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»Zur letzten Instanz«: Eine Ostberliner Geschichte von beflügelnden Verheißungen und schwärmerischen Versprechungen, von hochfliegenden und betonierten Träumen unterm Fernsehturm am Alexanderplatz._»Zur letzten Instanz« erzählt von der Entwicklung von Computern im Kalten Krieg zwischen Ost und West, von der einstigen Technischen Intelligenz, die erst für Hitler Wunderwaffen entwickeln wollte und dann in den Diensten der USA stand oder Visionen für den Sozialismus entwarf. So ist noch nie über die Geschichte der DDR erzählt worden. Pircks senior und Pircks junior stehen in »Zur letzten Instanz«…mehr

Produktbeschreibung
»Zur letzten Instanz«: Eine Ostberliner Geschichte von beflügelnden Verheißungen und schwärmerischen Versprechungen, von hochfliegenden und betonierten Träumen unterm Fernsehturm am Alexanderplatz._»Zur letzten Instanz« erzählt von der Entwicklung von Computern im Kalten Krieg zwischen Ost und West, von der einstigen Technischen Intelligenz, die erst für Hitler Wunderwaffen entwickeln wollte und dann in den Diensten der USA stand oder Visionen für den Sozialismus entwarf. So ist noch nie über die Geschichte der DDR erzählt worden. Pircks senior und Pircks junior stehen in »Zur letzten Instanz« für die Generationen: Der Jüngere lernt das kybernetische Utopolis der Aufbaugeneration nur noch als Computerprogramm der Stasi kennen, als Kultur der Kontrolle. Dieser Lemania Pircks, genannt Lem, wird zu einem avantgardistischen Ostwilden von ganz eigener Lässigkeit zwischen Klubs und Kunst, Musik und Theater, den Frauen - und dem Computer._Gelehrt und gewitzt, komisch und ironisch, eine unerhörte Ostberliner Geschichte von Informatikfreaks - von: DDR-Nerds.
Autorenporträt
Marc Schweska wurde 1967 in Berlin-Mitte geboren und zum Elektroniker ausgebildet. Er studierte Romanistik und Philosophie sowie Kulturwissenschaft. Neben essayistischen, kunstkritischen und wissenschaftlichen Artikeln ist »Zur letzten Instanz« der erste Roman von Marc Schweska. Er erhielt das Stipendium des Berliner Senats für Schriftsteller und das Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste zu Berlin. In der Anderen Bibliothek erschien von ihm als Band 316 »Zur letzten Instanz«.
Rezensionen
"Der glaubwürdige Sound zweier DDR-Subkulturen." -- Oskar Piegsa, Spiegel Online, 23. März 2011

"Marc Schweskas Roman [gibt] einen guten Einblick in Subkulturen in der DDR." -- Roland Krüger, Deutschlandradio Kultur, 08. April 2011

