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  • Buch mit Leinen-Einband

Produktdetails
  • Salto
  • Verlag: Wagenbach
  • Seitenzahl: 126
  • Deutsch
  • Abmessung: 14mm x 116mm x 209mm
  • Gewicht: 190g
  • ISBN-13: 9783803112019
  • ISBN-10: 380311201X
  • Artikelnr.: 09851298
Autorenporträt
Juan Carlos Onetti, geboren 1909 in Montevideo, ging 1975 ins Exil nach Spanien, 1980 erhielt er den "Premio Cervantes", der als "Nobelpreis der spanisch-sprachigen Welt" gilt. Juan Carlos Onetti starb 1994 in Madrid.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.01.2002

Die Tränen der dicken Dänin
Der beste Einstieg ins Werk eines zu wenig gelesenen Autors: Juan Carlos Onetti in Erzählungen
„Warten Sie bis zum Jahr 2000, wenn Onetti einer Revision unterzogen wird.” Die Prophezeiung, die der uruguayanische Schriftsteller Juan Carlos Onetti (1909 bis 1994) immer auf Lager hatte, wenn eine Interviewfrage ihn besonders langweilte, hat sich bisher nicht erfüllt. Das Bild dieses bedeutenden Erzählers wird nach wie vor in düsteren Tuschefarben gemalt: „Juan Carlos Onetti lesen, das heißt: es um sich finster werden zu sehen, das graue Rauschen einer unaufhebbaren Depression in den Ohren zu haben”, befand Jörg Drews 1986 in einem verdienstvollen Aufsatz im „Merkur”, der ersten umfassenden Stellungnahme eines deutschen Kritikers, und er folgte damit einer mittlerweile zum Gemeinplatz gewordenen Einschätzung. Nun wird kein gebildeter Leser einer kunstvollen Depression seinen Respekt versagen wollen. Trotzdem ist ein solcher Ruf für einen Schriftsteller mittlerweile nicht mehr nur förderlich. Die Schwermut hat schon bessere Tage gesehen.
Inzwischen ist es an der Zeit, auf andere Qualitäten hinzuweisen: auf Onettis Humor und seine Warmherzigkeit. Beides verträgt sich gut mit jener trostlosen Diagnose zur menschlichen Existenz, die zurecht als Untergrund dieses Erzählens erkannt wurde. In der Generationenabfolge der lateinamerikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts steht Onetti zwischen dem Urvater Borges und den heute noch lebenden Meistern Fuentes, García Marquez und Vargas Llosa, und das gilt auch ästhetisch. Mit Borges teilt Onetti die Neigung zum fiktionsironischen Gedankenspiel und zum tiefsinnigen Symbol, mit den jüngeren den Verismus der erzählerischen Oberfläche, die Lokalfarbe, die starke Sinnlichkeit.
Die zehn Kurzgeschichten, die der Wagenbach Verlag in seiner ganz undepressiv rot gebundenen Geschenkreihe gesammelt hat, sind die unterhaltendste Lektüre, die man sich denken kann und der beste Einstieg ins Werk des zu wenig gelesenen Autors. „Ein verwirklichter Traum” heißt die Titelgeschichte, und sie berichtet von einer seltsamen, nicht mehr jungen, aber ungealterten Frau, die es sich in den Kopf gesetzt hat, einen Traum, bei dem sie besondere Glücksgefühle empfand, von einer Theatergruppe in Szene setzen zu lassen. Doch was ist das für ein Traum? Es ist nur eine beliebe Szene des Lebens, das, was man einst „tranche de vie” nannte: Ein Mann überquert eine Straße, trinkt drüben ein Bier und kommt dann wieder zurück. Dazwischen fahren zwei Autos vorbei. Dass die Auftraggeberin und einzige Zuschauerin dieser Trauminszenierung sich selbst in der Szene stellt und am Ende stirbt, ist fast zu viel der Symbolik; doch es kann die minimalistische Poesie dieser Geschichte nicht ernsthaft beschädigen.
Kurzgeschichten darf man eigentlich nicht nacherzählen, sie sind zu kurz dafür. Am rührendsten ist eine Erzählung, die von einem Mann aus Onettis südamerikanischer Kunststadt Santa María handelt, der eine dänische Ehefrau hat, welche an unheilbarem Heimweh erkrankt ist. Die vergeblichen Versuche des besorgten Ehemanns, dieses Heimweh zu lindern, stellen die Handlung dar. Komisch sind die Metaphern, mit denen sich der südliche Erzähler die Betrübtheit des fülligen nordischen Wesens an seiner Seite klarzumachen versucht: Die Dänin trägt ein Regengesicht, heißt es, „ein Gesicht von Statuen im Winter, das Gesicht von jemandem, der eingeschlafen ist und die Augen nicht geschlossen hat im Regen. Kirsten ist dick, sommersprossig, starr; vielleicht riecht sie schon nach Keller, nach Fischernetz; vielleicht bekommt sie den unbeweglichen Geruch nach Stall und Sahne, den es, so stelle ich mir vor, in ihrem Land geben muss.” Depression? Ach was. Liebe ist das.
GUSTAV SEIBT
JUAN CARLOS ONETTI: Ein verwirklichter Traum. Erzählungen. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2001. 127 Seiten, 11,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Die Erzählungen des 1994 in Madrid verstorbenen Uruguayers Juan Carlos Onetti spenden wenig Hoffnung, warnt Maike Albath. Denn die Helden und Heldinnen des Schriftstellers in diesen "zehn seiner besten Geschichten" seien stets auf der Suche nach sich selbst, wobei sie sich in immer undurchschaubarere Situationen verstricken und schließlich jegliche Kontrolle über sich verlieren, fasst die Rezensentin kurz und knapp den Lebens- und Leidensweg dieser Figuren zusammen. Der Band selbst sei eine Art "Visitenkarte" für den erst spät berühmt gewordenen Schriftsteller, der für Albath ohne Zweifel zu einem der wichtigsten Südamerikas zählt. Denn schließlich habe er als erster die Abkehr von traditionellen Erzählformen vollzogen und somit den Weg für die "nueva novela" von Vargas Llosa, Carlos Fuentes oder Julius Cortazar geebnet. Das heißt allerdings auch, meint die Rezensentin, starke Nerven zu haben, denn bei Onetti ist alles im Verfall: es "rostet, schimmelt und fault", nicht nur die Dinge sind davon betroffen, sondern auch die Menschen. Jede dieser Erzählungen verbreite eine unheimliche Stimmung, Erlösung aus der Ausweglosigkeit bringe allenfalls der Tod. Trost spende hier einzig die "große Schönheit" der Sprache des Südamerikaners, seine an Proust erinnernde verschachtelte Syntax, sein an gute Krimis angelehnter Spannungsaufbau und schließlich die Phantasie, mit der er den Leser gleich einem Voyeur an der Ungeheurlichkeit dieser Geschichten teilhaben lasse, schließt die faszinierte Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH
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