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Nora Iuga, die große rumänische Autorin und Übersetzerin, bei uns bislang vor allem als Lyrikerin bekannt, erweist sich mit "Die Sechzigjährige und der junge Mann" als schonungslos offene Erzählerin: Eine gestandene Schriftstellerin - unschwer als Alter ego Nora Iugas zu erkennen - lässt ihr Leben, ihre Lieben, ihre Freundschaften, politische Ereignisse und individuelle Tragödien in einem endlosen Fluss der Selbstbefragung und Erinnerungen Revue passieren. Sie vergewissert sich der Regungen ihres Körpers und lauscht dem Ruf ihres Instinkts - ihr Gegenüber ist ein jüngerer Mann, dessen…mehr

Produktbeschreibung
Nora Iuga, die große rumänische Autorin und Übersetzerin, bei uns bislang vor allem als Lyrikerin bekannt, erweist sich mit "Die Sechzigjährige und der junge Mann" als schonungslos offene Erzählerin: Eine gestandene Schriftstellerin - unschwer als Alter ego Nora Iugas zu erkennen - lässt ihr Leben, ihre Lieben, ihre Freundschaften, politische Ereignisse und individuelle Tragödien in einem endlosen Fluss der Selbstbefragung und Erinnerungen Revue passieren. Sie vergewissert sich der Regungen ihres Körpers und lauscht dem Ruf ihres Instinkts - ihr Gegenüber ist ein jüngerer Mann, dessen verführerischer, geheimnisvoller grüner Blick sie mal zu gewagten Eingeständnissen bewegt, mal zutiefst verunsichert und lähmt. Ein bunter, melancholischer, komischer und impulsiver Roman, der Geniestreich einer Poetin voll heißen Temperaments.
Autorenporträt
Nora Iuga, geboren 1931 in Bukarest, wuchs u.a. in Deutschland auf und studierte Germanistik. 1968 erschien ihr erster Gedichtband. Seit Ende der Siebzigerjahre arbeitet sie auch als Übersetzerin aus dem Rumänischen und ins Rumänische.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.2011

Stur auch in finsteren Zeiten
Nora Iugas autobiographischer Roman über Rumänien

Der Titel verspricht einige Pikanterie, und auch die Exposition ist nicht ohne. Eine sechzigjährige Frau sieht sich einem jungen Mann gegenüber: "Er hat braune, muskulöse Arme und sehr kurz geschnittenes Haar. Er ist, besser: scheint unrasiert und, wie man so sagt, der Typ Mann, der gut im Bett ist. Er wirkt mindestens fünfundzwanzig Jahre jünger als sie." Wäre nicht Nora Iuga die Verfasserin, die große Dame der rumänischen Poesie, würde man sich auf etwas aus der Sparte Sex im Alter gefasst machen.

Was für einen Roman lesen wir? Oder besser: wie viel Roman? Man tut dem Lesevergnügen keinen Abbruch, wenn man verrät: Die Love-und-Sex-Story findet nicht statt. Jedenfalls nicht manifest, sondern bloß in der Einbildung, als Fiktion. Nach einem langen Tag, an dem die Sechzigjährige vor dem Grünäugigen ihr Leben Revue passieren ließ, scheint es doch noch zu einem erotischen Rencontre zu kommen: "Der grüne Blick ist jetzt fest, wie ein sicheres Versprechen. Ihr Blick ist weich und sanft, wie eine Erwartung. Aber dann küsst er ihr die Hand, und sie begleitet ihn zum Fahrstuhl."

Der Reiz von Nora Iugas Buch besteht in der vibrierenden Balance, in der sie die erotische und die biographische Neugier des Lesers hält. Wie gern wollen wir wissen, was diese vitale und freizügige Anna, die mit der Dichterin so ziemlich identisch ist, in ihrem bisherigen Leben erfahren hat. Nora Iuga liefert ihre Beichte als Doppelbiographie. Sie erzählt von Annas gemeinsamer Jugend mit ihrer Freundin Terry, zu der sie ein ebenso symbiotisches wie rivalisierendes Verhältnis hat.

