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Erwin Geschonneck war einer der profiliertesten Schauspieler der DDR, schon zu Lebzeiten eine Film- und Theaterlegende. Im Januar 1987 sprach der noch junge Regisseur Thomas Heise mit dem 80-jährigen Großmimen über seine Zeit als Häftling im KZ Dachau. Das daraus entstandene Feature durfte bis zum Dezember 1989 im DDR-Rundfunk nicht gesendet werden. Geschonneck berichtet darin vom Alltag im Lager, von Abstumpfung gegenüber Elend, Gewalt und grausamen Machtverhältnissen, vom Wunsch, "sauber zu bleiben". Für die DDR-Propaganda sahen Helden des Widerstands im KZ anders aus. Und er erzählt vom…mehr

Produktbeschreibung
Erwin Geschonneck war einer der profiliertesten Schauspieler der DDR, schon zu Lebzeiten eine Film- und Theaterlegende. Im Januar 1987 sprach der noch junge Regisseur Thomas Heise mit dem 80-jährigen Großmimen über seine Zeit als Häftling im KZ Dachau. Das daraus entstandene Feature durfte bis zum Dezember 1989 im DDR-Rundfunk nicht gesendet werden. Geschonneck berichtet darin vom Alltag im Lager, von Abstumpfung gegenüber Elend, Gewalt und grausamen Machtverhältnissen, vom Wunsch, "sauber zu bleiben". Für die DDR-Propaganda sahen Helden des Widerstands im KZ anders aus. Und er erzählt vom Humor als Überlebensstrategie, am Beispiel etwa eines "komischschaurigen Ritterstücks", einer heimlichen Persiflage auf das Dritte Reich - aufgeführt von Häftlingen für Häftlinge im Juni 1943. Ein atmosphärisch dichtes, sehr eindrückliches Hörstück.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dieses von Thomas Heise inszenierte Feature ist gleich in zweifacher Hinsicht ein wichtiges historisches Dokument, versichert Rezensent Tobias Lehmkuhl. Zum einen, weil der DDR-Schauspieler Erwin Geschonneck hier eindringlich von seinen Erfahrungen als Block-Ältester im Lager Dachau erzählt, so Lehmkuhl, der unter anderem erfährt, wie Geschonneck mit der "Allgegenwärtigkeit des Todes" umging und wie er die SS zum Lachen brachte, um zu überleben. Zum anderen, weil das ursprünglich für den Rundfunk der DDR erarbeitete Feature den Verantwortlichen zu "unideologisch" erschien, um es zu senden, klärt der Kritiker auf, der im Booklet zahlreiche interessante Dokumente entdeckt. Wie Heise mit leisen Hintergrundgeräuschen das Verhältnis von "Ausgesprochenem und Unausgesprochenem" in den beiden Diktaturen erfahrbar macht, findet der Rezensent brillant.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2016

DAS HÖRBUCH
Bloß nicht
auffallen
Erwin Geschonneck berichtet
vom Leben im Lager Dachau
Erstaunlich, das vorweg, ist an dem Feature „Widerstand und Anpassung“ schon die Entstehungsgeschichte. Sie ist im Grunde eine Verhinderungsgeschichte. Der Rundfunk der DDR nämlich, für den es ursprünglich erarbeitet wurde, wollte das Feature am Ende nicht senden, zu unideologisch war offensichtlich die Herangehensweise des Regisseurs Thomas Heise.
  Im Booklet der jetzt vorliegenden CD ist ein Brief von Heises damaliger Redakteurin abgedruckt, eine Stellungnahme aus der Abteilung Agitation des Zentralkomitees der SED und eine abschließende Notiz des Leiters der Hauptabteilung Funkdramatik. Welches dieser Dokumente das perfideste ist, lässt sich schwerlich sagen. Erwin Geschonneck selbst plädierte unbedingt für die Ausstrahlung des Features, auch wenn es nach Meinung der Entscheidungsträger seiner Person nicht gerecht werde: „Ich bin da ganz anderer Ansicht.“ Auf diese Weise ist die nun erschienene CD ebenso ein Dokument über Zensur und Propaganda in der DDR geworden wie über das Leben im Konzentrationslager.
  Denn darum geht es eigentlich, um die vier Jahre, die Erwin Geschonneck, einer der bekanntesten Schauspieler der DDR, im Lager Dachau verbrachte. Geschonneck schildert, wie er einmal abkommandiert wurde, die sich über mehrere Tage hinziehende Ermordung von sechzig russischen Politkommissaren zu dokumentieren, berichtet davon, wie man sich an die Allgegenwart des Todes gewöhnt: „Wenn ich mich heute daran erinnere, an die makabere Situation, wie der abgespritzt wurde, mit Benzin, muss Benzin gewesen sein, das wirkt ja schneller als Wasser, wie?“
  Geschonneck erzählt, immer wieder stockend, wie er als Block-Ältester unfreiwillig zu einem Teil des Drangsalierungsapparats der SS wurde. Doch Anpassung war absolut notwendig: Bloß nicht auffallen, nur so hatte man eine Chance. Zur Überlebensstrategie gehörte aber auch, das zumindest die These des Regisseurs Thomas Heise, Widerstand.
  Widerstand leistete man, indem man lachte, indem man die SS zum Lachen brachte. Und dies geschah an einem denkwürdigen Abend des Jahres 1943, als Geschonneck mit einigen anderen Häftlingen neben der Dachauer Desinfektionsbaracke „Die Blutnacht auf dem Schreckenstein“ aufführte, ein selbstgeschriebenes Ritterspektakel, dessen Hauptfigur Graf Adolar eine Karikatur Adolf Hitlers war. Dass aber fiel nur den Häftlingen auf, nicht der SS, und so lachten die Zuschauer aus ganz unterschiedlichen Gründen.
  „Die Blutnacht auf dem Schreckenstein“ zieht sich als roter Faden durch dieses Feature, das scheinbar kunstlos, als Zusammenschnitt eines längeren Interviews daherkommt. Nach und nach aber merkt man, wie geschickt es gebaut ist. Wer genau hinhört, dem fallen bald die irritierenden Geräusche auf, vermeintlich Hintergrundgeräusche, von Heise äußerst dezent, aber um so wirkungsvoller eingesetzt: Zündhölzer, die angerissen werden, ratternde Eisenbahnen, Löffelklirren, das zum Stundenschlag wird, ein blechernes Scheppern, als würden Waggontüren zugezogen – eine versteckte Klangspur, die die doppelte Zeitzeugenschaft des Features und das Verhältnis von Ausgesprochenem und Unausgesprochenem in zwei Diktaturen vor Ohren führt.
TOBIAS LEHMKUHL
Thomas Heise: Widerstand und Anpassung – Überlebensstrategie. Ein Gespräch mit dem Schauspieler Erwin Geschonneck. Chr. Links Verlag, Berlin 2016. 1 CD, 54 Min., 13 Euro.
1943 führten die Häftlinge
ein selbstgeschriebenes Spektakel
um den Grafen Adolar auf
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