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Berlin war nur eine Zwischenstation auf Vladimir Nabokovs Weg aus seiner russischen Heimat nach Amerika - aber eine von langer Dauer. Vom Juni 1922 bis zum Januar 1937 lebte er in der Stadt. Hier hat er geheiratet, hier wurde sein Sohn geboren, hier wurde er zum Schriftsteller. Sein Berlin war das der russischen Emigranten, von denen Anfang der Zwanzigerjahre etwa 350 000 in der Stadt lebten. Dieses"Moskau an der Spree"war Grund für Nabokov, sich hier für so viele Jahre niederzulassen. Mit der ihm eigenen Detailverliebtheit und Genauigkeit beobachtete er die Stadt, baute daraus seine…mehr

Produktbeschreibung
Berlin war nur eine Zwischenstation auf Vladimir Nabokovs Weg aus seiner russischen Heimat nach Amerika - aber eine von langer Dauer. Vom Juni 1922 bis zum Januar 1937 lebte er in der Stadt. Hier hat er geheiratet, hier wurde sein Sohn geboren, hier wurde er zum Schriftsteller. Sein Berlin war das der russischen Emigranten, von denen Anfang der Zwanzigerjahre etwa 350 000 in der Stadt lebten. Dieses"Moskau an der Spree"war Grund für Nabokov, sich hier für so viele Jahre niederzulassen. Mit der ihm eigenen Detailverliebtheit und Genauigkeit beobachtete er die Stadt, baute daraus seine künstlerische Welt, in der sich dennoch reichlich"konkrete Topografie"aufspüren lässt. So ist Berlin noch immer die Stadt Nabokovs.
Autor Dieter E. Zimmer durchstreifte sie auf seinen Spuren - ebenso ins Detail verliebt wie Nabokov selbst -, spürte sie auf in seinen Romanen, Erzählungen, Dramen, Gedichten und Essays. Ausgiebig forschte er in Bildarchiven und brachte dabei auch bisher unbekannte Zeugnisse und Bilder aus dem Leben des Literaten und der Stadt zutage. So entstand nicht nur ein einzigartiges Buch über Nabokovs Berlin, sondern zugleich ein Band des Berlin der Zwanziger- und Dreißigerjahre mit einer Reihe noch nie gezeigter Dokumente und Fotografien.
Neben den reich bebilderten Kapiteln zum Thema"Nabokovs Berlin"enthält das Buch eine ausführliche Chronik zum Aufenthalt des Schriftstellers in der Stadt.
Ein Buch, das die Welt des Dichters Nabokov und zugleich das Berlin der Zwanziger- und Dreißigerjahre auf überrasche Weise lebig werden lässt - eine ungewöhnliche Dokumentation zu einem Dichter und das poetische Porträt einer Stadt.
Autorenporträt
Dieter Eduard Zimmer, geboren 1934, ist Schriftsteller, Übersetzer und Publizist. Er studierte Literatur- und Sprachwissenschaft in Berlin, Genf und den USA. Ab 1959 lebte er in Hamburg und war dort lange Redakteur der Wochenzeitung 'Die Zeit', von 1973 bis 1977 Feuilletonchef. Seit 2000 ist Zimmer als freier Schriftsteller, Literaturkritiker, Übersetzer und Publizist in Berlin tätig. Der umfassend gebildete Autor veröffentlichte Bücher und Zeitschriftenartikel zu Fragen der Psychologie, Biologie, Anthropologie, Medizin, Linguistik, Kommunikationswissenschaft und des Bibliothekswesens. Seit 1989 ist Zimmer Herausgeber der deutschen Gesamtausgabe von Vladimir Nabokov. 2008 erhielt Dieter Zimmmer den Übersetzerpreis der Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Stiftung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.2001

Erinnerung, schau!
Mit dem panoramatischen Blick des Lesers: Dieter E. Zimmer setzt Nabokovs Berlin ins Bild · Von Hanns Zischler

Berlin-Führer haben prekäre Konjunktur. Archive werden durchforstet, um das ungehemmt Heutige durch den Glanz des Gestrigen antiquarisch zu veredeln oder, je nach Betrachtungsweise, in Frage zu stellen. Doch vieles von dem, was in jüngster Zeit davon präsentiert wurde, zeigt das qualitätslose Einerlei von verschollenen oder entstellten Sehenswürdigkeiten - und entwertet auf eine fast heimtückische Weise die fotografische Physiognomie der Stadt. Die Furcht vor der Berliner Krankheit - das eigene Gewese und das zu verklären, was diese Stadt vorgeblich einmal gewesen ist - läßt den Betrachter zögern, wenn ihm in rascher Folge das jüngste alte Berlin präsentiert wird. Die Schaulust scheut.

