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Völker hinter Mauern: Geschichte der Trennungen und des Neubeginns.
Die Begegnung mit dem Anderen war zu allen Zeiten zwiespältig: Völker können in einen Dialog treten, einen Krieg beginnen oder sich hinter einer Mauer verschanzen. 2009 jährt sich der Fall der Berliner Mauer zum 20. Mal: Anlass für einen Streifzug durch die Geschichte der Mauergrenzen - von den frühesten Hochkulturen bis heute. Zu welchem Zweck wurden lange Überlandmauern errichtet? Was sollten sie bewirken und was wurde mit ihnen tatsächlich erreicht? Internationale Experten der Archäologie, Kultur- und Zeitgeschichte…mehr

Produktbeschreibung
Völker hinter Mauern: Geschichte der Trennungen und des Neubeginns.

Die Begegnung mit dem Anderen war zu allen Zeiten zwiespältig: Völker können in einen Dialog treten, einen Krieg beginnen oder sich hinter einer Mauer verschanzen. 2009 jährt sich der Fall der Berliner Mauer zum 20. Mal: Anlass für einen Streifzug durch die Geschichte der Mauergrenzen - von den frühesten Hochkulturen bis heute. Zu welchem Zweck wurden lange Überlandmauern errichtet? Was sollten sie bewirken und was wurde mit ihnen tatsächlich erreicht? Internationale Experten der Archäologie, Kultur- und Zeitgeschichte berichten in diesem Band: Von der Mauer im Zweistromland des 3. Jahrtausends v. Chr. über den Hadrianswall und die »Große Mauer« in China geht die Reise bis an den Grenzzaun zwischen den USA und Mexiko und die Mauer zwischen Israel und Palästina.
Autorenporträt
Astrid Nunn lehrt Vorderasiatische Archäologie an der Universität Würzburg. Neben zahlreichen Aufsätzen zum Alten Orient hat sie Bücher über die Achämenidenzeit in der Levante und den Alltag im Zweistromland verfasst.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.10.2009

Die auf der anderen Seite
Verteidigungswall, Damm, rostiger Zaun, Betonpfeiler: Was Mauern uns bedeuten
Man sieht sie nicht. Zumindest nicht von der Erdumlaufbahn, wie es lange geheißen hatte. Es war ein Schock für die Chinesen. Man sieht sie nicht aus dem All, die Chinesische Mauer. Der erste chinesische Raumfahrer Yang Liwei berichtigte am 16. Oktober 2003 den geliebten nationalen Mythos. Der stand sogar in den Schulbüchern Chinas – die nun geändert werden müssten, ordnete die chinesische Regierung schweren Herzens an.
Anekdoten wie diese sind es, die den Band „Mauern als Grenzen” bereichern und aus seiner manchmal, nur manchmal ein klein wenig zu trockenen Ecke archäologischer und historischer Überlegungen wieder herausreißen. Geschichten wie die des byzantinischen Historikers Prokop etwa. Der hatte über Britannien, seine schon damals offenbar etwas exzentrischen Einwohner und jene merkwürdige Mauer des Hadrian, die die Insel durchschnitt, Folgendes zu berichten: „Luft und Erde und alles andere diesseits und jenseits der Mauer sind jedoch keinesfalls gleich: Auf der Seite gegen Osten ist gute Luft, den Jahreszeiten entsprechend . . . Auf der Westseite der Mauer jedoch ist das Gegenteil der Fall: Menschen können unmöglich dort länger als eine halbe Stunde überleben . . . Die Einwohner behaupten, dass, wer sich auf die andere Seite begibt, sofort den Geist aufgeben muss, so giftig wirkt schon die Luft dort, und Tiere, die sich hinüberverirren, fallen ebenfalls tot um.”
Dort, mitten in der phantasievollen Beschreibung des alten Historikers, steckt einer der Wahrheiten über Mauern und ihre Bedeutung. Auf ihrer anderen Seite der Grenze lauert das reale oder angenommene Übel, der Andere, das Böse, der Feind. Die Mauer soll dieses Übel draußen halten, mitsamt der von ihr ausgehenden Gewalt, aber auch ihrem Lebensstil und ihren möglichen Verlockungen. Folglich wurden manche Mauern auch gebaut, um die vom eigenen Stamm, Volk oder von gleicher ideologischer Gesinnung vor der Verführung durch die andere Seite zu schützen – auch wenn die so Umsorgten das oft selbst nicht ganz einsehen wollten.
Einzäunen und ausgrenzen
Mauern waren Verteidigungsanlagen ebenso wie Metaphern. Das zeigen die unterschiedlichen Beiträge dieses lehrreichen und dabei spannenden Bandes. Oliver Hülden erzählt nicht nur von den Mauern der Griechen (untereinander und gegen den großen Anderen, das persische Reich, gegen das man sich dennoch nie wirklich abschotten konnte), sondern rekonstruiert über sie hinweg auch die Gedankenwelt dieses Vielvölkervolkes, das seine ideellen Mauern gegenüber der Barbarei ebenso wenig überwinden konnten wie ihre Partikularität und Zerstrittenheit untereinander. Man denke an Sparta, das sich bekanntlich rühmte, ohne reale Mauern auszukommen. Die strikte gesellschaftliche Ordnung, die rigide Unterwerfung unter das Kollektiv, die Abschottung vor allem, was von außen kam, war wohl lange Zeit Ersatz genug.
Eine andere berühmte Mauer, die Große Mauer von China, ist überhaupt nur ein gedankliches Konstrukt, „eine erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte Fiktion”, schreibt Alexander Koch in seinem Beitrag. Tatsächlich hatten unterschiedlichste Dynastien zu unterschiedlichsten Zeiten und aus verschiedensten Gründen hier und dort Teile dieses riesigen Walles errichtet. Das macht die Gesamtleistung nicht weniger bewunderungswürdig. Die restaurierten Teilabschnitte aus der Ming-Zeit zeugen ebenso von großer Baukunst wie die von Zeit und Wetter schwer mitgenommenen Ruinen aus der Han-Zeit – und dabei vielleicht auch von der ständigen Angst vor den Reitervölkern der innerasiatischen Steppen.
Kaum eine Mauer erfüllte ihren ersten, den realen Verteidigungszweck, besonders lang. Die Mauer der Amurriter gegen umherziehende Nomaden aus dem späten dritten Jahrtausend vor Christus hielt offenbar gerade einmal 30 Jahre, der römische Hadrianswall gegen die Pikten 160 Jahre, der Wall der Sassaniden gegen die Hunnen 100 Jahre. Da erscheint die vor zwanzig Jahren gefallene Berliner Mauer mit gerade einmal 28 Jahren fast wie ein Detail – zumindest in einer Geschichte der Mauern.
Nur haben die Menschen nicht viel aus dieser Erkenntnis gelernt. Immer noch werden neue Mauern errichtet – gegen den so genannten Terror, gegen illegale Einwanderer, gegen verfeindete Völker wie gegen das eigene: zwischen Israel und dem Westjordanland, zwischen der USA und Mexico, in Belfast, Zypern, in Korea, 18 000 Kilometer weltweit. Für wie lange? PETRA STEINBERGER
ASTRID NUNN (Hrsg.): Mauern als Grenzen. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2009. 216 Seiten, 29,90 Euro.
Bethlehem im Westjordanland: Kinder spielen Fußball vor dem Haus an der Separation Wall. Rund 750 Kilometer ist die Betonmauer lang, an manchen Abschnitten innerhalb der Städte bis zu acht Meter hoch. Foto: Kike Arnal/Redux/laif
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2009

