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Der Nationalsozialismus ist nicht zu verstehen, wenn man seinen religiösen Charakter nicht beachtet. Seine Anziehungskraft bestand für viele seiner Anhänger darin, dass er die Wiederherstellung einer geeinten Volksgemeinschaft versprach und dass er dieses Ziel als "heiligen" Wert anpries. Hitler versprach nicht nur die Lösung politischer, gesellschaftlicher und materieller Probleme; er antwortete auf ein weitverbreitetes Verlangen nach "Erlösung". Das Versprechen auf Erlösung überhöhte das Politische ins Religiöse und unterbreitete zugleich ein existentielles Sinnangebot. Die religiöse…mehr

Produktbeschreibung
Der Nationalsozialismus ist nicht zu verstehen, wenn man seinen religiösen Charakter nicht beachtet. Seine Anziehungskraft bestand für viele seiner Anhänger darin, dass er die Wiederherstellung einer geeinten Volksgemeinschaft versprach und dass er dieses Ziel als "heiligen" Wert anpries. Hitler versprach nicht nur die Lösung politischer, gesellschaftlicher und materieller Probleme; er antwortete auf ein weitverbreitetes Verlangen nach "Erlösung". Das Versprechen auf Erlösung überhöhte das Politische ins Religiöse und unterbreitete zugleich ein existentielles Sinnangebot. Die religiöse Aufladung des Politischen äußerte sich im Dritten Reich in unterschiedlichen Formen, denen Vondung nachgeht: vom "Glauben" überzeugter Nationalsozialisten über die kultischen Veranstaltungen der Partei, in denen die "Volksgemeinschaft" als Glaubensgemeinschaft und der Führer als "Erlöser" gefeiert wurden, bis hin zur gleichsam religiösen Rechtfertigung der Verfolgung der Juden, die als "böser Feindder Menschheit" für alle Übel der Welt verantwortlich gemacht wurden.
Autorenporträt
Prof. Dr. Klaus Vondung ist Professor Emeritus der Universität Siegen für Neuere deutsche Literaturwissenschaft. Er ist außerdem ständiger Gastprofessor ehrenhalber der Zhejiang Universität, Hangzhou; weitere Gastprofessuren hatte er an mehreren Universitäten der USA und Japans inne. Seine Forschungen beschäftigten sich hauptsächlich mit Schnittstellen von Literatur, Politik und Religion. Sein wichtigstes Werk, "Die Apokalypse in Deutschland", erschien 1988 (engl. Übs. 2000); von 2006 - 2008 gab er gemeinsam mit K. Ludwig Pfeiffer im Fink Verlag die Buchreihe "Mystik und Moderne" heraus, in der er selbst mit mehreren Beiträgen vertreten ist.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Buch sei für die Forschung ohne Belang, urteilt Sybille Steinbacher über Klaus Vondungs Buch zu religiösen Implikationen im Nationalsozialismus. Erstens sieht sie in dem Band nur ein nichts Neues enthaltendes Resümee von Vondungs jahrzehntelanger Beschäftigung mit dem an sich schon begrenzten Thema. Zweitens, und das scheint ihr wichtiger, enthält die Arbeit keinerlei Bezüge zu aktueller Forschung, weder sozialgeschichtlicher noch historiografischer, in der Begriffe wie Volksgemeinschaft und Zustimmungsdiktatur diskutiert werden. Dementsprechend irritiert Steinbacher auch der Rückgriff des Autors auf Eric Voegelin und sein Konzept vom Nationalsozialismus als "politischer Religion".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.12.2013

Die Reichweite von Voegelin ist begrenzt
Religiöses im Nationalsozialismus: Klaus Vondung kommt bei seinem Lebensthema ohne aktuelle Forschung aus

Dass sein Versuch, sich an die Macht zu putschen, im Fiasko geendet war, hielt Hitler und seine Entourage nicht davon ab, das Ereignis vom 9. November 1923 später in einen Mythos zu verwandeln. Nach der NS-Machtübernahme wurde das Geschehen Jahr für Jahr aufs Neue zelebriert: als Zeitenwende, die den Siegeszug des Nationalsozialismus eingeleitet hatte. Die feierliche Wiederholung des "Marsches auf Berlin" war ein weihevolles Ritual. Wenn auf dem "Königlichen Platz" in München die Namen der sechzehn "Blutzeugen" verlesen wurden, die an jenem Tag vor der Feldherrnhalle gestorben waren, tönte aus den Kehlen Hunderter von Hitler-Jungen im Chor ein schallendes "Hier". Die "Märtyrer" der Bewegung lebten weiter, so die Botschaft, ja, sie waren unsterblich.

Im Ritual wurde ein Heilsereignis begangen - eine Feier des Sieges und der Auferstehung. Eine "Kantate zum 9. November" gab es, eine "Ewige Wache" und außerdem Ehrentempel, in denen des "Opfertodes" der Männer gedacht wurde. Die (nur selten im nationalsozialistischen Jahreslauf präsentierte) "Blutfahne" erhielt magische Bedeutung. Und die Feldherrnhalle avancierte zum Allerheiligsten, dem jeder, der daran vorbeiging, Ehrerbietung zu erweisen hatte.

Klaus Vondung beschäftigt sich in seinem Buch "Deutsche Wege zur Erlösung" mit Erscheinungsformen des Religiösen im Nationalsozialismus. Dieses Thema lässt den emeritierten Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Siegen seit Jahrzehnten nicht los. Im Jahr 1971 erschien sein Buch "Magie und Manipulation. Ideologischer Kult und politische Religion des Nationalsozialismus", und 1988 kam "Die Apokalypse in Deutschland" heraus, eine Auseinandersetzung mit apokalyptischen Deutungen des Ersten Weltkriegs und ihrem politischen und sozialen Kontext.