Um so erfreulicher ist es, auf einen Bildband hinzuweisen, der uns durch ein Berlin führt, in dem das Allervertrauteste fremdartig neu erscheint. Dieter E. Zimmers Rekonstruktion von "Nabokovs Berlin" darf ein Wunder in mehrfacher Hinsicht genannt werden. Zunächst ist es die Montage aus jenen Texten, durch die Nabokov sein Berlin in verschiedenen Staustufen und Aggregatzuständen fließen läßt. Scheinbar mühelos führt Zimmer die von Nabokov ausgestreuten Varia der uferlosen Stadt wieder zusammen und kombiniert sie zu kleinen, neuen Textkörpern und Netzen. Mit Hilfe derartiger Käscher holt er jene Bilder und Belege an die Oberfläche, die auf irritierende Weise das aus der Beobachtung in die Schilderung Überführte in den Augenblick der Fotografie zurückführen. Und es sind eben nicht vage "Straßenszenen" oder beliebige Kuriositäten, die hier vor uns aufgeblättert werden, sondern die konkreten, unverwechselbaren Details, die Nabokovs Prosa ihre besondere Drift verleihen. Mit wieviel Spürsinn, Intensität und Sorgfalt hier gesucht wurde, läßt sich anhand der im Bildnachweis aufgeführten Archive nur ahnen. Neben den großen Sammlungen tauchen so entlegene wie das Deutsche Entomologische Institut Eberswalde oder der Denkmalpflegeverein Nahverkehr Berlin auf.

Und Dieter E. Zimmer wird fündig: Jetzt sehen und verstehen wir, was mit den "Hundezitzen" auf den Wägen der noch dampfbetriebenen Berliner Stadtbahn gemeint ist; und staunend können wir den von Nabokov beobachteten "Normalzyklus": "Tabakwaren, Apotheke, Obst und Gemüse" an uns vorübergleiten lassen. Wir hören förmlich den schrecklichen Lärm der ausgelassenen KdFler aus der Erzählung "Wolke, Burg, See" auf einem Foto von 1939; wir haben ein Bild von einem (verschwundenen) Gebäude am Hochmeisterplatz - mit einem "Turmgebilde, als sei ein langweiliger, solider Architekt plötzlich verrückt geworden und habe einen Ausflug in den Himmel gemacht".

Die minutiöse, vom Detail inspirierte Recherche Zimmers erweitert und vertieft die Lektüre gewissermaßen stereoskopisch. Vor dem schwarz-weißen Hintergrund der Epoche treten Nabokovs farbig getönte Schatten leuchtend hervor. Das fotografische Dokument - überflüssig zu sagen, daß Text und Bild hervorragend reproduziert und gestaltet sind - wird zum Abglanz eines weitgefächerten Textes. Und in der unverhofften Konfrontation mit dem Text gewinnt auch das Dokument plötzlich eine schärfere Kontur. Der panoramatische Blick des leidenschaftlichen Lesers offenbart uns eine ganz neue Seite des großen Übersetzers Zimmer: Er hebt und setzt ins Bild, was schon verloren schien. Das von Nabokov durchaus beargwöhnte und unbarmherzig genau geschilderte Berlin vermag uns im Spiegel dieses Buches mit der Illusion zu trösten, es sei noch einmal gerettet worden.

Neben einem bislang unveröffentlichten Text für eine Boxreportage von 1925 sind in den beiden Supplementen ("Hauptstadt des Exils", "Chronik der Berliner Jahre") Fingerzeige und überraschende Fundstücke sonder Zahl versteckt. Zweifellos hätte dieser Stadtführer Vladimir Nabokov, dem großen Melancholiker, der Berlin fünfzehn Jahre lang wie ein Exil im Exil bewohnte, sehr gefallen.

Dieter E. Zimmer: "Nabokovs Berlin". Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 2001. 156 S., 130 Abb., geb., 48,70 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.01.2002

