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Zwischen christlichem Glauben und religiöser Indifferenz sind in Europa neue Religionen entstanden, die bis in unsere Gegenwart ausstrahlen und die Wertorientierung leiten. Auf dem Wege einer historisch-soziologischen Analyse der Konjunkturen des Themas "Wiederkehr von Religion" entwickelt Wolfgang Eßbach eine Typologie europäischer Religionen in der Moderne.Behandelt werden Konfessionalismus, Vernunftreligion, Nationalreligion, Kunstreligion, Wissenschaftsreligion und Elemente des Glaubens an Verfahren. Dabei wird nach ihren Verbindungen mit den dominierenden Zeiterfahrungen im modernen…mehr

Produktbeschreibung
Zwischen christlichem Glauben und religiöser Indifferenz sind in Europa neue Religionen entstanden, die bis in unsere Gegenwart ausstrahlen und die Wertorientierung leiten. Auf dem Wege einer historisch-soziologischen Analyse der Konjunkturen des Themas "Wiederkehr von Religion" entwickelt Wolfgang Eßbach eine Typologie europäischer Religionen in der Moderne.Behandelt werden Konfessionalismus, Vernunftreligion, Nationalreligion, Kunstreligion, Wissenschaftsreligion und Elemente des Glaubens an Verfahren. Dabei wird nach ihren Verbindungen mit den dominierenden Zeiterfahrungen im modernen Europa, von den Glaubenskriegen der frühen Neuzeit bis zur Artifizierung der Lebenswelt im 20. Jahrhundert, gefragt. Sie haben Intellektuelle immer wieder umgetrieben. Jede neu hinzukommende Erfahrungslage bestimmt die Konjunktur des Religiösen. Neue Deutungen und Kritiken treten in Beziehung zu älteren Thematisierungen von Religion, die entweder verblassen oder reaktiviert werden. Der religiöse "Pluralismus" der Gegenwart kann so als ein geschichtetes, kumulatives Phänomen begriffen werden, dessen einzelne Elemente in einem spannungsreichen Gefüge auch in Zukunft kaum zu beruhigen sein werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Prof. em. Dr. Wolfgang Eßbach war Professor für Kultursoziologie an der Universität Freiburg (1987-2010), Präsident der Helmuth Plessner Gesellschaft (1999-2005). Er ist Mitglied des Zentrums für Anthropologie und Gender Studies der Universität Freiburg (seit 2000).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.04.2015

An der Wiege neuer Formen des Glaubens
Großer Wurf: Wolfgang Eßbach setzt den Auftakt für seine "Religionssoziologie"

Bei einem Buch mit dem Titel "Religionssoziologie" vermutet man zunächst eine der gängigen Einführungen in das Fach: einen Überblick über Ansätze, Definitionen und Problemstellungen. "Geschichte" erwartet man allenfalls als Geschichte der Disziplin, mit Theologie, Philosophie und Literaturwissenschaft rechnet man eher nicht. Wolfgang Eßbachs Buch entspricht keiner dieser Erwartungen. Es ist durch und durch historisch angelegt, steigt tief ein in die Forschung anderer Fachgebiete, entwickelt eine pointierte eigene These. Es ist maßlos im Umfang, wirkt in seiner Detailgenauigkeit und seinem Reichtum an interdisziplinären Bezügen in fast altmodischer Weise weberianisch - und es ist eines der aufregendsten Bücher, das die deutsche Religionssoziologie seit langem hervorgebracht hat.

Der Untertitel "Glaubenskrieg und Revolution als Wiege neuer Religionen" skizziert das Programm des ersten Bandes. Religionsdynamik und -entwicklung europäischer Gesellschaften werden vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Erfahrung interpretiert: "Dominierende gesellschaftliche Zeiterfahrung erlittener, ungelöster Probleme und die Wiederkehr des Interesses an Religion, das Streben nach einer anderen Religiosität und das Bewußtsein ihrer Fraglichkeit gehen Hand in Hand", so lautet die übergreifende These des Buches. Im Zentrum der Betrachtung stehen die Intellektuellen als diejenigen, die die dominierenden Erfahrungen auf den Begriff bringen wollen.

Aus den dominierenden europäischen Zeiterfahrungen entstehen nach Eßbach bestimmte Typen von Religion: Im Zuge der europäischen Glaubenskriege wurde Religion staatsbegründend und zugleich partiell neutralisiert, und es entstand ein Typus formierter Bekenntnisreligion. Die intellektuelle Antwort darauf sieht er in der Stiftung einer Rationalreligion, auf deren Fundament Religionsfriede und Religionsfreiheit aufbauen konnten.

