Produktdetails
  • Verlag: Gerstenberg
  • ISBN-13: 9783806750911
  • ISBN-10: 3806750912
  • Artikelnr.: 14175715
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.06.2006

Auf den Spuren des ersten Superman
Ein Bilderbuch über Arnie und den rätselhaften Nachbarn Mr. Angel
Bilderbuch und Kinderfilm liegen seit je im Dauer-Clinch. Gegen die Einschaltquoten im Kika (Kinderkanal), des Kino-Zuspruchs beim Kleinen Eisbär I und II, Shrek I und II, Das große Krabbeln, Rettet Nemo, Toys I und II und des Zustroms bei der abendfüllenden Hasenhatz von Wallace und Gromit muten die Anstrengungen der Bilderbuchverleger eher wie der allbekannte Ritt gegen übermächtige Windmühlenflügel an. Und dennoch: Immer wieder gibt es in gedruckter Form Augenöffner, Aufmerksamkeitserreger, die neuerlich in den Ring treten, um eine weitere Runde im Kampf der Davids gegen die Goliaths zu riskieren und durchzustehen. Angelman von Didier Lévy und Matthieu Roussel vermittelt nicht nur eine faszinierende Geschichte, sondern liefert den überzeugenden Beweis dafür, dass die innovationsfreudigen Franzosen neben grafischer Vielfalt und Experimentierfreude auch die Raffinesse von Knetfiguren im computergenerierten Drei-D-Verfahren meisterlich beherrschen. Der Texter ist Journalist und hat sich bisher in 60 Kinderbüchern bewährt. Der Bildermacher hat seine 3-D-Fähigkeiten in Büchern, Zeitschriften und Werbegrafik bewiesen.
Die Geschichte: Der Junge Arnie erzählt davon, wie er Zutrauen und Freundschaft eines einzelgängerisch-einsamen Mannes gewinnt. Mr. Angel wohnt über Arnie, oben im siebten Stockwerk des gleichen Hauses. Als der Knabe Zugang zu ihm gefunden hat, eröffnet sich die Wunderwelt hochtechnisierter Überraschungen: Mr. Angel war einst „Angelman”, ein flugfähiger Heros, lange ehe Fantomas, Superman, Flash- oder Hyperman ihre Taten vollbrachten. Niemand im Haus kennt seine wahre Identität, nur sein kleiner Roboter Alfi, der so etwas wie ein Enkel ist. Jetzt arbeitet der Alte mit Hilfe von Alfi in seiner Labor- und Bastelbehausung an einem Revival und dem letzten Aufstieg ins All.
Optisch ist die Story in einem brillanten Gemisch von Hyper-Realismus, detailfreudigen Interieurs und bizarren Einzelobjekten gefasst. Vor exakten Raumzeichnungen, angefüllt mit nostalgischen Alben, Merchandising- und Werbematerialien zur eigenen Herkunft und Geschichte anderer Super-Recken entfalten die dreidimensionalen Helden ihre Aktionen. Selbst Alfi, der Roboter, naher Verwandter von „E. T.”, gewinnt Leben und sympathische Herztöne. Ähnlich wie in den frühen Szene- und Kulissenbüchern der Karoline Kehr, bekommt die packende Handlung durch dramaturgische Lichtregie, lebendigen Szenen- und Perspektivwechsel zusätzliche Dramatik und Spannung.
Ein Schau- und Staunebuch für die Jüngeren, die Medienkinder unserer Zeit; ein aufmunternder Versuch auch für die älteren Comic-Fans - etwa für die Standardbibliothek im Seniorenheim, allein schon wegen des tröstlichen Abschieds- und Erlösungs-Mythos. (ab 5 Jahre)
HORST KÜNNEMANN
DIDIER LÉVY, MATTHIEU ROUSSEL: Angelman. Aus dem Französischen von Edmund Jacoby. Gerstenberg 2005. 36 Seiten, 12, 90 Euro.
Angelman war ebenso berühmt wie geheimnisumwoben. Briefmarken mit seinem Bild wurden gedruckt und für Kinder gab es Angelman-Spielzeug jeder Art.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2005

Auch Supermänner kommen in die Jahre: Ein Generationen-Bilderbuch

Kinder lieben Erfinder. Darum wimmelt es in Kinderbüchern von ihnen. Warum sie allerdings immer noch wie kauzige Opis mit wirren Haaren aussehen, ist kaum verständlich. Auf den ersten Blick bedient auch das französische Bilderbuch "Angelman" genau dieses "Kind trifft Onkel Einstein"-Schema; die braungetönten Illustrationen und das Ambiente der fünfziger Jahre scheinen schnurstracks zu einem rauchenden Laborplatz zu führen. Doch schnell zeigt sich, daß hier ein kluges Spiel mit dem Sujet inszeniert wird, das in die heutige Medienwelt des Comics und der animierten Bilder weist.

