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Joseph Stalin, eine der umstrittensten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, stieg aus bedrängten Verhältnissen, geprägt durch Armut und Brutalität, über die revolutionäre Bewegung und den Parteiapparat zum unbestrittenen Führer der Sowjetunion auf. Fast alle unterschätzten seine Fähigkeiten, seine virtuose Beherrschung des Apparats und vollständig amoralische Rücksichtslosigkeit. Früh zeigte er sich unwillens, andere als Autoritäten anzuerkennen - auch Lenin nicht, dessen Kult er wie kein anderer betrieb. Er unterwarf sein Land den dramatischsten und brutalsten Umwälzungen, die je ein Staat in Friedenszeiten durchlebte.…mehr

Produktbeschreibung
Joseph Stalin, eine der umstrittensten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, stieg aus bedrängten Verhältnissen, geprägt durch Armut und Brutalität, über die revolutionäre Bewegung und den Parteiapparat zum unbestrittenen Führer der Sowjetunion auf. Fast alle unterschätzten seine Fähigkeiten, seine virtuose Beherrschung des Apparats und vollständig amoralische Rücksichtslosigkeit. Früh zeigte er sich unwillens, andere als Autoritäten anzuerkennen - auch Lenin nicht, dessen Kult er wie kein anderer betrieb. Er unterwarf sein Land den dramatischsten und brutalsten Umwälzungen, die je ein Staat in Friedenszeiten durchlebte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2002

Der grobe GenSek
Stalins Leben: Vieles bleibt ungeheuerlich und unbegreiflich

Heinz-Dietrich Löwe: Stalin. Der entfesselte Revolutionär. Muster-Schmidt Verlag, Göttingen 2002. 2 Bände, 424 Seiten, 28,50 Euro.

Lenin wollte die russischen Sozialdemokraten als straff organisierte Kaderpartei, deren Mitglieder die Revolution zu ihrem Beruf machten; nur so könnten sie ein adäquates politisches Bewußtsein ausbilden, nur so eine Führungsrolle in der künftigen Revolution spielen. Deshalb spaltete er 1903 die Partei. Doch seine Bolschewiki waren vor 1917 alles andere als dies. Sofern die Spaltung überhaupt vollzogen wurde, bestand die Partei aus verstreuten Zirkeln, deren Führung, unter sich zerstritten, im Ausland saß und vor sich hin theoretisierte.

Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwili - dessen erster georgischer Deckname Koba war und der sich später Stalin nannte - spielte damals nur eine untergeordnete Rolle; er war kein Theoretiker. Darstellungen, die ihn als engen Mitarbeiter Lenins und schon früh in führender Position zeigen, sind Fälschungen aus späterer Zeit. Wenn die Bolschewiki 1917 eine führende Rolle spielten, so nicht als straff organisierte Kaderpartei mit dem "richtigen", revolutionären Bewußtsein. Vielmehr versprachen sie populistisch den Arbeitern, Bauern und Soldaten alles, was diese hören wollten. Hierbei spielte Stalin keine herausragende Rolle; ein Volkstribun, der Massen in einer Rede mitreißen konnte, war er nun mal nicht. Dabei fehlte es ihm nicht an "proletarischem Bewußtsein", nicht an Haß auf die "bessere Gesellschaft", nicht an Ehrgeiz, schon gar nicht an Tatkraft. Schließlich hatte er 1907 bei einem Überfall auf einen Geldtransport für die Partei eine Viertelmillion Rubel erbeutet.

Stalins Stunde schlug im Grunde erst, als er im Frühjahr 1919 den Vorsitz im Volkskommissariat für Arbeiter-und-Bauern-Kontrolle übernahm, das die Tätigkeit des gesamten Regierungsapparates überwachte, und nahezu zeitgleich Mitglied des Organisationsbüros der Partei wurde. Diese Position verstand er, Zug um Zug auszubauen, bevor er 1922 Generalsekretär wurde. Die Parteiorganisation, die es vielerorts überhaupt erst zu schaffen galt, war zu einem gut Teil sein Werk; die Zahl der Mitglieder und Kandidaten überschritt schon Anfang 1926 die Millionengrenze, sie machten diejenigen, die schon vor 1917 dazugehört hatten, zu einer kleinen Minderheit. Daß Stalin erst jetzt in die allererste Reihe der Bolschewiki vorrückte, zeigt anschaulich die neue Biographie von Heinz-Dietrich Löwe, die den Forschungsstand kompetent zusammenfaßt.

