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Was tun, wenn man eine sehr emotionale, sehr russische Mutter hat, die mindestens einmal täglich anruft, um sich zu erkundigen, ob man auch genug gegessen habe? Wenn man eine wunderbare, aber schrecklich vergessliche Großmutter hat, die nur in ihrer Sankt Petersburger Vergangenheit lebt? Und einen reizenden Bruder, der gerade beschlossen hat, sich dem Buddhismus zuzuwenden?
Eigentlich wäre Anja schon damit ausgelastet, ihre Beziehung zu Jan auf die Reihe zu kriegen und sich vielleicht einen Job zu suchen. Aber Anjas Familie ist omnipräsent, auch wenn sie ein paar hundert Kilometer entfernt
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Produktbeschreibung
Was tun, wenn man eine sehr emotionale, sehr russische Mutter hat, die mindestens einmal täglich anruft, um sich zu erkundigen, ob man auch genug gegessen habe? Wenn man eine wunderbare, aber schrecklich vergessliche Großmutter hat, die nur in ihrer Sankt Petersburger Vergangenheit lebt? Und einen reizenden Bruder, der gerade beschlossen hat, sich dem Buddhismus zuzuwenden?

Eigentlich wäre Anja schon damit ausgelastet, ihre Beziehung zu Jan auf die Reihe zu kriegen und sich vielleicht einen Job zu suchen. Aber Anjas Familie ist omnipräsent, auch wenn sie ein paar hundert Kilometer entfernt wohnt.
Als eines Tages ihr Ex-Freund auftaucht und ihr einen Job in einem russischen Reisebüro vermittelt, wird sie schon wieder mit ihrer Herkunft konfrontiert. Und die Erinnerungen an ihre russische Kindheit, wo Kartoffeln mit Hering zum Frühstück der Inbegriff von Glück bedeutete, und später an das deutsche Wohnheim, wo die Tiefkühlpizza in Ermangelung eines Ofens auf dem Herd aufgewärmt wurde, sind wieder da. Mit einer doppelten Identität zu leben, erschöpft sich ganz offensichtlich nicht darin, seinen deutschen Freunden zu erklären, dass Puschkin nicht nur ein Wodka, sondern auch ein Dichter war.
Autorenporträt
Lena Gorelik, geboren 1981 in Sankt Petersburg, kam 1992 zusammen mit ihrer russisch-jüdischen Familie als "Kontingentflüchtling" nach Deutschland und lebt heute in München. 2009 wurde ihr der Förderpreis des Friedrich-Hölderlin-Preises verliehen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.12.2004

