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Einwandfrei ungeordnete, irrsinnig logische Erzählungen, verfasst von einer Schriftstellerin, deren Einsamkeitsforschung tröstliches Lachen hervorruft. In diesen merkwürdigen Geschichten von Véronique Bizot liegt einerseits etwas beruhigend Vertrautes und andererseits eine Qualität des Entrückten, die im hexenhaften Sinne des Wortes bezaubert. Auf ruhige und unverdächtige Weise täuschen sie Normalität vor, nur um die Oberfläche zu durchstoßen und sich in einem Frontalangriff den dunkelsten Schrecken, den schlimmsten Herausforderungen zu widersetzen. Sie verwandelt eine Romanfigur in eine neue…mehr

Produktbeschreibung
Einwandfrei ungeordnete, irrsinnig logische Erzählungen, verfasst von einer Schriftstellerin, deren Einsamkeitsforschung tröstliches Lachen hervorruft. In diesen merkwürdigen Geschichten von Véronique Bizot liegt einerseits etwas beruhigend Vertrautes und andererseits eine Qualität des Entrückten, die im hexenhaften Sinne des Wortes bezaubert. Auf ruhige und unverdächtige Weise täuschen sie Normalität vor, nur um die Oberfläche zu durchstoßen und sich in einem Frontalangriff den dunkelsten Schrecken, den schlimmsten Herausforderungen zu widersetzen. Sie verwandelt eine Romanfigur in eine neue Liebe, einen Gewaltverbrecher in einen Clown und Engel in Spießer. Dabei kultiviert diese scheinbar schlichte Prosa den Widersinn: Je schwärzer sie ist, desto mehr lacht der Leser, je merkwürdiger es wird, desto eher erkennt er sich wieder.
Autorenporträt
Bereits seit "Meine Krönung" (2011) erscheinen die Werke von Véronique Bizot im Steidl Verlag auf Deutsch. Für dieses international erfolgreiche Romandebüt erhielt sie den Grand Prix du Roman der französischen Schriftstellervereinigung und den Autorinnenpreis Prix Lilas. Mit ihrem kürzlich erschienenen Roman "Âme qui vive" (dt. voraussichtlich 2016) stand Véronique Bizot auf der Shortlist für den Prix Medicis 2014.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2015

Eigenbrötler erster Güte

Trauerspiele, die sich blitzschnell in makabere Komödien verwandeln: In ihren frühen Erzählungen reißt Véronique Bizot mit wenigen Federstrichen einige Fassaden bürgerlichen Lebens ein.

Meistens geht es in den Geschichten von Véronique Bizot um Unerfreuliches: Tod, Alter und Einsamkeit sind ihre Themen. Passend dazu ist häufig das Wetter schlecht, der Nebel hängt tief über Lichtungen und Seen, der Wind heult wütend, der Schnee fällt schnell. Und wenn doch einmal die Sonne scheint, dann wärmt sie nicht, sondern sie brennt.

Entsprechend ist auch die Gemütslage ihrer Figuren: Ob sie nun sarkastisch sind wie die alte Ich-Erzählerin, die sich gleich in der ersten Geschichte ihres neuen Bandes mit Erzählungen über die Brutalität der Gärtner beklagt, die von ihrer bösartigen Schwester beauftragt wurden, dem schönen Wildwuchs des gemeinsamen Gartens einen ordentlichen Schnitt zu verpassen; ob sie lethargisch sind wie die Erzählerin in "Das Hochhaus", die ihrem ehemaligen Geliebten und dessen Ehefrau seit Jahren eine klaglose, gute Freundin ist, obwohl sie von beiden einst verraten wurde; ob sie die Einsiedelei pflegen wie der Erzähler in der letzten, meisterhaften Geschichte "Der Kontrabass", der sich den Frauen nur gewachsen fühlt, wenn er ihnen in Form von Literatur begegnet - allen Figuren von Bizot ist die Melancholie vertrauter als der Enthusiasmus, sie wissen mit stiller Trauer besser umzugehen als mit schreiender Wut. Sie sind Eigenbrötler erster Güte.

Selten hat man daher das Gefühl, dass sie an dem, wovon sie erzählen, tatsächlich teilgenommen haben. Stattdessen begeben sie sich lieber an den Rand des Geschehens, und zwar entweder, weil sie sich dort ohnehin am wohlsten fühlen, oder aber, weil sie tatsächlich alt sind und ihre Lebenszeit als abgelaufen betrachten. Nicht zufällig berichten Bizots Erzähler immer wieder von langen Reisen, die sie einst unternommen haben, von in der Fremde verbrachten Jahren, die indes, und hierin liegt nur ein weiterer Hinweis auf die umfassende Einsamkeit aller Personen, für das Leben in der Gegenwart schon keinerlei Bedeutung mehr haben. Weit wichtiger ist die Erinnerung. So wird der Rückblick zur bevorzugten Erzählperspektive nahezu sämtlicher in dem neuen Band versammelter Figuren.

