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Diese Buch versucht ein emotional besetztes Thema rational zu umkreisen: es nähert sich dem Geschichtsverständnis der Gesellschaft am Beispiel der Architektur.

Produktbeschreibung
Diese Buch versucht ein emotional besetztes Thema rational zu umkreisen: es nähert sich dem Geschichtsverständnis der Gesellschaft am Beispiel der Architektur.
Autorenporträt
Christian Welzbacher, geboren 1970 in Offenbach am Main, ist Kunsthistoriker und freier Journalist. Er schrieb u.a. für »Die Zeit« und das Feuilleton der »FAZ«. Heute arbeitet er u.a. für die »Süddeutsche Zeitung«. Sein Buch »Die Staatsarchitektur der Weimarer Republik« (2006) wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.11.2010

Standhaft ergraut
Christian Welzbacher streitet gegen bauliche Rekonstruktionen
Rekonstruktion! Was bis vor kurzem ein abwertender Begriff war, zumindest unter Denkmalpflegern und Architekten, wird inzwischen in freundlicherem Licht gesehen. Wort und Sache haben Hochkonjunktur. Eine prominente Ausstellung des Architekturmuseums der TU München, einst Bollwerk der Aufklärung in Sachen Bauen, eine Buchpublikation der ETH Zürich, an deren Altären man früher einem strengen Denkmalbegriff opferte – allenthalben findet man die trickreiche und publikumsträchtige Rückgewinnung verlorener Bausubstanz eigentlich gar nicht mehr so übel.
Da tut ein standhaftes Büchlein wie Christian Welzbachers Essay über „gebaute Geschichtsbilder“ richtig gut. Mit Sachverstand und Engagement weiß der Verfasser durch den Irrgarten mehr oder weniger gelungener architektonischer Surrogate, Substanzfälschungen oder verschämter Kopien zu führen, von Japan bis nach Berlin, von Viollet-le-Ducs kritischem Historismus bis zur Restauration von Gropius’ Bauhausgebäude in der DDR. Man erfährt Wissenswertes über architektonische Rekonstruktionen auch jenseits populärer Beispiele, und der Autor hat recht, wenn ihn die Ursachenforschung zum Problem des Umgangs mit Geschichte, ja zur allgemeinen Sehnsucht nach Bildern führt, die in einer immer schwerer lesbaren Gegenwart Orientierung versprechen.
Das alles ist wahr, aber fatalerweise meint man vieles, was Welzbacher zu sagen hat, so oder so ähnlich schon gelesen zu haben, vielleicht bei ihm selbst, hat er doch als Journalist und Fachautor zum Thema auch bisher das Wort ergriffen. Hat man diesen oder jenen Gedanken nicht in unzähligen Diskussionen schon längst gehört oder gar selbst geäußert? Der Impuls ist verräterisch, fördert er doch zutage, wie sehr der Streit um ein so wichtiges und weiterhin aktuelles Thema vorzeitig verbraucht, ergraut, ermüdet scheint.
Eine Vitaminspritze in Gestalt neuer Argumente täte der Auseinandersetzung gut. Sicher würde es lohnen, die bedauerliche Konjunktur der Rekonstruktion auch aus fachlicher Sicht entschiedener mit architektonischen Qualitätsdefiziten in den Städten von heute zusammenzubringen. Zu Unrecht überlassen Experten dieses Feld den verbissen modernefeindlichen Interessengruppen, statt es selbst mutig und kritisch zu bespielen. Dass sich Städtebauer, Architekten und Denkmalschützer allzu oft um Antworten drücken, wenn es um die Überzeugungskraft des Aktuellen geht, um soziale Attraktivität und Schönheit des Bauens im öffentlichen Raum, ist kaum bestreitbar. Mehr Intelligenz und Qualität in den Entwurf und die Begründung des Neuen zu investieren – nur so dürfte sich der Trend zur Inszenierung zurechtgebogener Vergangenheiten stoppen lassen.
ANDREAS TÖNNESMANN
CHRISTIAN WELZBACHER: Durchs wilde Rekonstruktistan. Über gebaute Geschichtsbilder. Parthas Verlag, Berlin 2010, Euro 12,90.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mehr Intelligenz, Mut und Qualität beim Entwerfen, Bauen und Begründen des Neuen fordert der Rezensent! Andreas Tönnesmann ist überzeugt, dass sich so dem inszenierten Zurechtbiegen des Vergangenen, der Rekonstruktion von Geschichte beikommen ließe. Das Buch von Christian Welzbacher ist ein Schritt in die richtige Richtung, meint Tönnesmann. Wenn er vieles von dem, was der Fachautor zum Thema der architektonischen Rekonstruktion, der gebauten Geschichtsbilder hier anbietet, auch schon irgendwo gelesen oder gehört zu haben meint. Welzbachers Sachverstand, sein Engagement, seine Ursachenforschung mit entlegenen Beispielen, seine kritische Einlassung auf Sehnsucht nach Orientierung gebenden Bildern - das alles ist richtig und wichtig, findet der Rezensent. Bloß: ein paar neue Impulse, neue Argumente, meint Tönnesmann, täten der Diskussion auch ganz gut. Gegen den gezwungenen Titel hat er offenbar nichts einzuwenden.

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