Die Wissenschaftshelden von einst werden durch neue alte Helden abgelöst. Um einen Superman im Ruhestand, der an einem Fluggerät für eine letzte Runde bastelt, dreht sich die melancholische Generationsgeschichte. Der kleine Arnie beobachtet schon länger den zurückgezogen lebenden alten Nachbarn aus dem Dachgeschoß seines Hauses. Der zerstreute Professortyp wirkt hier allerdings im eleganten weißen Anzug fast dandyhaft. Mit List und einer kleinen Hilfeleistung gelangt Arnie in sein Reich. Hier trifft er auch auf den Miniroboter Alfi, der dem alten Herrn dient. Von Alfi erfährt der Junge das streng gehütete Geheimnis: Herr Angel ist ein Superheld, ja sogar der Vater aller Superhelden. Zwar wird der Name Supermans kein einziges Mal genannt. Daß es aber um eine gelungene Adaption dieser Figur geht, erkennt man sofort. Der Enttarnung folgt eine ausführliche Retrospektive: Wir blättern in Angelmans Fotoalben, betrachten alte Angelman-Comics und bewundern die Produktpalette des Angelman-Merchandisings. Der Illustrator Matthieu Roussel feiert in diesen Sequenzen liebevoll das Medium und seine Geschichte.

Die Bilderwelten bestechen durch ihre räumliche Inszenierung. Daß diese phantastisch plastischen Orte allein am Computer entworfen wurden, kann man kaum glauben: das dunkle Treppenhaus in verschiedenen Perspektiven oder die detailliert ausgestatteten Räume von Angelmans Wohnung. Diese Inszenierungen spielen gekonnt mit Sein und Schein und Fiktionalität. Die Licht-und-Schatten-Gestaltung schafft dabei besonders atmosphärische und authentisch wirkende Bilder. Der kleine Arnie und sein kecker Kumpel Alfi stammen dagegen aus der medialen Welt. Wie animierte Comicfiguren bewegen sie sich in ihrer hyperrealen Umgebung.

Die Geschichte erzählt von einem Abschied und kratzt daher sacht an der medialen Traumvorstellung, nach der gewöhnlich alle Figuren forever young sind. Herr Angel aber verabschiedet sich bei seinem letzten Flug für immer und vermittelt so ganz selbstverständlich etwas über die Endlichkeit von Supermännern. Immerhin läßt er in seinem kleinen Reich zwei Adoptivenkel zurück, die die Erinnerung an ihn sorglich pflegen werden.

CAROLINE ROEDER.

Didier Lévy / Matthieu Roussel: "Angelman". Aus dem Französischen übersetzt von Edmund Jacoby. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2005. 32 S., geb., 12,90 [Euro]. Ab 5 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Caroline Roeder mochte diese "melancholische Generationengeschichte" über einen "Superman im Ruhestand", der an einem Fluggerät für seinen letzten Flug bastelt, und einem kleinen Jungen, der im gleichen Haus wohnt. Die Geschichte erzählt aus der Sicht der Rezensentin vom Abschied und kratzt "sacht" an der medial vermittelten Traumvorstellung des "Forever young": auch Superman muss irgendwann altern. Zwar werde der Name Supermans kein einziges Mal genannt, doch war für die Rezensentin sofort erkennbar, dass es sich um eine Adaption dieser Figur handelt, und zwar um eine gelungene. Besonders die "Bildwelten", mit denen Illustrator Matthieu Roussel "liebevoll das Medium und seine Geschichte" feiert, bestechen Roeder durch ihre räumliche Inszenierung. Darin sieht sie gekonnt mit "Sein und Schein und Fiktionalität" gespielt.

© Perlentaucher Medien GmbH