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Die Arbeit des Suchdienstes ist ein aufregendes humanitäres Puzzle. Noch heute ist das Schicksal von rund anderthalb Millionen Menschen ungeklärt, die nach dem Zweiten Weltkrieg als vermisst gemeldet worden sind.

Produktbeschreibung
Die Arbeit des Suchdienstes ist ein aufregendes humanitäres Puzzle. Noch heute ist das Schicksal von rund anderthalb Millionen Menschen ungeklärt, die nach dem Zweiten Weltkrieg als vermisst gemeldet worden sind.
Autorenporträt
Klaus Mittermaier, Jahrgang 1942, Studium der Geographie, Soziologie und Volkswirtschaft an der Technischen Universität München. 1970-1981 Dozent am Geographischen Institut der TU München, 1981-1986 Abteilungsleiter beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes München, seit 1986 dessen Leiter.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.07.2002

Gesucht und gefunden
Der Suchdienst des Roten Kreuzes forscht bis heute nach Vermissten und Verschollenen in aller Welt
KLAUS MITTERMAIER: Vermisst wird... Die Arbeit des deutschen Suchdienstes, Links Verlag, Berlin 2002. 188 Seiten, 16,90 Euro.
Suchdienst – ein altmodisches Wort. Weinende Frauen auf Schwarzweißbildern kommen in den Sinn, Flüchtlingstrecks aus Osteuropa und vermisste Kinder. Suchdienst, das war einmal. Wer interessiert sich heute noch für die Vermissten des Zweiten Weltkrieges?
Tatsächlich tun das ziemlich viele Menschen, wie Klaus Mittermaier, Leiter des Deutschen Suchdienstes beim Roten Kreuz in München weiß. Mehrere tausend Anfragen bearbeitet sein Team jedes Jahr. Angehörige wollen wissen, wo der Vater begraben ist, ob die Tante das KZ überlebt hat oder der Bruder den Flüchtlingstreck. Klaus Mittermaier hat gelernt: „Es ist schrecklich, einen Familienangehörigen durch den Tod zu verlieren – noch schrecklicher jedoch ist es, nicht zu wissen, wo und wie der geliebte Mensch gestorben ist.”
Tag für Tag führen Kriege und Naturkatastrophen dazu, dass Menschen, die in Deutschland leben, verzweifelt nach Angehörigen suchen – und beim Deutschen Suchdienst nachfragen. So war das auch 1992 während des Krieges in Bosnien-Herzegowina: 600000 Nachrichten vermittelte der Suchdienst zwischen den in Deutschland lebenden Familien und ihren Angehörigen im Kriegsgebiet. 1999 erschütterte ein Erdbeben den Nordwesten der Türkei, Zehntausende von Anfragen gingen in München ein. Und als am 11. September in New York das World Trade Center zusammenstürzte, leitete der Suchdienst zahllose Anfragen an das Rote Kreuz der USA weiter.
Helfer des Schicksals
53 Millionen Karteikarten lagern in den Archiven des Suchdienstbüros in München, weitere 8 Millionen in der Außenstelle in Berlin. Alle fünf Minuten können Suchdienstmitarbeiter heute im Durchschnitt ein Weltkriegsschicksal klären. Mit dem Fall des Eisernen Vorhanges eröffneten sich dem Deutschen Suchdienst unerwartete Möglichkeiten, dem Schicksal von Hunderttausenden von Menschen nachzugehen. Soldaten, die nie aus russischer Gefangenschaft zurück gekehrt waren, Bewohner der DDR, die von den Russen verschleppt worden waren, Kinder, die zu Zwangsadoptionen freigegeben wurden: In den Archiven im Osten stieß der Suchdienst auf verloren geglaubte Spuren.
1950 wurde der zentrale DRK-Suchdienst in Deutschland offiziell aus der Taufe gehoben. Heute arbeitet er im Auftrag und mit dem Geld der Bundesregierung. Zentrale Aufgabe ist immer noch die Nachforschung nach den Vermissten des Zweiten Weltkrieges, hinzu kommt die Klärung von Schicksalen aus der ganzen Welt – vorausgesetzt, der Antrag wird von einem Menschen gestellt, der in Deutschland lebt oder die deutsche Staatsangehörigkeit hat.
