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Es gab eine Zeit, da hatte Frank Gauci Glück. Als er 1948 von Malta nach Cardiff kommt, in den härtesten Winter, den er je erlebt hat, schafft er es bald, sich hochzuarbeiten. Mit seinem Freund Salvatore betreibt er das Moonlight-Cafe und er trifft Mary, die seine Frau wird. Aber Frank ist ein Spieler, und als er nach fünf Töchtern glaubt, endlich einen Sohn zu bekommen, setzt er zu viel auf eine Karte. Er verliert alles, sein sechstes Kind ist wieder ein Mädchen, und von nun an wird die Familie das Unglück nicht mehr los. Ein ganzes Leben später kommt Franks jüngste Tochter, Dolores, zur…mehr

Produktbeschreibung
Es gab eine Zeit, da hatte Frank Gauci Glück. Als er 1948 von Malta nach Cardiff kommt, in den härtesten Winter, den er je erlebt hat, schafft er es bald, sich hochzuarbeiten. Mit seinem Freund Salvatore betreibt er das Moonlight-Cafe und er trifft Mary, die seine Frau wird. Aber Frank ist ein Spieler, und als er nach fünf Töchtern glaubt, endlich einen Sohn zu bekommen, setzt er zu viel auf eine Karte. Er verliert alles, sein sechstes Kind ist wieder ein Mädchen, und von nun an wird die Familie das Unglück nicht mehr los. Ein ganzes Leben später kommt Franks jüngste Tochter, Dolores, zur Beerdigung ihrer Mutter nach Cardiff zurück. Sie ruft sich ihre Kindheit in Erinnerung: den langsamen Gang der Mutter in den Wahnsinn; den unbändigen Zorn des Vaters, der erfahren muss, dass nicht alle Töchter von ihm sind, und der die erste Gelegenheit nutzt, sich aus dem Staub zu machen. Unter den Kindern herrscht der Kampf um Anerkennung, ein Kampf, den Dolores von vornherein verloren und für sic h entschieden hat. Denn bei einem Brand des Hauses wird ihre linke Hand verletzt - sie wird für die anderen ebenso zum "Krüppel" wie zur Ausgezeichneten. Erst allmählich und gegen den Unwillen ihrer Schwestern, sich zu erinnern, erfährt die erwachsene Dolores, warum ihre Mutter zum Zeitpunkt des Feuers nicht zu Hause war. Voller Feingefühl und mit beiläufiger Intensität entwirft Trezza Azzopardi die von Pioniergeist, Mafiatum und Verwahrlosung geprägte Welt der maltesischen Einwanderer. Szenen des alltäglichen Schreckens und Momente voll bitterer Komik werden zum Kaleidoskop einer stillen Emanzipation, zu einer diskreten und hoch-literarischen Hommage an den Willen zum Überleben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.06.2001

Hinter mir, da gilt es nicht
Trezza Azzopardi liebt Versteckspiele · Von Heinz Ludwig Arnold

Von Trezza Azzopardi, die mit ihrem ersten Roman in England so großen Erfolg hatte, daß er bereits vor seinem Erscheinen im vergangenen Jahr in acht Länder verkauft wurde, weiß man wenig: daß sie einen maltesischen Vater und eine walisische Mutter hat, knapp vierzig Jahre alt ist und ihre Kindheit zusammen mit fünf Schwestern in Cardiff verbrachte. Nun lebt sie in Norwich, wo sie vor einigen Jahren an der University of East Anglia creative-writing-Kurse belegt hat. Dort wurde sie entdeckt mit einem Manuskript, das nun unter dem Titel "Das Versteck" auch auf deutsch erschienen ist.

Was für ein ungewöhnliches und von Anfang an faszinierendes Buch! Es etabliert bereits auf den ersten beiden Seiten ein farbiges Ambiente und erzeugt eine aufgeregte, gespannte Atmosphäre, es malt Stimmungen mit vielen, auch extremen Nuancierungen. Und das alles wird getragen von einer Erzählweise, die gleichbleibend distanziert wirkt und keine Veränderung durchläuft zwischen der erinnerten Zeit der sechziger Jahre und der Gegenwart, aus der zurückgeblickt wird.

