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Die These von der angeblichen "Weltverschwörung" der "überstaatlichen Mächte" Judentum und Freimaurerei diente dem Nationalsozialismus zur Rechtfertigung seiner politischen Radikalität.
Die Verfolgung der Freimaurer durch die Nationalsozialisten hat in Forschung und Publizistik bisher nur wenig Beachtung gefunden. Sie vollzog sich bereits in den ersten Jahren des Dritten Reiches, verlief weitgehend unblutig, zeitigte aber für die Betroffenen durchaus existenzbedrohende Folgen.
Anhand umfangreicher Quellenforschungen zeigt der Autor, wie die Freimaurerei propagandistisch zum
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Produktbeschreibung
Die These von der angeblichen "Weltverschwörung" der "überstaatlichen Mächte" Judentum und Freimaurerei diente dem Nationalsozialismus zur Rechtfertigung seiner politischen Radikalität.
Die Verfolgung der Freimaurer durch die Nationalsozialisten hat in Forschung und Publizistik bisher nur wenig Beachtung gefunden. Sie vollzog sich bereits in den ersten Jahren des Dritten Reiches, verlief weitgehend unblutig, zeitigte aber für die Betroffenen durchaus existenzbedrohende Folgen.

Anhand umfangreicher Quellenforschungen zeigt der Autor, wie die Freimaurerei propagandistisch zum "weltanschaulichen Gegner" stilisiert und nach Errichtung des nationalsozialistischen Regimes verfolgt, schließlich 1935 zerschlagen wurde.

Die umfassende Darstellung mit zahlreichen Aussagen und Erinnerungen von Zeitzeugen.
Autorenporträt
Helmut Neuberger, Jahrgang 1949, studierte Geschichte und Germanistik in München. Er war mehrere Jahre in Verlagslektoraten tätig, unter anderem als Cheflektor der nymphenburger, arbeitet heute als freier Buchproducer. Mit dieser Arbeit promovierte er an der Ludwig-Maximilian-Universität in München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.09.2001

Keine Brüder
Die Freimaurer als "weltanschauliche Gegner" des Nationalsozialismus

Helmut Neuberger: Winkelmaß und Hakenkreuz. Die Freimaurer und das Dritte Reich. Langen Müller Herbig Verlagsbuchhandlung, München 2001. 500 Seiten, 68,- Mark.

Das "Ende der Freimaurerei in Deutschland" feierte am 8. August 1935 der "Völkische Beobachter". Der geheimnisumwitterte Männerbund der Freimaurer stand neben Sozialisten und Juden im Zentrum vor allem völkischer Schuldzuweisungen nach dem militärischen Zusammenbruch von 1918. Auch Adolf Hitler wähnte in "Mein Kampf" Deutschland in "jüdisch-freimaurerischer Umklammerung". Logenbrüder galten somit als "weltanschauliche Gegner" des Nationalsozialismus und wurden bekämpft.

Von den letzten und rücksichtslosesten Maßnahmen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, der Entfernung aus der Gesellschaft und der Ermordung, wie sie vor allem die Juden traf, blieben die Freimaurer verschont. Unter Straßenterror, Zerschlagung und Plünderung ihrer oft vermögenden Organisationen, Durchsuchungen von Privathaushalten sowie in mehreren Fällen Schutz- oder KZ-Haft hatten auch sie zu leiden. Diesem Aspekt der nationalsozialistischen Herrschaft widmet Helmut Neuberger eine umfassende Studie.

Die Freimaurerei war ursprünglich eine Angelegenheit des Bürgertums und wandelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts von einer Emanzipationsbewegung zu einem unpolitischen, überalterten Männerbund, bei dem weitgehend esoterische und gesellige Aspekte im Vordergrund standen - auch dadurch, daß sich, wie in Preußen, gekrönte Häupter an ihre Spitze gesetzt hatten. Die Logen entwickelten in der veränderten Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg eine erstaunliche Anziehungskraft und erreichten 1925 mit 82 194 Freimaurern in 632 Logen ihren höchsten Mitgliederstand in Deutschland überhaupt.

Die indifferente Haltung der Öffentlichkeit erhielt 1927 durch das Pamphlet "Vernichtung der Freimaurerei durch Enthüllung ihrer Geheimnisse" von Erich Ludendorff, dessen Autorität als ehemaliges Mitglied der kaiserlichen Obersten Heeresleitung im bürgerlichen politischen Spektrum zunächst sehr hoch einzuschätzen war, einen starken antifreimaurerischen Impuls. Erst als der General sich durch immer verstiegenere Verschwörungstheorien disqualifizierte, ließ sein Einfluß nach. In der Propaganda der NSDAP wurden die Feindbilder in der Regel bestimmten Politikfeldern zugewiesen: innenpolitische Entwicklungen dem "Marxismus", wirtschaftliche Schwierigkeiten und unliebsame kulturelle Erscheinungen dem "Judentum" und schließlich negative außenpolitische Entwicklungen der "Freimaurerei".

