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Die erste wissenschaftliche Untersuchung zur Filmzensur der »Bonner Republik«.Die Kontrolle des Films ist so alt wie das Medium selbst - bereits im Kaiserreich fürchteten Politiker, Publizisten und Pädagogen die manipulative Macht, die der Film gegenüber der »Masse« zu besitzen scheint. Daran änderte sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst wenig. In Westdeutschland entstand 1949 unter dem Druck der Amerikaner die »Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft« (FSK), die bis heute alle auf die Kinoleinwand kommenden Filme kontrolliert.Zensur erschließt sich jedoch weder durch den Blick…mehr

Produktbeschreibung
Die erste wissenschaftliche Untersuchung zur Filmzensur der »Bonner Republik«.Die Kontrolle des Films ist so alt wie das Medium selbst - bereits im Kaiserreich fürchteten Politiker, Publizisten und Pädagogen die manipulative Macht, die der Film gegenüber der »Masse« zu besitzen scheint. Daran änderte sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst wenig. In Westdeutschland entstand 1949 unter dem Druck der Amerikaner die »Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft« (FSK), die bis heute alle auf die Kinoleinwand kommenden Filme kontrolliert.Zensur erschließt sich jedoch weder durch den Blick allein auf die FSK noch dient der Begriff als Kampfvokabel. Wer Filme in welcher Form zu sehen bekam, war das Ergebnis eines komplexen Zusammenwirkens von moralischen Ansprüchen, politischen Ambitionen und wirtschaftlichen Interessen.Die Analyse dieses komplexen Gefüges zeigt, wie grundlegend sich gesellschaftliche Ordnungsentwürfe und die Vorstellungen von den »Grenzen des Zeigbaren« zwischen Nachkriegszeit und Wiedervereinigung geändert haben. Doch erweist sich gerade bei der Videodebatte der achtziger Jahre, dass sich dieser Wandel nicht alleine als Liberalisierung oder Aufhebung der Normen deuten lässt.
Autorenporträt
Jürgen Kniep, geb. 1978, studierte Neuere und Neueste Geschichte, Politikwissenschaft und Soziologie in Bamberg, Galway und Freiburg. Im Jahr 2009 wurde er promoviert und sie seit 2008 Mitarbeiter des Hauses der Bayerischen Geschichte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.05.2010

Gesellschaftliche Tüchtigkeit ist zu beachten
Bewegte Bilder gegen Leitbilder: Jürgen Knieps materialreiche Geschichte der westdeutschen Filmzensur

Selbst der "Spiegel" war beeindruckt. Schließlich gelang es in der Nachkriegszeit nicht alle Tage, "3 Militärregierungen, 11 Kultus-, 11 Sozial-, 11 Innenminister, 5 Produzenten-, Verleiher- und Theaterbesitzer-Verbände, die ausländischen Verleiher, 3 Kirchen und die Jugendorganisationen" unter einen Hut zu bringen. Das Ergebnis des Koordinationskunststücks prägt seit 1949 Sehgewohnheiten der deutschen Kinogänger: Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) entscheidet, welche Kinofilme - mittlerweile auch Videos und DVDs - für Zuschauer welchen Alters freigegeben werden. In seiner Studie zur westdeutschen Filmzensur bis 1990 beschreibt Jürgen Kniep an Motiven und Folgen dieser Entscheidungen die Grenzen des Zeigbaren in der alten Bundesrepublik.

Die lange Liste des "Spiegel" kündet von der Zahl der Akteure auf dem Feld der Filmzensur. Die amerikanische Militärregierung hatte das Prinzip der Selbstkontrolle befürwortet, um staatlichen Einfluss auf das Filmwesen abzuwenden. Bis die FSK in Wiesbaden die erste Freigabe erteilte, setzte sich allerdings eine spezifisch westdeutsche Form von Selbstkontrolle durch, die eben nicht allein von der Filmwirtschaft ausging, sondern in einem korporatistischen Kompromiss die öffentliche Hand einbezog. Länder, Kirchen und Jugendverbände stellten zwei der sechs Prüfer im Arbeitsausschuss der FSK, der alle Filme beurteilte; die Filmwirtschaft entsandte die übrigen vier. An Hildegard Knef wäre die neue Einrichtung fast gescheitert. Als Prostituierte in Willi Forsts "Die Sünderin" verdient sie das Geld für eine Krebsoperation ihres Geliebten, der bald wieder erkrankt und nicht länger leiden will. Nachdem sie ihm Sterbehilfe geleistet hat, bringt sie sich um. Das Verhalten der Hauptfigur löste Anfang 1951 den Skandal um den Film aus, der später oft mehr der Nacktheit der Knef zugeschrieben wurde. Aus den Wiesbadener Prüfunterlagen rekonstruiert Kniep die internen Debatten über die Freigabe des Films, die erst fünf Minuten vor der Premiere erfolgte. Tags darauf trat der evangelische Filmbeauftragte Werner Hess als Prüfer zurück, auch die katholische Kirche kündigte die Mitarbeit in der FSK auf.

