Marktplatzangebote
17 Angebote ab € 0,26 €
  • Gebundenes Buch

Die Entdeckung aus den Niederlanden: ein raffinierter Roman über eine erste Liebe in gleißenden Sommertagen und die ergreifende Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Brüdern. Kompromisslos wie der frühe McEwan, ein starkes Debüt!
Seit Wochen liegt brütende Hitze über der Stadt. Die Menschen sind träge, das Leben verläuft wie in Zeitlupe, und Kaat, die schöne Freundin des Ich-Erzählers, lungert nur noch, kaum verhüllt, auf dem Bett herum. Mit ihm schlafen will sie nicht mehr. Obwohl sie doch zuletzt nichts anderes im Kopf hatte. Nun stöhnt sie über die Hitze. Und vom Haus gegenüber…mehr

Produktbeschreibung
Die Entdeckung aus den Niederlanden: ein raffinierter Roman über eine erste Liebe in gleißenden Sommertagen und die ergreifende Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Brüdern. Kompromisslos wie der frühe McEwan, ein starkes Debüt!
Seit Wochen liegt brütende Hitze über der Stadt. Die Menschen sind träge, das Leben verläuft wie in Zeitlupe, und Kaat, die schöne Freundin des Ich-Erzählers, lungert nur noch, kaum verhüllt, auf dem Bett herum. Mit ihm schlafen will sie nicht mehr. Obwohl sie doch zuletzt nichts anderes im Kopf hatte. Nun stöhnt sie über die Hitze. Und vom Haus gegenüber spähen die Dachdecker ins Zimmer.Kaat. Die schöne Kaat mit den feurigen Augen. Sie ist ihm ein Rätsel. Und je schärfer er sie beobachtet, desto undurchschaubarer wird sie. Hat Kaat eine Affäre mit Stadig, seinem gutaussehenden Vermieter, den sie doch angeblich nicht ausstehen kann? Und warum lehnt sie es ab, Fotos von seinem Bruder Krijn anzusehen? Während das Misstrauen des Erzählers wächst, beginnt man sich zu fragen, ob nicht auch er etwas verbirgt. Misfit ist der beeindruckende Debütroman von Vincent Overeem, ein in den Niederlanden bereits gefeierter Schriftsteller. Ein Roman, der an die schroffe, ungezügelte Kraft des frühen Ian McEwan erinnert und der eindrucksvoll vorführt, dass man seinen Dämonen nicht entkommen kann. Wer vor ihnen flieht, wird eines Tages unverhofft wieder auf sie treffen.
Autorenporträt
Vincent Overeem, geboren 1974, debütierte 2005 mit dem Erzählungsband Novembermeisjes (Novembermädchen), der u. a. für den Gerard-Walschap-Literaturpreis nominiert war. Overeem lebt mit seiner Familie in Amsterdam
Rezensionen
"Dieser Autor hält den Leser in Atem, man legt das Buch nicht mehr aus der Hand!" -- NRC HANDELSBLAD

"Eines ist gewiss, Vincent Overeem ist keine Eintagsfliege. Man braucht nur ein paar Sätze seines ersten Romans Misfit zu lesen, um zu verstehen, dass hier ein Autor vom Schlag der angelsächsischen Erzähler am Werk ist." -- TROUW

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.08.2010

Vier Tote in einer Küche

Selten wurde so leicht, so atemlos und zugleich dringlich von verschütteten Konflikten erzählt: Vincent Overeems niederländisches Familiendrama "Misfit".

Nick Hornby war es, der jenen legeren Erzählton literaturfähig machte, der sofort ein Du-zu-du-Verhältnis zwischen Figur und Leser herstellt. Auch in "Misfit", dem ersten Roman des in Amsterdam lebenden Schriftstellers Vincent Overeem, zieht dieser Ton unwiderstehlich an. Im Unterschied aber zu manchen Hornby-Figuren hat der Achtzehnjährige, der hier unverstellt und unadressiert erzählt, gar nicht mehr die Kraft, dabei auf Pointen zu schielen. Es geht ihm schlecht. Erschöpfte Hilflosigkeit ist der Motor seiner Rede, seiner ins Leere laufenden Lebensfragen. Denn: Er liebt.

Aber neuerdings, genauer: seit dem großen Hitzeeinbruch, liegt seine Freundin Kaat nur noch träge herum wie eine Oblomow-Figur. "Egal, was ich sagte, sie schenkte mir keine Beachtung. Sie starrte auf die feuchten, braunen Flecken an der Decke, und ich merkte, dass meine Stimme sie zu irritieren begann." Ängstlich beäugt sie selbstvergessen ihre geschwollenen Finger, vergrößert hypochondrisch jedes winzige Symptom, atmet auf, wenn wieder eine halbe Stunde vergangen ist. Der Ich-Erzähler leidet nicht gänzlich selbstlos. Hier die schöne Kaat, dort er. "Und wir fassten uns kaum noch an."