Nach der "Machtergreifung" am 30. Januar 1933 pöbelte die SA Freimaurer an, plünderte und beschlagnahmte Logenhäuser, bis sich Gestapo und SD die "Bekämpfung" der Logen teilten. Die Gestapo übernahm den aktiven exekutiven Part, der SD das Ausforschen und Überwachen. Der SD stellte in den beschlagnahmten Logenarchiven wohl bald die Haltlosigkeit der verstiegenen Verschwörungstheorien fest, denn aus der Materialfülle entstanden mehrere an wissenschaftlichen Methoden orientierte Untersuchungen, die sich vor allem auf die Rolle der Freimaurerei bei der Entstehung von Demokratiegedanken und Liberalismus konzentrierten und die weltanschauliche Unvereinbarkeit mit dem Nationalsozialismus auf diese Weise begründeten. Dennoch wurden ehemalige Freimaurer planmäßig in der NSDAP, im öffentlichen Dienst und, wenn der Einfluß reichte, auch in der Wirtschaft diskriminiert und behindert. Oft verstärkte die frühere Logenzugehörigkeit im Fall einer Denunziation den Anfangsverdacht.

Die Verwandlung des Deutschen Reiches von einer starken, scheinbar in sich ruhenden Monarchie zur gedemütigten, unsicheren Republik führte auch innerhalb der Bewegung zu Auseinandersetzungen. Bei der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten hatten sich bei aller Heterogenität der gesamten Bewegung vier Richtungen herausgebildet, denen auch eine im weiteren Sinne politische Ausrichtung zuzuordnen war: Die kleinste Gruppe bildeten die erst 1930 gegründeten "Symbolischen" und "Schottischen" Logen, die die demokratische Republik als die den ursprünglichen Idealen der Bruderschaft gemäße Staatsform begrüßten und internationale Kontakte anzuknüpfen bemüht waren. Einige exponierte Vertreter dieser Richtung waren zugleich Mitglieder der SPD. Diese Logen stellten noch im Frühjahr 1933 ihre Tätigkeit in Deutschland ein.

Die Gruppe der "Humanitären" Großlogen standen loyal zur Republik, ließen meistens auch Juden als Mitglieder zu, verstanden sich als gute Patrioten und lehnten daher eine Aussöhnung mit ausländischen Freimaurern ab. Der Versuch, sich den geänderten Verhältnissen anzupassen, scheiterte auch am rapiden Mitgliederschwund. Umwandlungen in profane Vereine unterband bald die Staatsmacht, und bis Ende 1933 hatten sich alle "humanitären" Organisationen aufgelöst.

Die "altpreußischen" Großlogen waren noch monarchistisch orientiert und begrüßten die Aufrichtung eines autoritären Regimes, standen aber - wie die überwiegende Mehrheit der deutschen Freimaurer - dem Rassismus der Nationalsozialisten fern. Dennoch versuchten sie, sich durch betonte Distanzierung von der "internationalen" Freimaurerei abzugrenzen und sich als patriotisch, loyal sowie als mitbestimmende Kraft der "nationalen Revolution" darzustellen.

Die "Große Landesloge der Freimaurer von Preußen", von ihrem Ursprung eigentlich der vorgenannten Gruppe zuzurechnen, versuchte gar durch extreme Anpassung und Umwandlung in einen "Deutsch-Christlichen Orden der Tempelherren" der völkischen Bewegung entgegenzukommen. Diese Anbiederung, die die ursprünglichen Ideale der Freimaurer völlig hinter sich ließ, wurde nur von einem Bruchteil der verbliebenen Brüder mitgetragen und schützte auch nicht vor der Auflösung im Sommer 1935.

Neuberger weist überzeugend nach, daß der Anspruch des Nationalsozialismus, alle Lebensbereiche der "Volksgemeinschaft" lückenlos zu durchdringen, für eine Gemeinschaft, die unter anderem Verschwiegenheit gegen Außenstehende zu ihren Pflichten und Tugenden zählte, unabhängig von der ideologischen Unvereinbarkeit keinen Raum ließ. Das facettenreiche Bild der nationalsozialistischen Herrschaft wird damit weiter vervollständigt.

KLAUS A. LANKHEIT

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Klaus A. Lankheit gibt die Darstellung des Buches über das Schicksal der Freimaurerlogen während des Dritten Reiches detailliert wieder. Bei der Machtübernahme hatten sich, so der Rezensent, innerhalb der Freimaurerbewegung vier Richtungen herausgebildet, die auf unterschiedliche Weise, letztlich aber vergeblich um ein Überleben im NS-Staat kämpften. Dass der nationalsozialistische Totalitarismus "unabhängig von der ideologischen Unvereinbarkeit" einer auf Verschwiegenheit nach außen beruhenden Gemeinschaft keinen Raum ließ, könne der Autor überzeugend darlegen. Die historischen Kenntnisse von der NS-Zeit ließe sich dadurch vervollständigen.

© Perlentaucher Medien GmbH