Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 9,90 €
  • Broschiertes Buch

Theorie und Praxis der wichtigsten neueren Zugänge zur Geschichte der Geschichtswissenschaft.Die Geschichte der Geschichtswissenschaft hat sich in den letzten Jahren zu einem vielfältigen Forschungsfeld entwickelt. Der Band gibt in Originalbeiträgen einen Überblick über die wichtigsten neueren Forschungsperspektiven. Die Beiträger diskutieren die theoretischen Grundlagen ihrer methodischen Ansätze - und demonstrieren deren Erkenntnismöglichkeiten und Grenzen an praktischen Beispielen:Wissenschaftssoziologie (Thomas Etzemüller)Feldanalyse (Olaf Blaschke/Lutz Raphael)Institutionengeschichte…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Theorie und Praxis der wichtigsten neueren Zugänge zur Geschichte der Geschichtswissenschaft.Die Geschichte der Geschichtswissenschaft hat sich in den letzten Jahren zu einem vielfältigen Forschungsfeld entwickelt. Der Band gibt in Originalbeiträgen einen Überblick über die wichtigsten neueren Forschungsperspektiven. Die Beiträger diskutieren die theoretischen Grundlagen ihrer methodischen Ansätze - und demonstrieren deren Erkenntnismöglichkeiten und Grenzen an praktischen Beispielen:Wissenschaftssoziologie (Thomas Etzemüller)Feldanalyse (Olaf Blaschke/Lutz Raphael)Institutionengeschichte (Gabriele Lingelbach)Gedächtnisgeschichte (Susanne Rau)Geschlechtergeschichte und Diskursanalyse (Angelika Epple)Narratologie (Jan Eckel)Transnationale Geschichte (Sebastian Conrad)Kontroversen und Streitgeschichte (Klaus Große Kracht)Generationengeschichte (Jens Nordalm)
Autorenporträt
Jan Eckel, Professor für Zeitgeschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg. Er hat zahlreiche Schriften zur Geschichte der Menschenrechte und der Geschichte der internationalen Politik im »langen« 20. Jahrhundert vorgelegt.

Thomas Etzemüller ist seit 2003 Juniorprofessor für Zeitgeschichte an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Publikationen u.a.: Werner Conze und die Neuorientierung der westdeutschen Geschichtswissenschaft (2001); 1968 - ein Riss in der Geschichte? (2005).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.12.2008

Methoden für den Lehrstuhl

Die Karrierephase zwischen der Dissertation und dem erhofften Hafen eines Lehrstuhls ist für Geisteswissenschaftler selten gemütlich, dafür oft ertragreich. Besonders gute Voraussetzungen scheint sie zu bieten, um die Evolution der eigenen Spezies zu untersuchen. Man kennt den Betrieb schon zu gut, um sich noch große Illusionen zu machen, ist aber vor Zynismus gefeit, will man in ihm doch bestehen. Zudem zwingt der fortlaufende Sesseltanz um die begehrten Dauerstellen, die Regeln des Spiels genau zu studieren, und unterbindet die Neigung, das eigene Tun zum selbstlosen Einsatz für eine hehre "Gelehrtenrepublik" zu verklären. Schließlich kann das Wissen um die Gefahr, vom System noch ausgespuckt zu werden, zu einer inneren Distanz verhelfen, mit der sich der Betrieb auch von außen betrachten lässt.

Eine schöne Bestätigung dafür liefert ein Sammelband, dessen Autorinnen und Autoren größtenteils in besagter Karrierephase stecken (Jan Eckel, Thomas Etzemüller [Hrsg.]: "Neue Zugänge zur Geschichte der Geschichtswissenschaft". Wallstein Verlag, Göttingen 2007. 312 S., br., 32,- [Euro]). Ihre Aufgabe bestand darin, eine von ihnen favorisierte Methode vorzustellen, deren theoretische Grundlagen zu erläutern, sie mit eigenen Konzepten anzureichern und schließlich auf einen historischen Gegenstand anzuwenden, um ihren praktischen Nutzen zu demonstrieren. Dieses Vorhaben ist bewundernswert ambitiös und auch dann noch interessant, wenn es nicht ganz gelingt, denn Bücher über Methoden der Geschichtswissenschaft machen regelmäßig dort halt, wo es erst richtig interessant wird: bei der Umsetzung theoretischer Modelle in Quellenforschung.