Vondung befasst sich mit dem Thema, seit er, wie er im Nachwort schreibt, "auf eine eigenartige literarische Gattung" aus den dreißiger Jahren gestoßen war: sogenannte chorische Dichtungen aus der Feder junger Literaten. Im NS-Regime erhielten ihre Schriften, darunter "Die Lieder vom Reich" und "Das deutsche Gebet", buchstäblich liturgische Funktion. Der Germanist Vondung widmete sich ihrer Analyse und orientierte sich dabei jenseits der engeren Fachgrenzen an den Überlegungen des Politikwissenschaftlers Eric Voegelin, der sein akademischer Lehrer gewesen war und dessen Konzept von der "politischen Religion" des Nationalsozialismus ihn besonders anzieht.

Dies muss man wissen, um zu verstehen, warum der Autor ein neues Buch geschrieben hat: Er möchte damit ein Resümee seiner Forschungen vorlegen und außerdem Voegelin die Ehre erweisen. Dass Vondung sein schmales Werk in sieben Kapitel unterteilt, ist ein (recht wuchtig daherkommendes) Spiel mit religiöser Symbolik. Über den ersten Abschnitt setzt er programmatisch den Titel "Politische Religion?". Er zeigt darin, dass schon Zeitgenossen den religiösen Charakter des Nationalsozialismus konstatierten. Insbesondere Denis de Rougemont, ein Schweizer Schriftsteller und Kulturphilosoph, der Mitte der dreißiger Jahre als Lektor an der Universität Frankfurt am Main arbeitete und ein genauer Beobachter des Geschehens in Deutschland war, wird viele Male zitiert. Voegelins Konzept vom Nationalsozialismus als "politischer Religion" entstand ebenfalls zu dieser Zeit. Es war Ausdruck der Ablehnung des Regimes und der Warnung vor seinen Methoden. Voegelin veröffentlichte sein Buch 1938, es ging ihm darum, zu zeigen, wie religiöse Gefühle aus dem Kontext der großen Religionen auf politische Ideologien und Regime übertragen wurden.

Dabei konzentrierte er sich auf Führerkult, Rassenideologie, Masseninszenierungen und den ersatzreligiösen Charakter des Nationalsozialismus. Kritiker monierten später, dass der Terminus "Religion" unpassend, missverständlich und im Ergebnis überflüssig sei. Hans Mommsen beispielsweise wandte ein, das NS-Regime habe zwar die Formen des Religiösen nachgeahmt, jedoch keine klare ideologische Stringenz besessen. Voegelin distanzierte sich in den siebziger Jahren von seinem Konzept, fand es nun selbst "unscharf".

"Skeptische Distanz" sei schon angebracht, schreibt sein Schüler Vondung, aber ein "vorsichtiger" Gebrauch doch auch erkenntnisverheißend, dann nämlich, wenn man (mit Émile Durkheim) von einem "phänomenologischen Religionsbegriff" ausgehe, also betrachtet, wie Glaubensüberzeugungen in Riten ausgedrückt wurden. Die folgenden Kapitel befassen sich ganz in diesem Sinne mit den Themen Glaube, Mystik, Mythos und Ritual, Kult, Theologie sowie Apokalypse. Im letzten Abschnitt werden die Verbrechen des Nationalsozialismus in das Konzept integriert: Die innerweltliche Erlösung, auf die sich in Deutschland seit der Niederlage im Ersten Weltkrieg alle Hoffnungen richteten, fand im Nationalsozialismus demnach ihre Realisierung im Judenmord. Erlösung durch Vernichtung also, die "nationalsozialistische Apokalypse war eine Erlösungsvision", heißt es.

Vondungs Buch ist gut zu lesen. Überzeugen kann es jedoch nicht. Die Reichweite des Konzepts "politische Religion" ist nun einmal begrenzt. Daran ändert auch ein neuer Aufguss nichts. Angesichts der historiographischen Entwicklung in der Sozialgeschichte der Religion irritiert der Rückgriff auf Voegelin geradezu. Historiker untersuchen Religion heute als soziales Phänomen und befassen sich mit deren gesellschaftlicher Rolle und Funktion als Motor sozialer Transformation, auch und gerade im zwanzigsten Jahrhundert. Die aktuelle Forschung nimmt der Autor jedoch nicht wahr.

Hinzu kommt, dass er über die mentale Disposition der deutschen Bevölkerung und ihre Bereitschaft, dem NS-Regime Gefolgschaft zu leisten, schweigt. Bezüge zu aktuellen Forschungsdebatten über den Nationalsozialismus sucht man vergeblich. In der Diskussion zur "Volksgemeinschaft" beispielsweise oder auch zur Frage, wie brauchbar der Begriff "Zustimmungsdiktatur" für das NS-Regime ist, positioniert sich Vondung nicht. Am Ende bleibt daher offen, worauf er eigentlich antworten möchte. Für die zeithistorische Forschung ist sein Buch jedenfalls ohne Belang.

SYBILLE STEINBACHER

Klaus Vondung: "Deutsche Wege zur Erlösung". Formen des Religiösen im Nationalsozialismus.

Wilhelm Fink Verlag, München 2013. 155 S., geb., 17,90 [Euro].

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