarzer, deren Ehe nur noch ihrer Leidensfähigkeit zuzuschreiben ist, steht als Käseverkäuferin hinter der Theke eines Supermarkts. Herr Grundmann arbeitet als Wachmann im selben Geschäft und trinkt an gegen die uneingestandene Einsamkeit. Vor der elektrischen Schiebetür des Ladens sitzt der Alex, dem die Tage als Schnorrer lang werden. Der jeweilige Hintergrund von Wonnebergers Allerweltstypen könnte unterschiedlicher nicht sein. Doch es gibt Gemeinsamkeiten. Sie reden sich Zufriedenheit ein, vegetieren in Wirklichkeit aber in einer Atmosphäre seelischer Windstille: Davon handelt der Roman, von ihrer gradlinigen, oft witzigen Beschreibung lebt er.

Von Sabine Schwarzer abgesehen, zeichnet sich keiner dieser scheinbar prototypisch normalen Leute durch besondere Liebenswürdigkeit aus: Grundmann ist ein ehemaliger Major, der in seiner Dienstzeit die eigene Unsicherheit durch Härte und Sadismus kaschierte, der Student Michalke blickt auf den Rest der Welt mit intellektuellem Hochmut herab, fabriziert dabei aber nur unfruchtbare gedankliche Kreisbewegungen. Alex zögert nicht, seinen Frust an seinem Hund auszulassen, dessen Kopf er in einem Wutanfall aufs Pflaster rammt.

Obwohl diese Menschen keine Sympathieträger sind, gehört ihnen das Mitgefühl des Erzählers. Der Text bleibt den Innenwelten seiner Figuren nahe und läßt sie plastisch werden in der Schilderung ihrer großen und kleinen Lebenslügen. Sie reden sich ein, ihr Leben sei in Ordnung, und ahnen dabei, daß etwas nicht stimmt. Jedem möglichen, nur in Gedanken beschrittenen Ausweg stellen sie sogleich eine selbstgezimmerte Ausrede entgegen. Keiner von ihnen hat den Mut, mit dem eigenen Unglück zu experimentieren.

Eine Konstruktion, die gewollt wirken könnte, hier aber anstrengungslos inszeniert wird, setzt diese Seelenbilder in Bewegung: Zuerst werden die Figuren isoliert betrachtet und schließlich an einem banalen Ort - im Supermarkt - zusammengeführt. Sie sehen einander, beobachten einander und kommen doch nicht zusammen. Ihrem Wunsch nach Kommunikation steht Angst entgegen: Angst vor Zurückweisung, Angst vor dem Unbekannten. Wonneberger beschreibt die Bewegungen dieser Gehemmten und Verzagten aufeinander zu und voneinander weg, die Blicke, die sie einander zuwerfen - immer dann, wenn der oder die andere gerade wegsieht. Das ist zu jämmerlich, um wirklich tragisch zu sein, und zu voll von unterschwelliger Verzweiflung, um vollends ins Lächerliche abzudriften. Der Text bewegt sich gewollt und gekonnt in der Grauzone zwischen diesen Tonlagen.

Trotz seiner Seeleninspektionen ist der Roman nicht im poetischen Irgendwo, sondern im Hier und Jetzt der ostdeutschen Gegenwart verankert. Die Wirkung von DDR-Vergangenheit und Wende sind noch präsent. So kann Alex seiner Mutter den nahtlosen Gesinnungswechsel vom Glauben an die DDR zur Begeisterung für die Segnungen des Kapitalismus nicht verzeihen: Das Politische wird hier im Privaten präsent gemacht. Zu den weiteren Vorzügen dieses Romans, dessen Autor, Jahrgang 1960, in Dresden lebt, gehört seine Kürze. Die konzise Zusammenführung der Hauptfiguren verhindern ein pathetisches Übergewicht der Lebensfragen, die hier ohne Umschweife gestellt werden. Mit demselben Nüchternheit, Komik und Tragik ausbalancierenden Sinn wird auch der Showdown zwischen Käsetheke und Alkoholregal in einer rasanten Antiklimax arrangiert. In dieser kleinen Geschichte der Lebensängstlichen kommt nichts, wie sie es sich in ihren Wunschträumen ausgemalt haben.

MARION LÖHNDORF

Jens Wonneberger: "Infarkt". Roman. Steidl Verlag, Göttingen 2004. 128 S., geb., 14,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Marion Löhndorf mag Jens Wonnebergers Roman, über vier "prototypisch" normale Menschen, die alle in einer "Atmosphäre seelischer Windstille" leben. Die Frau hinter der Käsetheke, der Wachmann, der Schnorrer vorm Supermarkteingang sowie ein Soziologie-Student, alle auf ihre Art unglücklich und lebensängstlich, sind die Protagonisten des Romans. Zunächst werden diese "Gehemmten und Verzagten" für sich betrachtet und dann zum "Showdown zwischen Käsetheke und Alkoholregal" zusammengeführt. Rezensentin Löhndorf lobt, dass Wonneberger den "Innenwelten" seiner Figuren sehr "nahe" und ihre "großen und kleinen Lebenslügen" sehr "plastisch" zeige. Und darin zeige sich auch, wie "gekonnt" Wonneberger zwischen "Tonlagen" balanciere. Einerseits seien die Figuren "zu jämmerlich, um wirklich tragisch zu sein" und gleichzeitig zu verzweifelt, "um vollends ins Lächerliche zu driften". Rezensentin Löhndorf hatte ihre Freude an diesem Pendeln zwischen "Nüchternheit, Komik und Tragik".

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