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Ein Roman über die Liebe in den Zeiten des Chat. Mit der ihr eigenen kraftvollen Anmut bewegt sich Jeanette Winterson lustvoll durch den virtuellen Kosmos der unendlichen Möglichkeiten. Vor dem Hintergrund der Erkenntnis, "dass die Trennwand zwischen echt und erfunden so dünn ist wie die Wand eines billigen Hotelzimmers" besingt sie den Wert rückhaltloser Liebe.

Produktbeschreibung
Ein Roman über die Liebe in den Zeiten des Chat. Mit der ihr eigenen kraftvollen Anmut bewegt sich Jeanette Winterson lustvoll durch den virtuellen Kosmos der unendlichen Möglichkeiten. Vor dem Hintergrund der Erkenntnis, "dass die Trennwand zwischen echt und erfunden so dünn ist wie die Wand eines billigen Hotelzimmers" besingt sie den Wert rückhaltloser Liebe.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.07.2002

Im Chatroom gefangen
Öffnen, suchen, speichern: Jeanette Wintersons "Powerbook"

Produktivität gehört zu den Konstanten im bizarren Literaturkosmos der englischen Autorin Jeanette Winterson. Seit ihrem erfolgreichen Romanerstling "Orangen sind nicht die einzige Frucht" aus dem Jahr 1985 legt sie alle zwei Jahre - und in jüngster Zeit sogar alljährlich - einen neuen Text vor. Ende der Achtziger feierten Englands Kritiker das junge Erzähltalent, das in Büchern wie "Das Geschlecht der Kirsche" ungebändigte Fabulierlust freisetzte. Mitte der neunziger Jahre sorgte dann der Experimentaltext "Kunst und Lügen" in akademischen Kreisen für Aufsehen, wodurch sich das anfänglich feministische Fachinteresse allmählich zur Winterson-Industrie auswuchs.

Aus deutscher Sicht ist diese literaturpreisträchtige Stetigkeit nicht so leicht erkennbar, war es hierzulande doch erst der vierte Roman "Auf den Körper geschrieben", mit dem die Autorin bekannt wurde. Das Buch brachte sie in den Ruf, einen provozierenden, zuweilen skandalfreudigen Feminismus zu propagieren. Wintersons medienwirksame Selbstinszenierungen und ihr exzentrisches Auftreten in der Londoner Kulturszene taten ein übriges. So ließ sie es sich nicht nehmen, Doris Lessing, der Grande dame der englischen Literatur und des feministischen Engagements, Weltfremdheit vorzuwerfen, als diese, befragt nach der Gültigkeit früherer Positionen, einer milde gestimmten Altersweisheit gegenüber der einstigen Militanz den Vorrang einräumte. All dies kann schnell den Blick darauf verstellen, daß es sich bei Jeanette Winterson um eine der begabtesten und belesensten Erzählerinnen der Gegenwart handelt.

Wintersons jüngster Roman trägt einen Titel mit großem Eigenwerbungspotential: "Das Powerbook". Die Idee des Buches ist schnell erzählt. Literarisch wird eine Chatroom-Situation nachgestellt, in der sich ein(e) Erzähler(in) namens Ali mit einer Geliebten, die sich die Freiheit einer Nacht wünscht, um eine andere zu sein, die Bälle zuspielt. Im Verlauf des Buches zeichnet sich in den knappen Dialogen die Beziehung der beiden ab: Treffen in Paris, Wiedersehen in Italien, Entscheidung in London. Ali, interaktiv statt auktorial, wie eins ihrer Wortspiele verkündet, erzählt die Beziehungskiste sowie obendrein noch zahlreiche Geschichten, die der Kabelpartnerin neben der virtuellen auch imaginative Freiheit verschaffen sollen. Doch schon die ersten Dialogsequenzen bestätigen, daß im Unterschied zum Internetgeplauder der Roman ohne eine Erzählinstanz nicht auskommt. Die Verrenkungen beim indirekten Duzen werden hierzulande nur noch von einigen verzeitgeistigten Radiokommentatoren übertroffen.

