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Zum 100. Todestag Richard M. Meyers am 8. Oktober 2014: eine Auswahl der Essays des renommierten Berliner Germanisten.»Aus der Liebe zu Sprache und Poesie ist die Philologie erwachsen und ohne sie verdorrt sie, wo noch so viele Quellen fließen.« In zahlreichen philologischen Aphorismen wie diesem brachte Richard M. Meyer (1860-1914) die große Leidenschaft seines Lebens zum Ausdruck - die Literaturwissenschaft als »eine lange Liebe zur Dichtkunst«.Nils Fiebig legt hier eine Quellensammlung vor, die das breitgefächerte Themenspektrum aufzeigt, aus dem sich die »lange Liebe« des Berliner…mehr

Produktbeschreibung
Zum 100. Todestag Richard M. Meyers am 8. Oktober 2014: eine Auswahl der Essays des renommierten Berliner Germanisten.»Aus der Liebe zu Sprache und Poesie ist die Philologie erwachsen und ohne sie verdorrt sie, wo noch so viele Quellen fließen.« In zahlreichen philologischen Aphorismen wie diesem brachte Richard M. Meyer (1860-1914) die große Leidenschaft seines Lebens zum Ausdruck - die Literaturwissenschaft als »eine lange Liebe zur Dichtkunst«.Nils Fiebig legt hier eine Quellensammlung vor, die das breitgefächerte Themenspektrum aufzeigt, aus dem sich die »lange Liebe« des Berliner Germanisten nährte: Abhandlungen über Gerhart Hauptmann, »Goethe in Venedig« und »Nietzsches Zarathustra« - für Meyer »das größte und im gewissen Sinne das einzige wahre Epos, das in der neuen Zeit entstand«. Beiträge »Über den Begriff der Individualität«, »Über das Verständnis von Kunstwerken« und Meyers philologische Aphorismen ergänzen die Themenpalette der Edition.
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Autorenporträt
Richard Moritz Meyer (1860-1914) war deutscher Literaturwissenschaftler und Mäzen. Zu seinen wichtigsten Publikationen zählten seine Goethe-Biographie und »Die deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts«. Er gehörte zum Umfeld von Friedrich Nietzsche und erkannte als einer der ersten den Kreis um Stefan George als eine literarische Innovation.

Nils Fiebig, geb. 1966, studierte Betriebswirtschaftslehre und ist seit 2004 im Vorstand der Richard M. Meyer Stiftung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.02.2015

Kenne den Markt, wenn du ihn beliefern musst
Ist so viel Reklame: Der deutschjüdische Germanist Richard M. Meyer zwischen Wilhelminismus und Moderne

"Ein Jude kann in der That nur eine Kritik, keine Geschichte der deutschen Litteratur liefern, denn er weiß ja nicht, was uns notwendig war und ist, er kann die Sprödigkeit und Widerspenstigkeit des ihm von Natur fremden Stoffes immer nur bis zu einem gewissen Grade überwinden." - Mit diesen Sätzen suchte der Literaturhistoriker Adolf Bartels Richard M. Meyers "Die deutsche Literatur des Neunzehnten Jahrhunderts", die im November 1899 im Berliner Bondi Verlag erschienen war, im Geiste des Antisemiten Heinrich von Treitschke als Ausdruck einer vermeintlich unüberwindlichen Volksfremdheit des jüdischen Gelehrten zu disqualifizieren.

Meyer war indessen, gleich vielen jüdischen Akademikern im Wilhelminischen Kaiserreich, selbst ein überzeugter Deutschnationaler. Seine Forschungsgegenstände und sein Literaturgeschmack wiesen ihn als zuverlässigen Pfleger deutscher Hochkultur aus. Meyers akademischer Lehrer war Wilhelm Scherer, Begründer der positivistischen Literaturwissenschaft, den er ein Leben lang verehrte und dessen "Poetik" er 1888 postum herausgegeben hat. Meyer begann als Altgermanist, machte sich mit einer 1895 erschienenen Goethe-Biographie als Kenner der Weimarer Klassik einen Namen und widmete sich in seinem späten Werk - er starb 1914 im Alter von nur vierundfünfzig Jahren - verstärkt solchen Vertretern der literarischen Moderne, die ihm als beispielhafte "große Deutsche" erschienen, vor allem Gerhart Hauptmann und Friedrich Nietzsche, aber auch Stefan George, dessen Lyrik er früh in ihrer Avanciertheit erkannte.

Weil er seiner Identifikation mit dem Kaiserreich zum Trotz nicht zum Christentum konvertieren wollte, sondern darauf bestand, dass sein Judentum und sein Deutschtum miteinander vereinbar seien, wurde er zur Zielscheibe antisemitischer Anwürfe, erhielt nie eine Professur und war gezwungen, den Großteil seiner Arbeiten in Journalen und Wochenzeitungen unterzubringen.

Den meisten Schriften Meyers, über die ein von Nils Fiebig herausgegebener Band nun einen Überblick gewährt, ist dieser Zwiespalt anzumerken. Sie folgen dem literarischen Kanon des Wilhelminismus, doch die Perspektive, aus der sie sich ihren jeweiligen Gegenständen nähern, ist eine genuin moderne. Der Essay "Goethe in Venedig" von 1897 nimmt seinen Ausgang in der Beobachtung, dass der in der Erfahrungswelt des Weimarer Hofes beheimatete Dichter die Stadt "zu künstlich, zu mittelalterlich - und zu großstädtisch" gefunden und in ihrer "Wunderschöpfung" die Zurichtung der historischen Fassaden für den touristischen Blick ausgemacht habe: "Er misstraut dem Ganzen wie einer dem Fremden vorgespielten Opernszene."