Nach über dreißig Jahren kommt Dolores Gauci nach Cardiff zurück, um mit ihren Geschwistern ihre walisische Mutter Mary zu begraben, die damals in den Wahnsinn floh, nachdem der maltesische Vater Frankie sich abgesetzt hatte. Obwohl Trezza Azzopardi altbekannte narrative Muster zu erfüllen scheint, hält sie sich an keines wirklich. Sie verfügt souverän über ihren Stoff, den sie konsequent entfaltet, obwohl sie unentwegt die Schauplätze wechselt und immer wieder auch aus der weit zurückliegenden Geschichte ihrer Protagonisten erzählt: wie Frankie Gauci aus Malta nach Cardiff kommt und zum Gauner wird; wie Mary dem tyrannischen Vater entflieht; wie beide sich treffen und heiraten.

Fast alles läßt Azzopardi in Ich-Form von Dolores erzählen, dem jüngsten der sechs Mädchen in der Familie Gauci, die aber auch das berichtet, was sich vor ihrer Geburt zugetragen hat und was dort geschieht, wo sie nicht anwesend ist. Azzopardi, die klassische allwissende Erzählerin, entwickelt ihre Geschichte kühl und genau kalkulierend. Sie beginnt ihren Roman nicht klassisch-konventionell mit der Rückkehr der Töchter und der Beerdigung der Mutter, um von daher zurückzublicken - dieser, spätere, in der Gegenwart spielende Part macht den zweiten, kürzeren Teil des Romans aus. Es wird also zwar erinnert, aber nicht erinnernd erzählt. Von seinem Beginn an, dem unmittelbaren Sprung mitten ins atmosphärische Ambiente, bietet der ganze Roman eine Folge von gut gesetzten short cuts, die scheinbar beliebig und willkürlich zwischen unterschiedlichen Zeiten und Orten wechseln, tatsächlich aber ein genau durchdachtes Erzählpuzzle ergeben, das zunehmend komplexer wird.

Das schon lange schwelende Elend der Ehe von Frankie und Mary bricht auf, als Mary nach ihren bis dahin fünf Töchtern Celesta, Marina, Rosaria, Francesca und Luca nun auch noch Dolores zur Welt bringt. Denn Frankie, so läßt uns die soeben geborene Tochter später wissen, "der bei seinen Freunden Frankie Bambina heißt", will unbedingt einen Sohn. Während Frankie, der auf alles wettet, was sich bewegt, wieder einmal am Spieltisch sitzt, wird ihm gleich nach der Geburt seiner sechsten Tochter fälschlich mitgeteilt, nun endlich habe er einen Sohn, und er "nimmt in unbändiger Freude noch eine Karte und verliert das Café, den Schuhkarton unter den Dielen voller dicker Scheine, den Rubinring seines Vaters und das weiße Spitzenkleid meiner Mutter an Joe Medora", seinen alten Kumpel.

Der überläßt ihnen eine heruntergekommene Baracke zum Wohnen und verlangt von Frankie, als der wieder mal das Geld für die Miete verspielt hat, daß er ihm Marina überlasse. Und während Frankie seine zweitälteste Tochter verschachert, bricht in Gaucis armseligem Heim Feuer aus, in dem Dolores, erst ein paar Wochen alt, zum Krüppel verbrennt. Noch ängstlicher als bisher muß Mary nun das Baby in einer alten Truhe vor Frankie verstecken, der das Kind als vermeintliche Ursache all seines Unglücks haßt.