Terry - so Anna - war bereit, "jeden Kompromiss einzugehen, um in die Nähe der besseren Gesellschaft zu gelangen". Anna dagegen ist bestrebt, ohne Kompromisse auszukommen. Dafür muss sie zahlen. So schnell sie in diversen Redaktionen oder Verlagen engagiert wird, so schnell verliert sie ihre Posten. Vor allem deshalb, weil sie ihren Vorgesetzten nicht zu Willen ist oder weil sie sich politisch nicht anpassen mag. Während die Freundin als Romanautorin Karriere macht, hat Anna Probleme, ihre Gedichte unterzubringen, ja sogar Publikationsverbot.

Es ist die finstere Ära Ceausescus. Man erfährt Details aus dem damaligen rumänischen Kulturleben, liest von Opportunismus und Widerstandswillen. Hier schlägt der Roman ins Dokumentarische um. Nora Iuga spricht über die siebenbürgische Literatur. Sie porträtiert Franz Hodjak, Gerhard Csejka und Rolf Bossert, der sich später in Deutschland das Leben nahm. "Mich faszinierte ihr Mut, ihre Aufrichtigkeit", sagt sie von diesen Autoren und: "Mein einziges Interesse an den jungen Deutschen war, dass ich mir von ihrer Dichtung eine Scheibe abschneiden konnte." Das alles breitet Anna vor dem Grünäugigen aus, der ebenfalls Schriftsteller ist; womöglich eine real existierende Person. So ist "Die Sechzigjährige und der junge Mann" eher ein autobiographisch getöntes Kulturbild als ein Roman. Als der Grünäugige gegangen ist, greift die Zurückgebliebene nach seinen Büchern, und es folgt ein Passus in Kleinschrift, ein Epilog. Ein trauriges Resümee. Es beginnt mit der Einsicht: "In dem augenblick, in dem man seine liebe in text verwandelt, verblasst die gelebte wirklichkeit, vielleicht sind deshalb die liebesgeschichten der dichter so wenig glaubhaft", und endet mit dem zynisch-verzweifelten Bekenntnis: "mit all meiner ehrlichkeit und all meiner lüge, mit all meiner demut und arroganz, die ich mir andichte, komme ich zu dem ergebnis, dass das einzig wirkliche in der liebe die drüsen sind, der rest ist literatur."

Aber in dem Moment, da er das liest, hat der Leser ein Buch beendet, das so ziemlich das Gegenteil glaubhaft macht: Nora Iugas unstillbaren Eros zur Poesie und ihre Liebe zu den Menschen.

HARALD HARTUNG

Nora Iuga: "Die Sechzigjährige und der junge Mann". Roman.

Aus dem Rumänischen von Eva Ruth Wemme. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2010. 192 S., br., 16,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Der Stil der 80-jährigen Rumänin Nora Iuga erinnert den Rezensenten Rolf-Bernhard Essig an niemand geringeren als James Joyce: intelligent, assoziativ, erotisch. Iugas erster auf Deutsch erscheinender Roman erzählt vom Besuch eines jungen Schriftstellers bei seiner 60-jährigen Kollegin Anna. Sie, von der Autorin mit einigen Parallelen zu sich selbst ausgestattet, resümiert ihm gegenüber ihr Leben, ihre Wünsche und Träume. Besonders durch die gelungene Übersetzung von Eva Ruth Wemme und die ständig wechselnden Erzählpositionen gelinge die Darstellung von Annas vielschichtiger Persönlichkeit, so der Rezensent. Essig empfindet die Collage aus realen Ereignissen, Gedanken und zuweilen kitschigen Empfindungen als großen "Lesegewinn und Lesevergnügen" und empfiehlt damit diese "kraftvolle Lebensfeier" dringend weiter.

© Perlentaucher Medien GmbH