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Brave Parteijugend und innerparteiliche Opposition: Die Jusos haben es der SPD nicht immer leicht gemacht. Martin Oberpriller untersucht die Geschichte des sozialdemokratischen Nachwuchses von seinen Anfängen vor 100 Jahren bis heute.
Im Laufe ihrer Geschichte haben die Nachwuchsorganisationen der SPD oft ihr Gesicht verändert. Was vor 100 Jahren in Berlin und Mannheim mit der Gründung der ersten Vereine begann, entwickelte sich noch vor dem Ersten Weltkrieg zu einer mächtigen sozialistischen Jugendbewegung, die allerdings nicht nur von der Obrigkeit, sondern auch von der eigenen Partei mit…mehr

Produktbeschreibung
Brave Parteijugend und innerparteiliche Opposition: Die Jusos haben es der SPD nicht immer leicht gemacht. Martin Oberpriller untersucht die Geschichte des sozialdemokratischen Nachwuchses von seinen Anfängen vor 100 Jahren bis heute.

Im Laufe ihrer Geschichte haben die Nachwuchsorganisationen der SPD oft ihr Gesicht verändert. Was vor 100 Jahren in Berlin und Mannheim mit der Gründung der ersten Vereine begann, entwickelte sich noch vor dem Ersten Weltkrieg zu einer mächtigen sozialistischen Jugendbewegung, die allerdings nicht nur von der Obrigkeit, sondern auch von der eigenen Partei mit Argwohn beobachtet wurde.

Die Jungsozialisten, die inzwischen einen Bundeskanzler sowie mehrere SPD-Vorsitzende und Minister hervorgebracht haben, waren immer auch Spiegelbild der gesellschaftlichen Entwicklungen und Brüche: Der erste linke Juso-Verband in der Weimarer Republik wurde noch vor der "Machtergreifung" der Nazis von der SPD aufgelöst, es folgten Widerstand und Verfolgung im "Dritten Reich", der Neubeginn nach 1945 als reine Schulungs- und Bildungsorganisation, die Unterdrückung sozialdemokratischer Jugendlicher in der DDR, schließlich die Linkswende nach 1968 und Wiederentdeckung des Marxismus in den roten 70er Jahren. Flügelkämpfe und Reibereien mit der Mutterpartei sind aber nur die eine Seite der Juso-Geschichte. Mit Hilfe des eigenen Nachwuchses gelang es der SPD immer wieder, erhebliche Teile der Jugend für die Partei und für die Demokratie zu gewinnen - und sich dabei selbst zu verjüngen.

Die Jungsozialisten in der SPD: eine Geschichte der Generationen, eine Geschichte der Generationskonflikte, aber auch der Annäherung von Jung und Alt - am Ende eine Erfolgsgeschichte?
Autorenporträt
Martin Oberpriller, geb. 1968, studierte in Bochum Wirtschaftsgeschichte, Neuere Geschichte und Politikwissenschaften. Nach dem Magisterabschluss absolvierte er in Düsseldorf eine Ausbildung zum Tageszeitungsredakteur. Neben seiner journalistischen Tätigkeit für verschiedene Zeitungen arbeitet er zurzeit an einer Doktorarbeit zur Geschichte der Jungsozialisten während der 1970er Jahre.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit großem Interesse hat Thomas Eckardt dieses Buch über den SPD-Nachwuchs gelesen, dessen Schwanken "zwischen Anpassung und Opposition" Martin Oberpriller detailliert verfolgt. Dabei scheinen den Rezensenten diejenigen Funktionäre nicht so sehr zu interessieren, die die Jusos nur als Sprungbrett für eine spätere Parteikarriere in der SPD ansahen, spannend findet er vor allem den Teil des Buches, der sich mit den Gräben befasst, die sich am Ende der 60er Jahre zwischen Stamokaplern, Antirevisionisten und Reformsozialisten auftaten. Allerdings scheint der Rezensent dem Autor nicht ganz in seinem Spott für die leidigen "Theoriefindungsdiskussionen" und Personaldebatten zu folgen und, auch dessen Vorliebe für die gemäßigten oder SPD-kompatiblen Funktionäre scheint er nicht zuteilen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.07.2005