"Das Versteck" ist im übertragenen Sinne auch der Ort des Schmerzes, von dem aus Dol ihre gesunden Geschwister beobachtet: die schöne Cel, die sich gern schmückt und an den reichen Getränkehändler Pippo Seguna verheiratet wird; Rose und Luca, die Dol wegen ihrer Krüppelhand hänseln und quälen; Fran, die fasziniert ist vom Feuer und in leerstehenden Häusern alles Brennbare anzündet und schließlich in einem Heim verschwindet nach einem Brand, den sie gar nicht gelegt hat. Das Versteck ist auch der Ort, an dem geprügelt wird: wo Frankie auf Mary eindrischt, weil Joe bei ihr in Naturalien die Miete kassiert, die Frankie ständig verspielt; oder wo Frankie Fran mit dem Gürtel bis aufs Blut peitscht. Schließlich ist das Versteck auch der Ort der Geheimnisse, die sich erst spät oder gar nicht lösen.

Trezza Azzopardis Roman ist als Erzählpuzzle selbst ein Versteck, in dem die Figuren auftauchen und wieder verschwinden und Vermutungen produzieren, die zu Geheimnissen gerinnen; in dem die Geheimnisse trotz aller desaströsen Verhältnisse, die das Szenario beherrschen, unheimliche, aber auch heimelige Situationen generieren; denn das Erzählen ist zwar distanziert, aber nicht kalt. Es strebt eher nach einer Objektivität, die auf jegliche Psychologisierung verzichtet. Weshalb auch Ereignisse, die wesentlich sind, fast beiläufig erzählt werden. Und ebenso beiläufig wie meisterhaft evoziert diese Erzählerin eine Normalität, in der die Figuren fast willkürlich verschoben werden und dennoch Menschen bleiben; beschädigt, fehlerhaft, eben: Menschen, wie Dolores, die schmerzhaft Verkrüppelte.

Leider vermittelt die Übersetzung nicht die Geschmeidigkeit der englischen Sprache Trezza Azzopardis ins Deutsche. Manchmal zerstören phantasielose Anglizismen das Klima ganzer Passagen, die nur noch gestelzt wirken. Da "hebt" Joe Frankie die Zigarette aus der Hand, wo er sie ihm einfach wegnimmt ("lifts"); sieht "ihre sehr rosafarbene Zunge" ("very pink"). "Coils of horsehair", die aus einem Sessel quellen, sind keine "Roßhaarspiralen", sondern ein Wirrwarr aus Roßhaar, und wenn "raindrops cling to the surface", dann "klammern sich Regentropfen" nicht an die Oberfläche, sondern haften oder kleben daran. Alles Kleinigkeiten, gewiß, aber in ihrer zeitweiligen Häufung stören sie den Textfluß erheblich. Wo zu falschen oder zu engen Übersetzungen noch schiefe Bilder hinzukommen, wird der Lesegenuß ernsthaft getrübt.

Trezza Azzopardi: "Das Versteck". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Monika Schmalz. Berlin Verlag, Berlin 2001. 357 S., geb., 39,80 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

"Es gibt Bücher", schreibt Susanne Mayer, "die sind wie Tunnel", die den Leser in sich hineinziehen, ohne ihn am Ende ein Licht erblicken zu lassen. Das verstört, erschreckt, macht fassungslos. Die Waliser Schriftstellerin Trezza Azzopardi hat ein solches Buch geschrieben, über ihre Kindheit in einem Haus am Ende einer dreckigen Sackgasse in Cardiff. Diese Kindheit war alles andere als berauschend. Armut, Verzweiflung, Einsamkeit sind die Eckpunkte von Dolores, die versucht sich zu erinnern: an das Leben mit ihren fünf Schwestern, den spielsüchtigen Vater, die verzweifelten Mutter, den Dunstkreis des Hafens und der Unterwelt, so die Rezensentin. Die Handlung habe keine Stringenz, sie sei zerfetzt, roh, wie die Seelenlage der Protagonistin. In Deutschland ist das Buch kaum zur Kenntnis genommen worden. In England hingegen, weiß Mayer, sofort auf der Shortlist des Booker Prize gelandet und war für den Guardian First Book Award im Gespräch. Gerade weil es schockiert, sollte es auch hier diskutiert werden, wünscht sich die Rezensentin.

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