Auf gut Russisch
Lena Goreliks Debüt „Meine weißen Nächte”
Wenn sich in Ihrem Kühlschrank stets Buletten befinden; wenn es die fehlende Stille ist, die Sie von anderen unterscheidet; wenn Sie Ihre Mutter vom Zug abholt, als kämen Sie aus dem Krieg - was sind Sie dann? Genau. Eine junge Russin in Deutschland. Soviel ist schnell klar in Lena Goreliks Roman „Meine weißen Nächte”: Es gibt offensichtlich klare Bestimmungsmerkmale, an denen sich russische Emigranten erkennen. Merkmale, die man besser im Verborgenen hält, wenn man als deutsch gelten möchte. Denn nur die Russin findet Pilze blind, wo sich ihr deutscher Freund im Wald längst fürchtet. Und nur der Russe weiß, wie man Wodka trinkt, ohne am Kater zu leiden (das Geheimnis: „Nachessen”).
Lena Gorelik treibt in ihrem Debütroman ein leichtfüßiges Spiel mit Klischee und Wahrheit. Man mag es ihr nicht verübeln, denn es ist auch ihre eigene Geschichte: In Sankt Petersburg geboren, kam sie 1992 elfjährig mit ihrer jüdisch-russischen Familie als „Kontingentflüchtling” nach Deutschland. Vieles von dem, was ihre Heldin Anna „Anjetschka” Buchmann in St. Petersburg und in Schwaben erlebt, ist autobiographisch gefärbt. Das ist - zwischen den Erinnerungen an St. Petersburg und Annas Kindheit in Ludwigsburg - oft hinreißend komisch. Manchmal aber auch einfach nur läppisch. Der quasi-ethnologische Blick eines irritierten und gleichwohl selbstbewussten Mädchens, das unversehens in eine fremde Welt verpflanzt wird, in der man sogar Wasser in Flaschen kauft, ist gut gelungen und ausgesprochen unterhaltsam.
Recht uninspiriert sind dagegen die Erzählungen von heute und von Anjas Unentschlossenheit zwischen dem gutmütigen Jan (deutsch; hat Angst im Wald) und dem attraktiven Ilja (russisch; riecht richtig gut). Da geht es darum, wie peinlich die Eltern sind, wie unangenehm die Reaktion von Partygästen auf ihre Herkunft und dass es nervt, wenn man ihr mit James Bond-Filmen kommt, in dem die Russen die Bösen sind. Das sind wohl die Luxusprobleme des russischen Emigranten. Wenn das alles ist, muss man sich um die Zukunft der multi-kulturellen Gesellschaft keine Sorgen machen.
Oft wird beflissen erklärt, wo die Erzählung doch für sich spräche, begleitet von jener heiteren Hobby-Selbstanalyse, wie man sie in auch in Zeitgeist-Literatur findet. Anjas Bruder, mal Buddhist, mal Zionist, mal Entwicklungshelfer in Afrika - klarer Fall von Emigrantensyndrom. Für die weitgehend folgenlose Einführung des Begriffs ruft mal eben eine Tante aus Amerika an, die Psychiaterin ist. Danach hört man von ihr nichts mehr. „Meine weißen Nächte” ist ein Erstlingswerk: Viel eigene Erfahrung wird mit einigem erzählerischen Talent ausgebreitet - und leider durch allzu vorsichtiges Erzählen gebändigt. Dabei verrät das Buch doch einiges über das Gespür der Autorin für die feine Balance aus Leichtigkeit und Melancholie. Und manches Mal blitzt herrliche Lakonie auf, von der man sich mehr gewünscht hätte. Doch wirkungsvolle Lakonie ist harte Arbeit. Mit etwas mehr Herzblut hätte dieser Roman richtig gut werden können. Flockig hingeworfene Sätze jedenfalls wie „Er brachte mir Blumen und mich zum Lachen” sollte ein Lektor seinem Autor um die Ohren hauen, dass es nur so kracht.
SEBASTIAN HANDKE
LENA GORELIK: Meine weißen Nächte. Roman. SchirmerGraf Verlag, München 2004. 288 Seiten, 18,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Sebastian Handke findet diesen Debütroman der seit 1992 in Deutschland lebenden russischen Autorin Lena Gorelik zumindest zum Teil recht gut gelungen. Insbesondere die "quasi-ethnologischen" Beobachtungen, die die offensichtlich autobiografisch gezeichnete Hauptfigur Anja in ihrer neuen Heimat in Schwaben macht, sind mitunter von geradezu "hinreißender" Komik, so der Rezensent begeistert. Sehr gut gefällt ihm auch der Teil, der sich mit den Erinnerungen Anjas an die Kindheit in Sankt Petersburg und mit den ersten Jahren in Ludwigsburg befasst, und er lobt ihn als "gut gelungen und ausgesprochen unterhaltsam". Weniger überzeugend scheinen Handke die Schilderungen aus der Gegenwart, in der sich die Protagonistin zwischen einem deutschen und einem russischen Mann hin und her gerissen fühlt. Hier sieht sich der Rezensent mit den "Luxusproblemen des russischen Emigranten" konfrontiert, die ihn nicht wirklich interessieren und zudem wird ihm oft "zu beflissen erklärt", was eigentlich für sich spricht. Gorelik verfügt über einiges "erzählerisches Talent" und sie hat durchaus "Gespür für die feine Balance aus Leichtigkeit und Melancholie", versichert der Rezensent. Er hätte sich nur "etwas mehr Herzblut" in diesem Buch gewünscht, dann, meint Handke mit ein bisschen Bedauern, "hätte dieser Roman richtig gut werden können".

© Perlentaucher Medien GmbH
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