Die Herausgeber haben drei Schwerpunkte gesetzt: einen auf wissenssoziologische, einen auf narratologische und einen auf komparatistische Verfahren. Auffallend an den wissenssoziologischen Zugängen ist die Dominanz von Pierre Bourdieus Theorieangebot. Bei aller Erklärungskraft seiner Gelehrtensoziologie, die den Hauptakzent auf Machtkämpfe legt, wird sich kommenden Historiographiegeschichtlern auch die Frage stellen, ob Bourdieus Hochkonjunktur von der aktuellen Situation im akademischen Feld profitiert, dass eine produktive geisteswissenschaftliche Reservearmee einer von Bürokratie, Projektmanagement und Lehre absorbierten Professorenelite gegenübersteht.

Mit den Abhandlungen über die Erzählung in Geschichtswerken wechselt die Perspektive von den Produzenten zu den Produkten. Hier nimmt Hayden White einen ähnlich prominenten Platz ein wie Bourdieu zuvor, wird aber deutlich kritischer betrachtet.

Am anregendsten dürften die Beiträge im hinteren Teil des Bandes sein. Sebastian Conrad verknüpft Methoden des historischen Vergleichs und der Transferforschung, um die Anfänge der japanischen Geschichtswissenschaft im späten neunzehnten Jahrhundert zu beschreiben; wie er darlegt, eigneten sich japanische Historiker nicht bloß die europäischen Verfahren der Quellenedition und -analyse an, sondern auch die europäische Gliederung der Geschichte in drei Epochen. Ein Clou bestand in der Anverwandlung des europäischen Orientalismus-Topos, der die östlichen Kulturen inklusive Japan als rückständig darstellte. Mit ihm riefen japanische Historiker nun eine "Geschichte des Orients" ins Leben, die sich ausschließlich mit den im Westen liegenden Ländern China und Korea befasste!

In einem weiteren Aufsatz stellt Klaus Große Kracht ein Stufenmodell des Historiker-Streits vor, dessen Brisanz in der Behauptung liegt, dass es mit seiner wissenschaftlichen Fruchtbarkeit spätestens vorbei sei, wenn er in der Presse ausgetragen oder von ihr gar lanciert werde - wie beim willigen Hereinfallen auf Goldhagens pauschale Provokationen. Brisant ist die Behauptung auch deshalb, weil Große Kracht dafür nicht nur die Bedürfnisse des Feuilletons nach normverletzenden Themen verantwortlich macht, sondern auch widersprüchliche Einstellungen der Forschenden: Der Wunsch nach medialer Resonanz gehe einher mit der Disqualifikation der Medien als Urteilsinstanzen.

Hoch anzurechnen ist den Herausgebern schließlich, dass sie mit Jens Nordalm noch einem Advocatus Diaboli das Wort geben, der den ganzen "Methodenüberschwang" zum Kuckuck wünscht und für eine Theorie der Geschichtswissenschaft nach Droysen und Dilthey keinen Bedarf mehr sieht. Nordalms Aufsatz hat durchaus seine Stärken, etwa im Nachweis, dass Methodenaficionados dazu neigen, eine Karikatur des Historismus zu zeichnen, um alten Wein in neuen Schläuchen auszuschenken. Sobald Nordalm aber sein eigenes Vorgehen beschreibt, ist es um seinen Scharfsinn geschehen. Es komme nur darauf an, "möglichst viele Fragen zu stellen", und im Übrigen habe er in seiner Untersuchung zu Erich Macks "keine ,Methoden' ,angewendet'". Hier findet ein Methodenmuffel zum Klischee seiner selbst, das da lautet: Sie wissen nicht, was sie tun.

CASPAR HIRSCHI

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr