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Warum bekommen manche Leute die Grippe und andere nicht? Weshalb benutzen menschliche Viren Tiere als Reservoir? Wie ist das Aids-Virus in Afrika entstanden? Warum kommen neue Grippeepidemien immer aus Südostasien? Warum ist die Entwicklung von Impfstoffen oft schwierig? Ernst-Ludwig Winnacker eröffnet erstaunliche Einblicke in die komplexen Wirkungsmechanismen der Viren und zeigt, warum der Kampf gegen Virusinfektionen noch längst nicht gewonnen ist. Anhand der neuesten Forschungsdaten erläutert er in allgemein verständlicher Form, wie Viren, ein Stück in eine Eiweißhülle verpacktes Erbgut,…mehr

Produktbeschreibung
Warum bekommen manche Leute die Grippe und andere nicht? Weshalb benutzen menschliche Viren Tiere als Reservoir? Wie ist das Aids-Virus in Afrika entstanden? Warum kommen neue Grippeepidemien immer aus Südostasien? Warum ist die Entwicklung von Impfstoffen oft schwierig? Ernst-Ludwig Winnacker eröffnet erstaunliche Einblicke in die komplexen Wirkungsmechanismen der Viren und zeigt, warum der Kampf gegen Virusinfektionen noch längst nicht gewonnen ist. Anhand der neuesten Forschungsdaten erläutert er in allgemein verständlicher Form, wie Viren, ein Stück in eine Eiweißhülle verpacktes Erbgut, ihre Wirtszellen besetzen, töten und ihren heimlichen Siegeszug fortsetzen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.05.2000

Julias Herpes
Viren, die heimlichen Herrscher
Pfui Teufel, der Vetter, wie garstig ist er geworden! Kein eben schmeichelhaftes Urteil, das Goethes burschikose Tante Melber über den jungen Johann Wolfgang fällte, als dieser, gerade sechsjährig, die Pocken überstanden hatte. Tatsächlich trug der Knabe fortan auffällige Narben im Gesicht – und vermutlich auch auf der Seele. Doch trotz entstellten Antlitzes hatte Johann Wolfgang noch Glück – drei seiner Geschwister waren an der Krankheit gestorben.
Ein Leben lang beschäftigte Goethe sich mit den Pocken, und als Minister setzte er sich sogar für einen Impfzwang gegen die gefürchtete Viruskrankheit ein – den dann erst Otto von Bismarck im Jahre 1874 durchsetzte. „Die Krankheit wütete durch die Familien, tötete und entstellte viele Kinder, und wenige Eltern wagten es, nach einem Mittel zu greifen, dessen wahrscheinliche Hilfe doch schon durch den Erfolg mannigfaltig bestätigt war”, schrieb Goethe in Dichtung und Wahrheit über die Blattern. Dabei blendete er aus, dass die Impfung mit Pockenviren im 18.  Jahrhundert beileibe keine sichere Sache war. Immer wieder lösten die als Vakzin aus den Wunden von Kranken gewonnenen Erreger die Schwarze Krankheit überhaupt erst aus und führten zu kleinen Epidemien, wenn sie auch auf die Verwandten des Geimpften übergriffen.
Viren lassen sich eben nicht so leicht unterkriegen. Sie sind sogar „die heimlichen Herrscher”, wie Ernst-Ludwig Winnacker in seinem gleichnamigen Buch feststellt. „Einerseits gibt es grandiose Erfolgsgeschichten wie die Ausrottung der Schwarzen Pocken” – die in den siebziger Jahren gelang, hundert Jahre nach Einführung des Bismarckschen „Gesetzes über den Impfzwang” –, schreibt der Münchner Molekularbiologe und Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft. „Andererseits tauchen ständig wieder neue Bedrohungen auf” – wie etwa der Aids-Erreger HIV oder das Ebola-Virus. Das Garstige an den kleinsten Krankheitserregern dieser Welt: Sie sind so winzig, dass sie allein nicht überdauern können und deshalb eine enge Verbindung mit ihren Opfern eingehen. „Viren sind unlösbar mit unserer eigenen Existenz verknüpft”, betont Winnacker.
Auf lebendige, wenig professorale Weise erzählt er dann, wie Viren Weltgeschichte schrieben. Indem sie etwa den älteren Bruder Augusts des Starken sterben ließen und so dem Sachsenkönig auf den Thron halfen. Dass die Spanische Grippe von 1918/19 dreimal mehr Tote forderte als der Erste Weltkrieg. Dass die Ureinwohner Südamerikas glaubten, die Spanier hätten noch größere übernatürliche Kräfte als ihre Götter, weil die meisten europäischen Seefahrer seit ihrer Kindheit immun gegen die Pocken waren, die sie nach Amerika einschleppten.
Diese Anekdoten lesen sich gut und geben einen Überblick über die Welt der Viren, die auch unsere Welt ist. Doch ganz kann Winnacker seine Profession nicht verleugnen. Ausführlicher als nötig erklärt er, wie aus Erbgut Eiweiße werden und schreckt auch nicht vor Wortungetümen wie „Resistenzkomplex” zurück. Dabei muss man das alles gar nicht wissen, um zu verstehen, wieso Viren heimlich über den Menschen herrschen.
Schließlich waren die Viren schon immer dabei: William Shakespeare hatte offenbar derart unangenehme Erfahrungen mit ihnen gemacht, dass er die ohnehin schon gegen zahlreiche Widersacher ankämpfenden Liebenden Romeo und Julia noch zusätzlich mit Herpes quälte: „Der Schönen Lippen, die von Küssen träumen, Oft plagt die böse Mab mit Bläschen diese, Weil ihren Odem Näscherei verdarb”, dichtete er 1595 – wenn er auch nicht wusste, dass die unangenehmen Bläschen von Herpes-Simplex-Viren herrühren. Diese befallen als eiweißumhüllte Erbsubstanz die Gesichtsnerven und setzen sich in ihnen ein Menschenleben lang fest, um zu den unpassendsten Zeiten – wenn die Sonne scheint oder der Stress ausbricht – in die Fortsätze der Nerven am Mund vorzurücken und dort unabdingbar auf sich aufmerksam zu machen.
Nicht nur Shakespeares Zeitgenossen litten unter Schmerzen beim Küssen. Knapp vierhundert Jahre lang half rein gar nichts gegen die hartnäckigen Nervenlagerer und die übrigen krank machenden Schmarotzer. Tatsächlich kennen die winzigen Erreger auch heute noch genügend Wege, um sich vor Angriffen durch die Pharma-Keulen des Menschen zu schützen. Und inzwischen schaffen moderne Errungenschaften – wie der Massentourismus und in Zukunft wohl auch die Nutzung von Tieren als Organersatz – den Viren wieder mehr Raum.
Doch gleichzeitig sind mit Gentechnik und Molekularbiologie neue Forschungszweige entstanden, mit deren Hilfe sich der Mensch die ungebetenen Gäste immer besser vom Hals halten kann. Seit beinahe zehn Jahren gibt es auch das erste Medikament gegen Romeos und Julias winzigste Widersacher. Und seit neuestem gibt es sogar eine Arznei, die das besonders schwer zu packende Influenza-Virus in Schach hält. Die Zeit sei reif für Mittel gegen die gefährlichen Winzlinge, schlussfolgert Winnacker. Dabei soll der Pharmaforscher und Nobelpreisträger George Hitchings einmal gesagt haben, es wäre unmöglich, jemals Arzneimittel gegen Viren zu entwickeln. Nun scheinen doch Wege gefunden, die heimlichen Herrscher dereinst vom Thron zu stürzen.
CHRISTINA BERNDT
ERNST-LUDWIG WINNACKER: Viren. Die heimlichen Herrscher. Wie Grippe, Aids und Hepatitis unsere Welt bedrohen. Eichborn Verlag, Frankfurt 1999. 184 Seiten, 34 Mark.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

In ihrer kurzen Rezension weist Simone Humml darauf hin, dass die Folgen von Viruserkrankungen für die Menschen oft von größerer Tragweite sind als politische Entscheidungen. So erfährt der Leser, dass die sogenannte Spanische Grippe von 1918/1919 "rund drei Mal so viele Opfer wie der Erste Weltkrieg an allen seinen Fronten" gefordert habe. Humml erzählt ganz angetan, dass der Autor sich mit verständlichen Worten an Laien richtet, aber auch Fachleuten Interessantes zu berichten weiß.

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