In dieser Atmosphäre körperlichen Erstentzugs einer noch frischen Beziehung, wo man eben noch nachts gemeinsam in den Zoo einbrach und verrückte Dinge unternahm, bevor die eigene Freundin zum größten Rätsel wurde, steigen schließlich alte Lasten und Ängste hoch. Zu diesem Zeitpunkt hat uns der Ich-Erzähler längst für sich eingenommen. Wir warten mit ihm in der Hitze der Tage auf den erfrischenden Regen und das Erwachen seiner Freundin, lauschen seiner verstörenden Liebesrede, als verjünge sie die gesamte Gegenwartsliteratur, in der doch immer nur von Sterben und Altern die Rede ist. Overeem nutzt die Nähe, die dieses Erzählen schafft, um in die Vergangenheit des Liebenden zu führen - auch sie zunächst ein Rätsel, das nur Bruchstücke herzeigt. Und allmählich rückt man dem Titel dieses Romans auf den Leib: dem "Misfit", dem nicht Passenden.

Erst erscheint es nur in der Figur Krijns, des kleinen Bruders des Ich-Erzählers. Krijn ist das, was man gemeinhin einen Außenseiter nennt. Er hat keine Freunde, was ihn selbst nicht sonderlich stört, wälzt er doch genug in seinem Kopf. Durch die Augen seines älteren Bruders betrachtet, wirkt er transparent, zerbrechlich, ein Wesen wie nicht von dieser Welt. Schwäne machen ihm Angst, und manchmal fürchtet er, die Sonne könne nicht aufgehen. Maikäfer sieht er in sein Schlafzimmer dringen und will sie retten. Aber es sind zu viele, wie er seinem großen Bruder einmal verzweifelt anvertraut.

Tiere sind überhaupt ein Leitmotiv dieses Romans. Sie tauchen auf und verschwinden wie Menetekel. Und wenn am Ende dieser kraftvollen, zügig erzählten Geschichte nach vielen turbulenten Tagen der Ich-Erzähler feststellt, er habe den ganzen Tag noch kein einziges Tier gesehen, nur einen Schwarm Vögel, atmet man mit ihm auf.

Wovon aber ist hier wirklich die Rede? Vielleicht: Vom Unausweichlichen und dem Strudel, den die Vergangenheit bildet. Man ahnt bald, dass auch der Erzähler etwas zu verbergen hat. Und so, nachdem dieser harmlos beginnende Roman also langsam das Fahrwasser gewechselt hat, schlingert er in einer zurückgelassenen Zeit, da er als großer Bruder, selbst noch jugendlich, den kleinen, so verletzlichen Bruder Krijn im Auftrag des Vaters bei Schularbeiten, beim Leben helfen soll. Man hat schon oft von monströsen Vätern gelesen. Dieser hier, ein auf dem Lande praktizierender Tierarzt, pflegt seine zu weichen Jungs noch frühmorgens vor Schulbeginn auf die Bauernhöfe mitzunehmen. Kranke Kühe, tote Fohlen, Schwergeburten, nicht immer schöne Anblicke. Den seltsamen jüngeren Krijn nennt er hinter vorgehaltener Hand unwirsch "Missgeburt".

Den Ältesten stößt er, wie manches Tier sein Junges, direkt nach dem Abitur aus dem Haus. Wie Glücksblitze gibt es aber auch die Erinnerungen an ein Anderssein dieses Vaters, lange vor Krijns Geburt, mit einer ausgelassenen Mutter. Später aber nur: "Wir sind vier Tote in einer Küche."

Vincent Overeem, selbst sechsunddreißig, dessen 2005 erschienener Erzählungsband "Novembermeisjes" (Novembermädchen) in den Niederlanden bereits ein Erfolg war und dessen Roman "Misfit" 2008 dort gefeiert wurde, macht die selbstzweifelnde, von Liebe so abhängige Rede seines entwaffnend ehrlichen Erzählers als notwendige Folge dieser alten Wunden verständlich. Er transportiert darin die unheimlichen Anpassungsvorgänge einer Familie, in deren Mitte sich eine erschütternde Auslese vollzieht. Von den genauen Ursachen der unkontrolliert den Bericht durchsetzenden Trauer setzt uns Overeem erst spät in Kenntnis, was der Grundspannung seiner Prosa nutzt.

Christiane Kuby trifft in ihrer Übertragung jenen authentischen Tonfall, der fesselt und bewegt, womöglich auch deshalb, weil er beim Leser den Beschützerinstinkt zu wecken weiß. Selten wurde so leicht, so atemlos und zugleich dringlich von verschütteten Dramen erzählt, während sich eine Sprache unbekümmerter Liebe regt und mit lebendiger Gegenwärtigkeit mischt.

ANJA HIRSCH.

Vincent Overeem: "Misfit". Roman. Aus dem Niederländischen von Christiane Kuby. Berlin Verlag, Berlin 2010. 237 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

So leicht und doch drängend hat Anja Hirsch selten dramatische Vergangenheit erzählt bekommen. Zudem schafft der "authentische" Ton, den auch Übersetzerin Christian Kuby treffe, eine "fesselnde" Nähe zum 18-jährigen Erzähler, die Hirsch sowohl dessen Liebesleid als auch dessen von einer monströsen Vaterfigur bestimmte Kindheit hautnah miterleben lässt. Spannend bleibt das Buch laut Hirsch nicht zuletzt dadurch, dass der Autor Vincent Overeem ein dunkles Geheimnis seiner Figuren bis gegen Ende der Geschichte bewahren kann.

© Perlentaucher Medien GmbH