Die Diagnose, dass Goethe den "Zauber der Großstadt", der in dieser Transformation des Historischen zum Ästhetischen besteht, "nie anerkannt" habe, bildet bei Meyer jedoch nicht den Auftakt zu einer Deutung des Venedig-Motivs etwa in den Werken von Thomas Mann oder Hugo von Hofmannsthal, in denen jene Ästhetisierung des Historischen zur Geltung kommt, sondern führt zurück nach Weimar als Goethes "behagliches, vor allen Stürmen geschütztes Heim".

Auch der 1902 veröffentlichte Text "Großstadtpoesie" entwirft, anders als seine Entstehungszeit vermuten lässt, kein Panorama der Großstadt etwa in den Werken von Arthur Schnitzler, Rainer Maria Rilke oder im Naturalismus, sondern skizziert eine Kulturgeschichte der antiken und der biblischen Stadt, um das "neue Wort" anhand bereits historischer Texte wie Goethes "Faust", Franz Grillparzers "Der arme Spielmann" und der Romane Wilhelm Raabes zu entfalten. Auch der Essay über Gerhart Hauptmann aus dem Jahr 1912 stellt diesen weniger als Mitbegründer der Moderne im Schwanken zwischen Naturalismus und Ästhetizismus denn als über viele Umwege zum Klassizisten gereiften Nationaldichter dar.

Am interessantesten sind Meyers Texte dort, wo die Konfrontation von Traditionalismus und Moderne einen neuen Blick auf zeitgenössische Erfahrungen ermöglicht. Der 1902 publizierte Text "Zur Terminologie der Reklame" - eher Synopsis denn ausgearbeitete Abhandlung - bietet eine linguistische Analyse von "Namen aller möglichen mit Reklame angekündigten ,Artikel'" und demonstriert die Fruchtbarkeit der sprachwissenschaftlichen Methode für das Verständnis massenkultureller Phänomene. Welche Bedeutung bei der Entstehung von Produktnamen wie Odol und Numinol, Gustin und Vanillin, Kolibri und Gladiator Klangvalenz, Reimbarkeit und Metaphorizität haben, zieht Meyer in Erwägung, ohne bereits erschöpfende Antworten zu liefern.

Die Reklameanalyse, eine der frühesten Beispiele ihrer Art, veranschaulicht besonders deutlich, wovon auch die übrigen Texte zeugen. Meyer hat sich mit dem die Kultursphäre umgreifenden Markt, den er wegen seines Ausschlusses aus dem Wissenschaftsbetrieb selbst zu beliefern gezwungen war, immer auch in seinen Texten auseinandergesetzt.

Nur selten wird dieser Zusammenhang direkt zum Thema gemacht, meist wird er nur angedeutet, etwa wenn in einem Aufsatz über den "Struwwelpeter" die Bedeutung der Reinlichkeit im Buch zum Anlass für einen geschichtlichen Exkurs über Industrialisierung und Hygiene genommen wird oder ein Artikel über "Universität und Literatur" die zunehmend marktförmige Ordnung der Geisteswissenschaften anhand der Beschreibung eines spezifischen "Stils" der Berliner Universität illustriert.

Zweifellos war Meyer kein bedeutender Theoretiker; sein Denken verbleibt im Umkreis der empirischen Schule Wilhelm Scherers, sein Begriff der Geisteswissenschaft verdankt sich noch immer weitgehend Dilthey. Doch wo er sich ohne Vorbehalt auf Phänomene der damaligen Gegenwart einlässt, gelingen ihm kultursoziologische Einsichten, die ihn Georg Simmel und Werner Sombart annähern.

MAGNUS KLAUE

Richard M. Meyer: "Moral und Methode". Essays, Vorträge und Aphorismen. Hrsg. von Nils Fiebig. Wallstein Verlag, Göttingen 2014. 320 S., geb., 24,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Magnus Klaue freut sich, dass von Nils Fiebig unter dem Titel "Moral und Methode" nun ein Band mit den Schriften des deutschjüdischen Germanisten Richard M. Meyer herausgegeben wurde. Der Kritiker bemerkt bei der Auswahl von Meyers Forschungsgegenständen nicht nur schnell den Deutschnationalismus des Wissenschaftlers, sondern auch die Handschrift seines akademischen Lehrers Wilhelm Scherer. Und so liest er interessiert Schriften zu Goethe und zur Weimarer Klassik, aber auch zu Gerhard Hauptmann, Friedrich Nietzsche oder Stefan George, denen der Rezensent bei aller wilhelminischen Prägung die durchaus moderne Perspektive anmerkt. Insbesondere die Traditionalismus und Moderne verknüpfenden Texte, etwa jene frühen zur Reklame, hat der Kritiker mit Gewinn gelesen. Auch wenn Klaue den Autor, der vom Wissenschaftsbetrieb ausgeschlossen blieb, nicht als großen Theoretiker würdigt, bewundert er dessen kultursoziologische Einsichten, die ihn gar an Georg Simmel oder Werner Sombart erinnern.

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