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.07.2011

Alles im Löt
Marc Schweskas wundersam schräger Roman über die jungen Elektro-Pioniere der DDR
Die Mutter sitzt im Wohnzimmer und spricht am Telefon über den bevorstehenden Ostseeurlaub. Da quäkt eine Stimme aus dem Kinderzimmer über die bis dahin geheime, selbstgebastelte Abhör- und Mikrofonanlage: „Ich finde Ungarn viel besser!“ Auftritt Lemania Pircks, genannt Lem, geboren 1968 in Berlin (Ost), Bastler, Tüftler, Beleuchter und, wenn es einen solchen überhaupt gibt, Protagonist von Marc Schweskas Debütroman, der auf gewagte Weise ein Stück DDR-Geschichte erzählt, wie man es bislang weder so noch überhaupt gelesen haben dürfte.
Schweska, geboren 1967, ist gelernter Elektroniker; ein Beruf, in dem man, wie er in einem Gespräch anmerkte, in der ausgehenden sozialistischen Epoche die weitaus interessantesten Leute habe treffen können. Sein Buch „Zur letzten Instanz“ trägt die Widmung „Allen Lötern“, womit jene jungen Leute gemeint sind, die, wie Lem und seine Freunde, ihre technische Heimausstattung in Eigenarbeit herstellten – die erste Ost-Generation einer digitalen Prenzlauer Berg-Boheme, die Mitte der 1980er Jahre ihr Equipment zunächst auf Schrottplätzen und Flohmärkten aufklaubte und anschließend zusammenschraubte und -lötete. Man mag darüber streiten, ob dieser Text im Sinne einer strengen Definition ein Roman ist, in jedem Fall ist es eine in rasanter Schnitttechnik verfasste und vielstimmige Milieustudie aus einer fremden Welt; das Gegenprogramm zu einem wohlbekannten BRD-Lebenslauf.
Schweska verbindet fiktive autobiographische Aufzeichnungen Lems, essayistische Abschnitte, vermeintlich denunziatorisches (und unfreiwillig komisches) Material aus Berichten der Staatssicherheit und konventionelle erzählerische Passagen zu einem facettenreichen, wimmelnden Zeitbild. Ein veritables Stück DDR-Alltag inklusive Subkulturklima wird da quasi nebenbei mittransportiert: die Lehr- und Jugendzeit mitsamt den üblichen Ritualen; die Geschichte einer Punkband mit dem Namen Maldoror, von den Behörden umgehend als subversive Gefahr eingestuft; die wechselhaften Beziehungen zu unterschiedlichen Mädchen, die allesamt Katrin heißen.
Schweska verfügt über Takt- und Temposicherheit und einen Tonfall aus Schnoddrigkeit und Ironie, mit dem er, buchstäblich en passant, ein anschauliches Bild des Prenzlauer Berges und Friedrichhains liefert; jener heute durchgentrifizierten Quartiere, die zu Ost-Berliner Zeiten die Heimat eines wilden, anarchischen Bewusstseins gewesen sein müssen. Der interessanteste und frappierendste Aspekt des Romans, aus dem er auch seine Form gewinnt, sind allerdings die Referenzen an die DDR-Wissenschaftsgeschichte der 1950er und 1960er Jahre. Seinen Namen verdankt Lem nicht nur einer Hommage des Autors an Stanislaw Lem, sondern im Roman selbst dem Werk einer Handaufzugsuhr; eines Präzisionsinstrumentes, das im Besitz der Familie ist. Eine Uhr des gleichen Fabrikats trug Neil Armstrong, als er ein Jahr nach Lems Geburt als erster Mensch den Mond betrat.
Lems Vater, von Haus aus Psychologe und Mathematiker, gehörte zu den Anhängern der Kybernetik, die in den Frühzeiten der sozialistischen Republik (und, auf der anderen Seite in den USA ebenso) von einem großen, von Ideologien befreiten Haus der Wissenschaft träumten, getragen von technischer Euphorie und dem Gedanken, dass die Maschine als ein neutrales Element keine Schuld auf sich laden könne – im Gegensatz zum Menschen, der in den Jahrzehnten zuvor seine Schuldfähigkeit eindrücklich unter Beweis gestellt hatte.
Aus Erzählungen von Lems Mutter, Party-Gesprächen und wiedergefundenen Aufzeichnungen setzt sich ein Bild des Utopisten Dr. Felix Pircks zusammen, der sich nach der großen Ernüchterung 1975 in den Westen absetzte. Erste Kollisionen mit dem Regime hatte es bereits 1969 gegeben, als Pircks während einer Vorlesung spontan den Amerikanern zur Mondlandung gratuliert hatte. Die Kybernetiker träumten von einer Überwindung der politischen Systeme zugunsten eines reinen Informations- und Austauschsystems. Eine Automatisierung von gesellschaftspolitischer Bedeutung: „Der kybernetische Datenraum“, heißt es, „würde nicht ein schlichtes Abbild des Lebens sein, keine Halluzination, nicht dessen einfache Widerspiegelung, vielmehr seine Steigerung, ein Metaversum, welches das sattsam bekannte, unzulängliche Universum in eine gereinigte, verbesserte Ausgabe überführte.“
Die Unzulänglichkeit, man weiß es, hat gesiegt, doch es muss eine kurze Zeit gegeben haben, da in West und Ost die Türen weit offen gestanden haben für eine anarchische Form gedanklicher Freiheit. Aus dieser heraus generiert sich Schweskas Roman. Das eigenwillige Aufschreibesystem, dem er entsprungen ist, macht ihn streckenweise anstrengend und kompliziert, aber auch ungemein anziehend und instruktiv. Schweska ist nicht nur ein Löter, er ist auch ein Erzähler.
CHRISTOPH SCHRÖDER
MARC SCHWESKA: Zur letzten Instanz. Roman. Die Andere Bibliothek im Eichborn Verlag. Frankfurt am Main 2011. 354 Seiten, 32 Euro.
Eine digitale Boheme
– es gab sie schon im Ost-Berlin
der 1980er Jahre
Aus Teilen vom Schrottplatz wurde daheim das Equipment gebastelt. Foto: Peter Zimmermann/dpa Picture-Alliance
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ganz hingerissen ist Christoph Schröder von Marc Schweskas Debütroman "Zur letzten Instanz", der ihm einen tiefen Einblick in die ihm bisher unbekannte Szene der Elektriker, Bastler, Tüftler in der DDR gab. Dem Autor gelingt es in seinen Augen, die fiktiven Aufzeichnungen des jungen Elektrikers Lem, Berichte der Staatssicherheit und essayistische Passagen zu einem vielschichtigen, bunten, abwechslungsreichen Zeitbild zu verweben, das quasi nebenbei eine Menge über die Jugend, den Alltag und die Subkultur der DDR erzählt. Schröder schätzt den ironisch-schnoddrigen Tonfall Schweskas und sein Gespür für Tempo. Besonders hervor hebt er die Referenzen an die DDR-Wissenschaftsgeschichte der 1950er und 1960er Jahre, vor allem an die Ost-Kybernetiker dieser Zeit. Sein Fazit: eine "vielstimmige Milieustudie aus einer fremden Welt".

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