Es überrascht, wenn Winterson, die so erfolgreich an der Umsetzung ihrer Romane für den Film mitgearbeitet hat, vergißt, daß der interaktive Gesprächspartner aus dem Netz im literarischen Text bestenfalls der Leser sein kann. Literatur vermag Interaktivität eben doch besser vor- als nachzuspielen, andernfalls würde sie wohl schon bald überflüssig werden. Die im Roman beabsichtigte Verschmelzung zweier Medien gerät so zum Matroschka-Effekt, zum Buch im Powerbook. Dabei hätten die Leser sich schon mit jener kleinen, letzten Vollfigur zufriedengegeben, die in den Tiefen des verschachtelten Hohlgebildes ruht, irgendwann herauspurzelt und schlichtweg sagt: Ich erzähl' dir etwas.

Ihrem autobiographisch gefärbten Erfolgsroman "Orangen sind nicht die einzige Frucht" hatte Winterson das Ordnungsprinzip der Bücher des Alten Testaments unterlegt. Fünfzehn Jahre später benutzt sie nun Computeroperationen wie Öffnen, Suchen, Speichern als ordnende Struktur. Doch die Bedienfunktionen, die heute zu den am stärksten stereotypisierten Tätigkeiten weltweit gehören, engen den Spielraum auch der begabtesten Erzählerin so weit ein, bis sie endgültig im Chatroom gefangen sitzt. Der Erzählstrang wird zur digitalen Zwangsjacke, aus der Wintersons lauwarme Liebesgeschichte nicht herauskommt. Auch die Charakterdarstellung überzeugt nicht: Blasser als die beiden Liebenden bleibt nur ein im Nichts verweilender Ehemann.

Wintersons Roman zeugt von implodierter Erzählfreude. Zwar gibt es da noch die zahlreichen Geschichten, die an frühere Bücher der Autorin erinnern. Aber nur einige geglückte Bonmots über Liebe, Tod und Sex heben sich von der grauen Textmasse ab. Die Übersetzung von Monika Schmalz mit ihrem bevorzugten Gebrauch von Wörtern wie "schick" und "wunderschön" trifft da, vermutlich unbeabsichtigt, genau den richtigen Ton. Von Wintersons nicht immer gelungenen Wortkaskaden, Anspielungen und Witzen scheint die Übersetzerin zuweilen so überrascht, daß sie mitunter nur noch das Allernötigste aus den Fluten erhascht.

STEFAN WELZ

Jeanette Winterson: "Das Powerbook". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Monika Schmalz. Berlin Verlag, Berlin 2001. 235 S., geb., 19,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Stefan Welz ist enttäuscht vom neuen Roman der englischen Autorin Jeanette Winterson, und das liegt nicht etwa daran, dass die seiner Meinung nach sehr begabte Winterson plötzlich ihr Erzähltalent verloren hätte. Das Problem sieht der Rezensent vielmehr in der Konzeption der Geschichte, die einen Internet-Chat simuliert. Den Versuch "Interaktivität nachzuspielen" sieht der Rezensent gleich am Anfang des Romans scheitern, weil deutlich werde, dass "im Unterschied zum Internetgeplauder der Roman ohne eine Erzählinstanz nicht auskommt". Zwar benutze Winterson "Computeroperationen wie Öffnen, Suchen, Speichern als ordnende Struktur", doch schaffe sie damit lediglich "eine digitale Zwangsjacke". Der Roman wird zu einem Zeugnis "implodierter Erzählfreude", bedauert Welz. Auch die Leistung der Übersetzerin Monika Schmalz betrachtet der Rezensent skeptisch: Zwar treffe sie oft den richtigen Ton, doch geschehe dies "vermutlich unbeabsichtigt". Von den "nicht immer gelungenen Wortkaskaden, Anspielungen und Witzen" sei Schmalz oft schlichtweg überfordert.

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