Während ein Viertel der Darstellung die ersten 40 Jahre des Lebens (1878 bis 1918) abhandelt und dem Leser vor allem vor Augen führt, was auf gesicherten Erkenntnissen fußt, was später hinzugefügt wurde, gelten drei Viertel der Zeit danach (1919 bis 1953). Stalins Leben wird dann eins mit dem der Partei und des Landes, der Privatmann (schon vorher kaum greifbar) geht vollends im Amtsträger auf. "Die Achse seines Universums war das Komitee", hat sein ewiger Rivale Trotzki abschätzig über ihn gesagt, "der Komitetschik wurde zum Mann der Supermaschine, der Generalsekretär der Partei, die außerordentliche Personifikation der Bürokratie und ihr konkurrenzloser Führer".

Wie stark Stalin die Partei bereits dominierte, zeigte sich schon in Lenins letzten Lebensjahren, erst recht bei den Auseinandersetzungen um die Nachfolge (Trotzki hatte wohl von Anfang an keine Chance). Der "große Umschwung" Ende der zwanziger Jahre verband sich mit dem "Griff nach der absoluten Macht": das Ende der "Neuen Ökonomischen Politik" und die Ausschaltung der Rechten um Bucharin, die Forcierung der Auseinandersetzung mit den Bauern ums Getreide, die zur "Liquidierung der Kulaken als Klasse" und zur Zwangskollektivierung führte, die damit einhergehenden Repressionswellen gegen "bürgerliche" Spezialisten und schließlich der "entgrenzte Terror". Keine der großen Entscheidungen vollzog sich ohne oder gar gegen Stalins Willen. Denn "der GenSek", so Löwe, "zog alles an sich, was er für wichtig erachtete, selbst Kleinigkeiten mußten auf allerhöchster Ebene geregelt werden".

Der Terror hatte "Methode". Das galt, wenn man Löwe folgt, auch für die Außenpolitik, die Stalin - die große innerkapitalistische Auseinandersetzung im Visier - zielstrebig zum Pakt mit Hitler (verbunden mit der Aufrüstung des eigenen Landes) und in gewisser Weise auch in den Kalten Krieg nach 1945 führte. Während dieser Zeit begann im Innern der mühselige Wiederaufbau, gaben große Debatten über Philosophie, Genetik, Sprachwissenschaft und Ökonomie den intellektuellen Kurs vor. Im Kampf gegen "bürgerliche Nationalisten", "Kulaken", "jüdische Kosmopoliten" und "terroristische Ärzte", wurden die revolutionären Stereotypen fortgestrickt. Säuberungswellen hielten selbst die nächste Umgebung in Atem. Eine anregende Darstellung, die Urteile nicht scheut und immer wieder auch eigene Akzente setzt. So sehr sich der Historiker müht, vieles bleibt ungeheuerlich, unbegreiflich.

HELMUT ALTRICHTER

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Eine "solide Darstellung" liefert die neue Stalin-Biografie von Heinz-Dietrich Löwe, meint der Rezensent Jürgen Zarusky. Die Studie des Autors zeichnet sich laut Zarusky durch umfassende Recherche und präzise Bewertungen aus. Stalin erscheine bei Löwe als "sehr eigenständige historische Figur". Der Autor setzt mit seiner Analyse bereits vor der Oktoberrevolution ein, was einige interessante Einblicke in den Charakter des jungen Stalin eröffnet, fasst der Rezensent zusammen. Eine "Bruchstelle" hat Zarusky allerdings bei Löwes Bewertung der Rolle Stalins im Zweiten Weltkrieg gefunden. Der Autor vertritt die Auffassung, dass Stalin die Sowjetunion bewusst in den Krieg geführt hat und stützt sich dabei auf eine Rede Stalins vor dem Politbüro am 19. August 1939, berichtet Zarusky. Es sei allerdings inzwischen nachgewiesen, dass diese Rede gefälscht sei, weiß der Rezensent und bedauert diesen Fehltritt in der ansonsten informativen Darstellung.

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