Der Steidl Verlag, der das Werk der 1958 in Paris geborenen Véronique Bizot übersetzen lässt, hat diesen neuen Band "Die Heimsucher" genannt und darin zwei Bücher zusammengefasst, die in Frankreich schon 2005 und 2008 erschienen sind - mithin vor den drei kurzen Romanen "Meine Krönung" (2010), "Eine Zukunft" (2011) und dem erst im vergangenen Jahr veröffentlichten (und noch unübersetzten) "Âme qui vive", für die Véronique Bizot jeweils mit kleineren Literaturpreisen ausgezeichnet worden ist. Bei den "Heimsuchern" handelt sich also um frühe Erzählungen von Bizot, und dass die Vorstellung von dem, was Gegenstand und Form ihres Schreibens sein sollte, seinerzeit zwar schon vorhanden, aber noch nicht vollends ausgeprägt war, ist einigen dieser kurzen, meist um die dreißig Seiten zählenden Texte durchaus anzumerken.

Denn so viel Raum die Autorin auf die Schilderung von vergangenen Liebesgeschichten oder verpassten Gelegenheiten auch verwendet, so entschieden nutzt sie die prekäre Seelenlage ihrer Figuren als Ausgangspunkt für sadistische Experimente, bei denen sie den wankenden Boden unter ihren Helden erst zum Bröckeln und dann zum Einstürzen bringt - meist mit nur einem einzigen Satz. Allerdings geraten diese Wendungen zuweilen so abrupt, dass sie den Leser weniger beeindrucken als ratlos zurücklassen. In der Erzählung "Auf dem Land" beispielsweise führt ein reicher Mann eines Nachts seinen spielsüchtigen Nachbarsjungen in Versuchung und bezahlt diese Missetat mit dem Leben. Hingerichtet wird er aber nicht von dem Jungen, sondern von der eigenen Ehefrau, die bis zu diesem finale furioso in der Geschichte gleichwohl so gut wie keine Rolle spielte.

Immer wieder entfalten diese bösen Spielchen aber auch eine Brisanz, die abgründig und witzig zugleich ist. In den besten Texten des Bandes - dem schon erwähnten "Kontrabass", in "Die Frau von Georges" und in "Das Blinklicht" - erinnert die Entblößungsprosa von Véronique Bizot daher von ferne an die Paarstudien der französischen Dramatikerin Yasmina Reza, die ja ebenfalls nichts lieber und besser tut, als die Fassaden bürgerlichen Lebens mit ein paar Federstrichen niederzureißen. Am Ende eines heiteren Dinners bei den Nachbarn blickt die Erzählerin in "Die Frau von Georges" auf zwei andere Paare, "deren Privatsphäre ich mir zu der Stunde vorstellte, da dieses Abendessen beendet sein würde, das stumme Ritual des Zubettgehens in der Stille der Schlafzimmer, das Schlucken der Schlafmittel, die Verbitterung von Susi Klausen, wie sie sich Ohropax in die Ohren steckt, die ohne den kleinsten Versuch der Annäherung gelöschten Lichter, nun, da man vom Desinteresse zum Abscheu, von der Desillusion zum Hass übergegangen war". Was die richtige Dosierung von Auslassung und Andeutung betrifft, beweist Véronique Bizot jedenfalls immer wieder ein nahezu perfektes Gespür.

Im Zusammenspiel mit ihrem Stil, einer melodischen, feinen Sprache, die trotz langer Sätze und vieler Einschübe immer klar bleibt, bieten ihre Erzählungen kleine Trauerspiele, die sich blitzschnell in makabere Komödien verwandeln können. Melancholie weicht der Ironie, Verzweiflung dem schwarzen Humor. Und wer immer dachte, sich vom Leben fernzuhalten würde einen vor bösen Überraschungen bewahren, sieht sich regelmäßig getäuscht.

LENA BOPP

Véronique Bizot: "Die Heimsucher". Roman.

Aus dem Französischen von Tobias Scheffel und Claudia Steinitz. Steidl Verlag, Göttingen 2015. 302 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Lena Bopp erinnern die Erzählungen von Véronique Bizot manchmal an die Stücke von Yasmina Reza. Dann schlägt Harmlosigkeit mittels schwarzem Humor und Sarkasmus um ins Drama. Abgründig und witzig und sprachlich melodisch sind die Geschichten um vereinsamte Gestalten, die von Erinnerungen an bessere Zeiten leben, für Bopp. Die teils aus der Anfangsphase von Bizots literarischem Schaffen stammenden Texte weisen laut Bopp auf die Romane der Autorin voraus, stilistisch und thematisch. Hin und wieder stellt sich die entscheidende Wende in den Geschichten allzu abrupt ein, findet die Rezensentin. Dann schaut sie ratlos auf so ein Trauerspiel und vermisst die ansonsten beeindruckende Klarheit und feine Dosierung von Ironie in den Texten.

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