Vagabundierende Stämme

Zwanzig Jahre Mauerfall, und die Sprachklischees sind mopsfidel. Die Formulierung von der "Mauer in den Köpfen" ist uns so vertraut wie die politisch korrekte Aufforderung, Türen zu öffnen, Barrieren zu überschreiten, Grenzen zu überwinden. Wie wohltuend, dass nun gerade im Jubiläumsjahr ein opulenter Text- und Bildband erscheint, der seinen Titel "Mauern als Grenzen" nicht als wohlfeile Metapher missbraucht. Die in Würzburg lehrende Altertumsforscherin Astrid Nunn versammelt Koryphäen ihres Fachs und angrenzender Gebiete, um die Geschichte von Grenzmauern zu erzählen - von der Amurriter-Mauer im Zweistromland aus dem Jahr 2032 vor Christus bis zu den heutigen Mauern etwa in Bagdads Sicherheitszone, in der von Marokko beanspruchten Sahara-Wüste oder an der Grenze zwischen Israel und Palästina, zudem die der Chinesischen und der Berliner Mauer, des Hadrianswalls und des Limes. Die Quintessenz der Texte ist harte Kost für alle blauäugig-edlen Seelen des Grenzenlosen: Wälle und Mauern waren zumeist alles andere als das Resultat wirrer Inklusions-Phantasien. So gesehen, war selbst der 13. August 1961 zwar ethisch verwerflich, jedoch nicht irrational, denn selbstverständlich konnte der totalitäre Mangel-Sozialismus nicht anders als per Mauer und Schießbefehl existieren. In anderen Fällen dagegen wappneten sich antike Hochkulturen gegen vagabundierende Stämme, die ein objektiv geringeres Zivilisationsniveau besaßen. Am Schluss jeder Geschichte kommen die Mauerüberwinder freilich doch noch auf ihre Kosten, denn entweder versanken mit der Zeit die Hochkulturen in Dekadenz, oder die Völker auf der anderen Seite der Wälle waren gelehrige Schüler und clevere Händler, gegen deren kulturvermischenden Unternehmungsgeist bald weder Holz noch Stein Bestand hatten.

mart

"Mauern als Grenzen", herausgegeben von Astrid Nunn. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2009. 216 Seiten, 83 Abbildungen. Gebunden, 29,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Petra Steinberger hat diesem von Astrid Nunn herausgegebenen Sammelband über Mauern sehr interessiert gelesen und ihm als wichtige Information entnommen, dass Mauern zu allen Zeiten neben ihrer Verteidigungsfunktion auch symbolischen Wert hatten. Sollten die archäologischen und historischen Exkurse zum Hadrianswall, der Chinesischen Mauer oder den Mauern der Amurriter sich mal etwas trocken lesen - was sie aber laut Rezensentin wirklich nur ganz selten tun - lockern Anekdoten den Text auf, wie sie erfreut feststellt. Insgesamt findet die begeisterte Rezensentin diesen Band sehr informativ und fesselnd, wie sie nachdrücklich lobt.

© Perlentaucher Medien GmbH