Stiefmutter der russischen Städte
Berlin, gesehen mit den Augen des Schriftstellers und Emigranten Vladimir Nabokov
Er hat sie nicht gemocht, die Deutschen, besonders die Berliner. Immer wieder scheint diese pauschale Ablehnung durch in den Romanen und Erzählungen von Vladimir Nabokov. Auch in seiner Korrespondenz und in seinen Memoiren hat der Erfinder des Nymphchens Lolita keinen Hehl daraus gemacht. Gegen Ende seines Lebens aber hat der russisch-amerikanische Schriftsteller (1899-1977) darüber doch ein wenig Bedauern gezeigt. Er habe die deutsche Kultur ungerechterweise in einer „bitteren Fußnote” abgetan.
Fünfzehn Jahre, von 1922 bis 1937, lebte der Spross einer reichen Petersburger Adelsfamilie in der Hauptstadt dieser Deutschen, hier verliebte, ver- und entlobte er sich; hier erlebte er die Ermordung seines Vaters, eines liberalen Exilpolitikers, durch zaristische Geheimbündler; hier heiratete er und wurde Vater. Berlin erfuhr er aber aus der Perspektive von unten, als Bitt- und Antragsteller, Untermieter, Arbeitssuchender. Als Emigrant musste er zweifellos reichlich Demütigungen hinnehmen – sie schlugen sich in seinem Werk nieder. Deutsch hat er in den anderthalb Jahrzehnten, bis er aus Angst um das Leben seiner jüdischen Ehefrau Vera Nazi-Deutschland verließ, nur unvollkommen erlernt.
Dafür war er ein umso genauerer Beobachter. Das Alltagsleben der Berliner, die vielen Gesichter der Stadt, hat er mit oft ironischem Unterton immer wieder gezeichnet, in wenigen, aber treffenden Strichen die Atmosphäre der Weimarer Republik, aber auch des Dritten Reiches entstehen lassen. Wie Nabokov Berlin gesehen und erspürt hat, ist das Thema des Schriftstellers und Journalisten Dieter E. Zimmer, der auch das Gesamtwerk des Schriftstellers bei Rowohlt herausgibt. Zimmer, bekannt auch als Autor von Sachbüchern über die Sinnesorgane, das menschliche Denken und Fühlen, hat den Versuch unternommen, mit den Augen Nabokovs die Stadt zu sehen. Das Instrumentarium: das schriftstellerische Werk einerseits, Archivfotos, Stadtpläne, Plakate, Eintrittskarten, Zeitungsausschnitte andererseits. Sorgsam hat Zimmer Textstellen über Berlin aus den dort entstandenen Prosawerken Nabokovs mit vielen ausdrucksstarken Schwarz-Weiß-Bildern, sowie anderen Zeugnissen der Zeit, kombiniert.
Doch ist dabei keineswegs nur ein Buch für jene herausgekommen, die sich unbedingt in die Seelen- und Geisteswelt des Meisters in seinen jungen Jahren zurückversetzen oder die seine Berliner Stationen dokumentiert sehen möchten. Vielmehr gelang Zimmer, der selbst Berliner ist, ein Abbild der Stadt, das die Stimmungen jener Jahre sehr intensiv spüren lässt: Bahnhöfe, die S- Bahn, der Lunapark, der pulsierende Potsdamer Platz, der Grunewald, die elegante Friedrichstraße, das sündige Nachtleben; nach Schweiß und abgestandenem Bier riechende Proletarierviertel, die Nabokov die aristokratische Nase rümpfen ließen. Und die Russen in Berlin – mehr als 300 000 lebten Anfang der Zwanziger Jahre hier, darunter einige berühmte Schriftsteller: Andrej Belyj, Maxim Gorki, Boris Pasternak, Alexej Remisow, Marina Zwetajewa. Es entwickelte sich ein Mikrokosmos, den es in der bolschewistisch gewordenen Heimat nicht mehr gab: Läden, Betriebe, Kanzleien, Restaurants und Cafés, zeitweise drei Tageszeitungen, ein paar Dutzend Buchhandlungen, mehrere Buchverlage. Dutzende von Standesorganisationen vertraten die russischen Ärzte, Künstler, Juristen sowie viele andere Berufsgruppen. Die Sportler trafen sich im Verein, zu ihnen gehörte auch Nabokov, er war Hobbyfußballer und –boxer.
Der reich bebilderte Band ist ein Muss nicht nur für jeden Nabokovianer. Sondern für alle, die sich hineinfühlen möchten in jene Periode der Kulturgeschichte der deutschen Hauptstadt, als sie „Stiefmutter der russischen Städte” war. So hat Nabokovs Förderer und Freund, der Lyriker Wladislaw Chodassewitsch, Berlin in einem damals hier entstandenen Gedicht genannt.
Thomas Urban
Dieter E. Zimmer, Nabokovs Berlin, Nicolaische Verlagsbuchhandlung 2001, 155 Seiten, 24,90 Euro
Berliner U-Bahn-Szene
Foto: Nicolai
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

""Ein Wunder in mehrfacher Hinsicht" nennt Hanns Zischler diese Rekonstruktion von "Nabokovs Berlin". Zunächst sei es "die Montage aus jenen Texten", durch die Nabokov sein Berlin in "verschiedene Staustufen und Aggregatzustände" fließen lasse. Damit sind die "von Nabokov ausgestreuten Varia" gemeint, die Zimmer "scheinbar mühelos" wieder zusammengeführt und zu "kleinen, neuen Textkörpern und Netzen" zusammenmontiert hat: konkrete, unverwechselbare Details, "die Nabokovs Prosa ihren besonderen Drift" verleihen. Mit wieviel Spürsinn, Intensität und Sorgfalt hier gesucht wurde, kann der Rezensent anhand der aufgeführten Bildnachweise nur ahnen. Aber bei manchem Foto hat sich ihm die Bedeutung Nabokovscher Bilder und Worte erst wirklich enthüllt. Die Reproduktion von Text und Bild wird als "hervorragend" bezeichnet.

© Perlentaucher Medien GmbH"