International ist der Deutsche Suchdienst eingebunden in ein weltumspannendes System. Jeder nationale Ableger des Internationalen Roten Kreuzes in Genf (IKRK) muss einen Suchdienst unterhalten; so schreiben es die Genfer Konventionen von 1949 vor. Weltweit sind es so mehr als 180. Über die Zentrale in Genf sind sie miteinander verknüpft. Wenn also beispielsweise ein elternloses Flüchtlingskind aus der Mongolei in Deutschland strandet, wird das Gesuch an die Kollegen dort weitergeleitet.
Das Buch erzählt die Geschichte des Deutschen Suchdienstes – und damit die Geschichten von Menschen. Immer wieder wird aus den Briefen zitiert, die an den Suchdienst gerichtet sind, einige sind anrührend, andere unfreiwillig komisch: Eine 69jährige Frau weiß zum Beispiel dank der Hilfe einer Hellseherin, dass ihr Mann in Sibirien mit einer neuen Frau lebt. Nun möchte sie vom Suchdienst seine Anschrift erfahren und erklärt am Ende ihres Briefes: „Ich verzeihe ihm, werde aber nicht ruhen, bis er nach Deutschland zurückgekehrt ist.”
In der Nachkriegszeit konnte der Suchdienst große Erfolge verbuchen. Dank der Methode mit dem komplizierten Namen „Karteibegegnungsverfahren” baute man eine Doppelkartei von Suchenden und Gesuchten auf. Die Trefferquote war erstaunlich. Später dann kam eine Zeitung hinzu, bis Ende der Neunziger Jahre strahlte auch der Rundfunk Suchdienstmeldungen aus. 33000 Findelkinder hatte der Suchdienst nach Kriegsende registriert. Das Karteibegegnungsverfahren konnte man bei ihnen nicht anwenden, da die meisten namenlos waren und sich an nichts erinnerten. Der ehemalige Kriegsberichterstatter Hilmar Pabel fotografierte die Kinder, überall in Deutschland hingen schon bald Plakate und Steckbriefe. Am Ende konnten fast alle ihren Familien zurückgegeben werden.
Nicht immer dient der Suchdienst seriösen Anfragen. Da wird nach der Öffnung der DDR-Grenze ein sechsfacher Bigamist gesucht, ein Trickbetrüger ist mit der Tochter durchgebrannt, sogar Liebeshungrige suchen die Hilfe von Klaus Mittermaier und seinen Kollegen: „Ich bin 21 Jahre alt und suche eine sympathische deutsche Frau...” schreibt beispielsweise ein junger Deutsch- Russe nach München. Ihm kann hier nicht geholfen werden.
DOROTHEA HEINTZE
Die Rezensentin ist Journalistin in Hamburg.
Tot geglaubt und dann heimgekehrt: Kosovo-Albaner fallen sich beim Wiedersehen in die Arme.
Foto: Reuters
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Recht detailfreudig berichtet Dorothea Heintze über das Buch von Klaus Mittermaier, Leiter des 1950 ins Leben gerufenen Deutschen Suchdienstes des Roten Kreuzes. Dieser kann auf eine lange und oft erfolgreiche Geschichte zurückblicken, so die Rezensentin. 60.000 Nachrichten etwa habe er während des Bosnien-Krieges zwischen Menschen in Deutschland und im Kriegsgebiet vermittelt, 53 Millionen Karteikarten lagerten insgesamt im Münchner Archiv, acht Millionen in der Außenstelle in Berlin. Einen extremen Auftrieb habe der Suchdienst nach 1989 erfahren, als er endlich Zugang auch zu den Archiven in der DDR und Osteuropa erhalten konnte. Heintze jedenfalls ist von der Arbeit des Suchdienstes, dessen Geschichte Mittermaier hier präsentiert, offensichtlich schwer beeindruckt. Denn schließlich ist die Geschichte des Suchdienstes, so die Rezensentin, auch die Geschichte von Menschen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Eine bewegende Lektüre. Steht doch hinter jeder genannten Zahl und jedem zitierten Dokument ein Menschenschicksal." (Ostthüringer Zeitung, 20.4.02)