Draußen vor der Tür
Die Probleme der SPD mit ihrem oft aufmüpfigen Nachwuchs
Leicht hatte es die SPD mit „ihren” Jungsozialisten nicht immer, wie Oberpriller, Jahrgang 1968, überzeugend darlegt. Schon während der Weimarer Republik wollten sich die Jungen nicht umstandslos von der SPD vereinnahmen lassen. Gelang es der Partei in der ersten Nachkriegszeit, den Nachwuchsverband an die Kandare zu nehmen (Schulung war oberstes Gebot), so bekam sie spätestens in den 60er Jahren zunehmend Probleme mit den Jugendlichen, die sich der „rigiden Fuchtel” der SPD nicht mehr unterwerfen wollten.
1953 ordnete sich der Verband noch freiwillig der Kontrolle der „Erwachsenen” auf allen Ebenen unter. Die „Funktionseliten der Jusos” gaben dem Druck der Parteidisziplin nach und strebten eher eine Partei-Karriere an, statt sich den alltäglichen Problemen von Jugendlichen zu widmen, verstanden also Jugendarbeit lediglich als Sprungbrett in die Partei. Abweichende Meinungen wurden relativ selten geäußert, was der SPD naturgemäß lieb war. Zudem haperte es noch Anfang der 60er Jahre mit der Mobilisierung der
Basis: hoffentlich kommt keine „Stahlnetz”-Sendung im TV, wenn wir uns über die Kubakrise unterhalten wollen . . .
Pragmatiker auf dem Rückzug
Bald aber wurden die oppositionellen Ränder sowohl in der SPD wie auch bei den Jusos, die den Schwenk zur Volkspartei „nur widerwillig mitmachten”, aufmüpfiger. Hier beginnt nun der spannende Teil des akribisch recherchierten Buches. Linke Jusos fragen sich 1967, ob sie systemadäquate Reformen oder gleich die Überwindung des kapitalistischen Systems anstreben sollten; nach den Notstandsgesetzen befinden sich die Pragmatiker (die Oberpriller favorisiert) auf dem Rückzug: einige der Linken zweifeln an ihrer Bereitschaft, die SPD in Regierungsverantwortung zu begleiten. Der Unvereinbarkeitsbeschluss der Partei, sowohl der SPD wie dem SDS angehören zu dürfen, tat ein Übriges.
Unter Karsten Voigt wird 1969 die Linkswende der Jusos manifest und die SPD, von Voigt der Anpassung an die kapitalistische Gesellschaftsordnung geziehen, reagiert ungnädig. Experimenten wird eine klare Absage erteilt, da sich die SPD als Volkspartei und keinesfalls als Klassenpartei verstanden wissen wollte. Die Jusos, damals „Auffangbecken für Aktive” der Apo, offerierten, zumindest die extreme Linke, laut Oberpriller „desparate Politikkonzepte” wie etwa auch ein Heinrich Böll Anfang der 70er Jahre in Bezug auf die RAF das „rechte Augenmaß” habe vermissen lassen.
Kein gutes Haar lässt der Autor an den „Stamokaps”, die das kapitalistische System als ein lediglich von den Monopolen beherrschtes Wirtschaftssystem betrachteten, und auch die „Antirevisionisten” kommen schlecht weg. Für sie war der Staat als „ideeller Gesamtkapitalist” ein inadäquates Instrument für sozialistische Veränderungen: Das bestehende System ließe sich, kurz gesagt, nicht reformieren. Demgegenüber standen Jungsozialisten wie Johano Strasser, der als gemäßigter Reformsozialist die sich ins Abseits manövrierenden Stamokaps 1973 scharf kritisierte: für Oberpriller völlig zu Recht. Die SPD als Agent des Monopolkapitals zu bezeichnen, so Willy Brandt 1974, sei schlicht eine „Zumutung”.
Oberpriller etwas manieriert: „In der schnöden Wirklichkeit war die Praxis eine unberechenbare Größe und das Kapital ein scheues Reh.” Die leidigen Theoriefindungsdiskussionen, in der Realität nach Oberpriller ohnehin kaum von Relevanz, gerieten außer Kontrolle, letztlich konnte man den Verdacht hegen, die Stamokap-Fraktion wolle die SPD spalten. Klaus Uwe Benneter, Befürworter einer Kooperation mit der DKP, wird 1977 aus der Partei ausgeschlossen (und 2004 dennoch SPD-Generalsekretär), Strassers Linie siegt und unter der „glänzenden” Ägide des neuen Jusochefs Schröder wird 1978 eine Zeit lang alles wieder gut. Statt böllisch die bürgerliche Demokratie demolieren zu wollen, wird nun pragmatisch auf Mitarbeit in der SPD gedrängt, die Jusos konsolidieren (und arrangieren) sich.
Die dauernden personalpolitischen Querelen, nicht nur das Theorielastige, enervieren Oberpriller, die ewigen Flügelkämpfe! Das uralte Duell flammt erneut auf: reformistische Sozialdemokraten vs. dogmatische Marxisten (so wenden sich die Stamokaps 1980 gegen Rot-Grün, da dies eine Abkehr vom Klassenkampf bedeute). Der Autor beschreibt eine manchmal doch leidige Affäre der SPD mit ihrem „Nachwuchs”; die Jusos gefallen dem Autor, wenn sie kompatibel agieren („Reformsozialisten”); besserwisserische Häme und Spott hingegen post festum über „Antirevisionisten” und „Stamokaps”. Nach der Spielwiese (Hörner abstoßen?) integriert eine reformerische Volkspartei aber letztlich auch ehemalige Heißsporne wie Benneter oder Olaf Scholz erfolgreich (ins Establishment). Spätestens 1989 nach dem neuen Grundsatzprogramm der SPD stehen „systemverändernde” Jusos in ihrem „einsamen Wettlauf zum Sozialismus” draußen vor der Tür, großteils an sich selbst gescheitert. Der Fall der Mauer lege ja die Frage nach einer sozialistischen Gesellschaft ad acta - die Macht des Faktischen, vor der auch der Autor kapituliert.
Nach aller Kritik gibt sich Oberpriller konziliant und merkwürdig diffus: Die Jusos in ihrem Anmahnen der Solidarität, „mehr als nur ein Schlagwort”, waren alles in allem doch wichtig für die SPD: Beide Seiten hätten am Ende irgendwie gewonnen.
THOMAS ECKARDT
MARTIN OBERPRILLER: Jungsozialisten. Parteijugend zwischen Anpassung und Opposition. J.H.W. Dietz Nachf., Bonn 2004. 390 Seiten, 24 Euro.
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