Als zweite epochale Zeiterfahrung identifiziert Eßbach den revolutionären Enthusiasmus in der Folge von 1789, angesichts dessen sich die aufklärerisch rationalreligiösen Deutungen als unzulänglich erwiesen. Darauf antworten Kunstreligion und Nationalreligion, deren Behandlung dem zweiten Band vorbehalten ist. Diese religiösen Formationen legen sich, so Eßbach, wie eine zweite Schicht über die vorhandene Konstellation von Bekenntnisreligion und rationalreligiöser Aufklärung. Darauf reagiert die radikale Religionskritik in der Mitte des 19. Jahrhunderts, die sich angesichts der Erfahrungen entfesselter Marktwirtschaft (auch der Religionen) sowie der Wissenschaft als neuer geistiger Autorität auf diesem Markt wiederum als unzulänglich erweisen wird.

Eßbach versteht sein Buch als einen Gegenentwurf zu Säkularisierungstheorien, die für ihn wenig zur Kennzeichnung europäischer Religionsentwicklung beitragen. Es beeindruckt mit der Verknüpfung von religionshistorischer Akribie und gesellschaftstheoretischem Zugriff. Die programmatische Wendung gegen die Säkularisierungsthese scheint allerdings weniger zwingend als die Verknüpfung von Erfahrungsgeschichte und Religionstypologie. Denn auch über Säkularisierung und Säkularität lässt sich differenzierter reden, als die soziologischen Großtheorien dies bisweilen getan haben. Korrespondierend zur Religionstypologie, die Eßbach am Herzen liegt, ließe sich auch eine typologische Folge der Einhegungen des Religiösen - gerade auch vor dem Hintergrund dominanter Zeiterfahrungen - skizzieren: ob es die Rationalreligion ist, die die Religion "ins Geheimnis des Herzens" einschließt, oder der religionskritische Diskurs des 19. Jahrhunderts oder die beiden Typen der Kunstreligion und der Nationalreligion, die sich eben auch als religiöse Aufladungen von etwas verstehen lassen, das sich vorher zur eigenen "Wertsphäre" entwickelt hat. Von der Wissenschaftsreligion ganz zu schweigen.

Man kann gespannt sein, wie Eßbach in seinem zweiten Band die späteren Etappen der europäischen Religionsentwicklung behandeln wird. Immerhin gehört zu dem in der Marktgesellschaft neu zu bewältigenden Problem auch die Präsenz religiöser Einflüsse, die nicht vor dem Hintergrund derselben dominanten Zeiterfahrungen entstanden sind. Über den Gegenstand hinaus zeigt Eßbachs Buch in eindrucksvoller Weise, dass eine zunehmend auf Modelle reduzierte Soziologie sich über die "Lebensadern", die sie "mit den Kulturwissenschaften verbinden", verjüngen und verlebendigen kann. Vielleicht gerade weil sie über weite Strecken in einen weberianischen Mantel gehüllt ist und darin die Produktivität dieses "klassischen" Ansatzes unter Beweis stellt.

MONIKA WOHLRAB-SAHR.

Wolfgang Eßbach: "Religionssoziologie". Band 1. Glaubenskrieg und Revolution als Wiege neuer Religionen. Wilhelm Fink Verlag. Paderborn 2014. 892 S., geb., 128,- [Euro] (bei Subskription 99,- [Euro]).

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Der Zusammenhang von Religion und Gewalt lässt sich kaum leugnen, aber auch schwer systematisieren, ohne ideologisch zu werden, meint Dirk Pilz in seiner Besprechung dieses monumentalen Bandes, der nur der erste Teil einer großen Religionssoziologie sein will. Pilz gefällt daran vor allem dass der bekennend "Konfessionslose" Eßbach pragmatisch und historisch erzählend, aber ohne vorgeprägte Erklärmuster an die Sache herangeht und auf diese Weise eine vielfältige Religionstypologie entwirft. Es gehe in dem Band vor allem um die Glaubenskriege und ihren Zusammenhang mit der Staatenbildung. Als Errungenschaft der Aufklärung werde dabei die Trennung "zwischen öffentlicher Religion und privater religiöser Innerlichkeit" verbucht. Auch Gewalterfahrungen in der Französische Revolution würden in dem Band verhandelt.

© Perlentaucher Medien GmbH