Der Rückzug war von kurzer Dauer. Der Arbeitsausschuss wuchs auf acht Mitglieder an, so dass die Kirchen stets vertreten waren und Parität zwischen Filmwirtschaft und öffentlicher Hand bestand. Das Jugendschutzgesetz von 1951 schuf zwar eine Rechtsgrundlage für die altersabhängige Freigabe von Filmen, aber die Erwachsenenfreigabe und die daran gebundenen Schnittauflagen basierten auf dem Konsens der Beteiligten.

Die in den fünfziger Jahren gefundene Form hielt bis in das nächste Jahrzehnt hinein, solange sich negative Annahmen über das populäre Medium Film und über allzu leicht beeinflussbare Publikumsmassen passgenau verbanden. Ein wichtiger Maßstab der Prüfer war die "gesellschaftliche Tüchtigkeit", der sie die Gefahren politischer, moralischer und religiöser Verwirrung gegenüberstellten.

Neue Leitbilder wie der "mündige Bürger" und ein gewandeltes Medienverständnis führten in den sechziger und siebziger Jahren zu Kritik an der Filmzensur. Die Welle der Aufklärungs- und Sexfilme veränderte zudem die Arbeit der FSK, denn ab 1972 oblag die umstrittene Erwachsenenfreigabe nurmehr zwei Prüfern der Filmwirtschaft, während die Vertreter der öffentlichen Hand weiter an der Alterseinstufung für Kinder und Jugendliche mitwirkten. Die Frage, was jungen Kinobesuchern zumutbar sei, wich damals dem Verdacht, dass ihnen etwas vorenthalten werde.

Indem Kniep Zeitströmungen anschaulich mit Entwicklungen im Jugendschutz, im Filmgeschäft und im Mediengefüge verknüpft, löst er sich von einer Sicht auf Filmzensur als rein restriktives Staatshandeln. Für die achtziger Jahre betont er die "mediale Skandalisierung von Videofilmen". Damals wurde der freie Zugang zu Horrorstreifen in Fernseh- und Presseberichten zu einem gesellschaftlichen Problem erklärt, wobei auf Sprachfiguren der fünfziger Jahre zurückgegriffen wurde, wenn Filme als Seuche, Gift oder Sucht bezeichnet wurden. 1985 übertrug das novellierte Jugendschutzgesetz der FSK die Altersfreigabe von Videofilmen. Als Reaktion auf die Videodebatte sicherte sich die öffentliche Hand zugleich eine Mehrheit im Arbeitsausschuss. Die von den Amerikanern staatsfern gedachte Selbstkontrolle übte von da an ein "länderdominiertes Jugendschutzgremium" aus.

THORSTEN GRÄBE

Jürgen Kniep: ",Keine Jugendfreigabe!'". Filmzensur in Westdeutschland, 1949-1990. Wallstein Verlag, Göttingen 2010. 445 S., Abb., geb., 42,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als sehr aufschlussreich lobt Thorsten Gräbe Jürgen Knieps Studie zur westdeutschen Filmzensur von 1949 bis 1990. Intensiv befasse sich der Autor mit Einrichtung und Zusammensetzung der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) und lege beispielsweise detailliert die Hintergrunddebatten zu Willi Forsts Film "Die Sünderin" dar, der 1951 zum Skandal wurde und an dem die FSK fast gleich wieder auseinandergebrochen wäre, wie der Rezensent berichtet. Insbesondere wie der Autor den zeitgeschichtlichen Kontext und die Entwicklung des Jugendschutzes mit der Film- und Medienwelt verknüpft, findet Gräbe sehr erhellend, und er lobt, dass Kniep das Thema damit nicht zuletzt aus der einseitigen Sicht der Zensur als bloßem staatlichen Instrument der Restriktion löst.

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