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Vor drei Jahren ist, mit verblüffendem Erfolg, Chestertons großer Essay Ketzer erschienen. In diesem Buch hat er sich, mit verheerender Wirkung, über die Materialisten lustig gemacht. Orthodoxie ist keine bloße Fortsetzung dieser Attacke; hier wird die Dosis gesteigert und ein härterer Stoff geboten. Denn nun wird Chesterton positiv; er schildert die Vorzüge des Glaubens, und bekanntlich gibt es für einen Autor keine schwierigere Aufgabe als die Darstellung des Positiven. Dabei kommt Chesterton die bedenkenlose Frechheit zugute, mit der er die Überzeugungen aller aufgeklärten Zeitgenossen…mehr

Produktbeschreibung
Vor drei Jahren ist, mit verblüffendem Erfolg, Chestertons großer Essay Ketzer erschienen. In diesem Buch hat er sich, mit verheerender Wirkung, über die Materialisten lustig gemacht. Orthodoxie ist keine bloße Fortsetzung dieser Attacke; hier wird die Dosis gesteigert und ein härterer Stoff geboten. Denn nun wird Chesterton positiv; er schildert die Vorzüge des Glaubens, und bekanntlich gibt es für einen Autor keine schwierigere Aufgabe als die Darstellung des Positiven. Dabei kommt Chesterton die bedenkenlose Frechheit zugute, mit der er die Überzeugungen aller aufgeklärten Zeitgenossen (oder deren Mangel) brüskiert. Er überbietet seine Paradoxien, indem er erklärt: "Ich kenne nichts Verächtlicheres als das bloße Paradox", und er fährt fort: "Ich bin der Narr dieser Erzählung, und kein Rebell soll mich von meinem Thron stoßen... Ich versuchte, eine Ketzerei zu finden, die mir passt; und als ich die letzte Hand an sie anlegte, entdeckte ich, dass es die Orthodoxie war." C hesterton verteidigt die Tradition, das Wunder, die Phantasie und das Dogma, aber auf eine Art und Weise, die jedem Dogmatiker von Herzen zuwider sein muss; denn er beruft sich dabei einzig und allein auf die alltägliche Erfahrung, den common sense, die Vernunft und die Demokratie. Man kann sein Buch auch als die Autobiographie eines Abenteurers lesen, der mit zwölf ein Heide, mit sechzehn ein Agnostiker war, und den einzig und allein sein wildes Denken zum Glauben führte.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.09.2008

Schöpferisches Veto
Vor 100 Jahren erschien Chestertons „Handreichung für Ungläubige”
Ein wirbelndes Abenteuer, eine permanente Revolution sei die Orthodoxie: Davon war Gilbert Keith Chesterton durchdrungen, als er seine „Handreichung für Ungläubige” schrieb, die heute vor 100 Jahren erstmals erschien. Die Wahrheit dieses Paradoxons illustrierte Chesterton anschaulich. Ein weißer Pfosten, den man sich selbst überlasse, werde bekanntlich bald schwarz. Wolle man unbedingt, „dass er weiß bleibt, so muss man ihn immer wieder streichen; das heißt, man muss beständig für eine Revolution sorgen. Wer den alten weißen Pfosten will, muss für einen neuen weißen Pfosten sorgen.”
Im Vorwort zur deutschen Neuübersetzung von 2000 weist Martin Mosebach darauf hin, dass Chestertons „Orthodoxie” am Ende eines Jahrhunderts entstand, „in dem der Atheismus philosophisch triumphiert hatte, und am Anfang eines Jahrhunderts, in dem er politisch triumphieren würde.” Insofern war es in mehrfacher Hinsicht verwegen, den Dernier cru des säkularen Denkens mit den Mitteln der Ironie und der Tradition lächerlich zu machen und zugleich die ausgezehrte anglikanische Kirche, der er damals noch angehörte, der Kumpanei mit dem Zeitgeist zu bezichtigen. In seiner Autobiographie bekennt Chesterton, er habe sich nicht damit abfinden wollen, dass inner- wie außerkirchlich „die Frage nach der Möglichkeit jeder Moral” diskutiert wurde. Unter Verweis auf Vererbungs- und Milieutheorien wollte man „die Frage der Verantwortlichkeit, die zuweilen die Frage des freien Willens genannt wird,” suspendieren. Da war man bei Chesterton, dem radikalen Subjektivisten im Namen radikaler Objektivität, an den Falschen geraten. Er ziehe es weiterhin vor, „als verantwortliches Wesen behandelt zu werden, nicht als Verrückter, den man für einen Tag hat laufen lassen”. Also suchte er ein „geistiges Asyl, das nicht nur ein Asyl für Verrückte wäre,” und er fand es in einer christlichen Orthodoxie.
Herz- oder Hirnerweichung
Wenngleich Chesterton 1922 – der sakramentalen Sündentilgung wegen – Katholik wurde, erfasst kein Bekenntnis seine persönliche Orthodoxie. Er sieht in ihr ein schöpferisches Veto auf dem Marsch in eine neue, durchökonomisierte, durchtechnisierte, verwissenschaftlichte Welt. Von einem realistischen Standpunkt aus, der dem Menschen alle Bosheit zutraut, begehrt Chesterton auf. Er wendet sich gegen die zweckrationale „entwurzelte Vernunft”, gegen die endlose Suche nach Fragen statt nach Antworten, gegen die Überhöhung des Ichs zum „Gott im Innern” und gegen die Politisierung des Glaubens. Unstillbar ist sein Drang nach Widerrede und Verflüssigung, so dass sein Denken in kein orthodoxes System mündet, sondern in die Aphorismen der eigenen Person: „Wer nicht zulässt, dass sein Herz weich wird, bezahlt das mit Hirnerweichung.”
Als die amerikanische „Chesterton Society” Mitte Juni drei Tage lang in St. Paul, Minnesota, über „Orthodoxie” konferierte, über deren Verhältnis zu Nietzsche und Pascal, Shakespeare, Jane Austen und dem Islam, traf man sich in der Überzeugung, der Geehrte sei „einer der tiefsten Denker, die je lebten”. Derlei Begeisterung trägt zwar Züge orthodoxen Fan-Wesens, ganz unbegründet ist sie nicht. Chestertons Ahnung, „dass die Leugnung des Übernatürlichen immer auf antidemokratischem Denken oder materialistischem Dogmatismus” beruhe, ist ebenso wenig konsensfähig wie die Befürchtung, „fast jeder heutige Versuch, Freiheit in der Kirche zu stiften”, sei nur „ein Versuch, Tyrannei in die Welt zu bringen.” Seine Beobachtung aber, jede Republik brauche Traditionen, also „Demokratie für die Toten”, trifft auch unsere Gegenwart. Und damals wie heute ist es eine anregende Zumutung, sich mit Chesterton die Orthodoxie als den einzig wahren Nährboden des Liberalismus vorzustellen – und als humorvolles Gegengift gegen Verzweiflungen und Anmaßungen jedweder Art. ALEXANDER KISSLER
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"In einer neuen, "annehmbaren" Übersetzung, schreibt Ulrich Horstmann, liegt das "teuflisch unterhaltsame" Werk des 1922 zum Katholizismus übergetretenen Anglikaners hier vor. Sein "paroxaler Schreib- und Argumentationsstil", abgeguckt von Oscar Wilde, lässt den Rezensenten schwelgen: Da schützen einen die simplen Behauptungen der Orthodoxie nicht etwa vor dem Nachdenken, sondern gleich vor "ebenso selbstverliebter wie substanzloser Intellektualität", sie kann einen Schirm bilden gegen die sterile Ratio und kräftig die "Einbildungskraft" aktivieren. Und derart eingeschworen auf die Tradition begreife man, dass diese die "Demokratie der Toten" ist, die es nicht schlechter haben sollen als wir, nur weil sie tot sind. Was Chesterton am Christentum fasziniert, meint Horstmann, ist die Koexistenz der Extreme, "von äußerster Weltfrömmigkeit und ebenso bedingungsloser Weltverachtung" und so macht er aus der "Öde scholastischer Kontroversen" ein "einziges wirbelndes Abenteuer". Ob er der Kirche einen Bärendienst erwiesen hat - oder am Ende gar sie ihm? Jedenfalls wurde ihm der Titel eines "Fidei Defensor", Verteidiger des Glaubens verliehen, wie auch lange vor ihm einem anderen Briten: dem König und Kirchenspalter Heinrich XIII, bemerkt Horstmann listig.

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