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Seit geraumer Zeit sind an deutschen Universitäten kulturwissenschaftliche Studiengänge eingerichtet worden. Seither gibt es auch eine Debatte darüber, was "Kulturwissenschaften" eigentlich sind. Die Grundidee, die traditionellen "Geisteswissenschaften" zu reformieren, erweist sich in der universitären Praxis als schwieriger, als gut gemeinte Denkschriften vorgegeben hatten. Schon der Begriff ist umstritten. Soll man "Kulturwissenschaft" als eine neue Disziplin betrachten, oder sind "Kulturwissenschaften" im Plural ein übergreifender Verbund von Einzeldisziplinen, die in ihren Fragestellungen…mehr

Produktbeschreibung
Seit geraumer Zeit sind an deutschen Universitäten kulturwissenschaftliche Studiengänge eingerichtet worden. Seither gibt es auch eine Debatte darüber, was "Kulturwissenschaften" eigentlich sind. Die Grundidee, die traditionellen "Geisteswissenschaften" zu reformieren, erweist sich in der universitären Praxis als schwieriger, als gut gemeinte Denkschriften vorgegeben hatten. Schon der Begriff ist umstritten. Soll man "Kulturwissenschaft" als eine neue Disziplin betrachten, oder sind "Kulturwissenschaften" im Plural ein übergreifender Verbund von Einzeldisziplinen, die in ihren Fragestellungen temporär zusammenarbeiten? Und schließlich: Wie interdisziplinär sind inzwischen schon die einzelnen Fächer selbst? Um diese Fragen zu beantworten, hat es systematische Rekonstruktionsversuche der Kulturwissenschaften gegeben oder man hat versucht, ihre Geschichte zu schreiben. Der vorliegende Band wählt einen anderen Weg, indem er von der universitären Praxis ausgeht, und zeigt die Vielfalt
von philosophischen, historischen, soziologischen, ethologischen und literaturwissenschaftlichen Arbeitsfeldern, die sich unter dem Dach der Kulturwissenschaften zusammengefunden haben.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.09.2004

Irgendwie kalt
Dreizehn Antworten und eine Frage: Was sind Kulturwissenschaften?
Was sind Kulturwissenschaften? Dreizehn Antworten auf diese Frage bietet ein Sammelband, der aus einer Vorlesungsreihe an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) hervorging. Mit Blick auf die vor einem Jahrzehnt erfolgte Einrichtung der Kulturwissenschaftlichen Fakultät formuliert der Sozialphilosoph Dariusz Aleksandrowicz das Rezept: „Man nehme 6/18 Geschichtswissenschaft, 3/18 Sprachwissenschaft, 1/18 Politikwissenschaft usw., bringe sie in einer Fakultät unter und man bekommt die Kulturwissenschaft (falls man die Fakultät dementsprechend benennt).” Im Gründungsboom kulturwissenschaftlicher Studiengänge Anfang der Neunziger wurde diese Spezialität in unterschiedlichen regionalen Varianten aufgetischt, und nicht nur die Frankfurter Wissenschaftler stehen nun vor der Aufgabe, sich einer Identität zu vergewissern, die auf institutioneller Ebene zunächst von Gründungskommissionen und der Wissenschaftsbürokratie gestiftet wurde.
Wissenschaftsgeschichtlich, so die Autoren, sind die Kulturwissenschaften die Antwort auf die Krise der Geisteswissenschaften, in deren Folge die Fachgrenzen der einzelnen Disziplinen zunehmend durchlässiger wurden. Entsprechend definiert man Kulturwissenschaften nicht als eine „einheitliche neue Disziplin, die verbindlich definiert werden könnte”, sondern als „offene Verflechtung von Wissenschaften, die sich zusammengefunden haben, um neue Phänomene der Kultur zu untersuchen, die mit den alten Disziplingrenzen nur schwer zu erfassen wären”. Konsequenterweise behandeln außer zwei programmatischen Beiträgen alle Aufsätze die Neuausrichtung des jeweils eigenen Faches nach dem „cultural turn”. Stürmisch verlief diese im Fall der Ethnologie als kulturwissenschaflicher Leitdisziplin, deren Rekonzeptualisierung der Kulturanthropologe Werner Schiffauer nachzeichnet. Den Historiker Karl Schlögel, der „Raum” und „Räumlichkeit” als einen neuen möglichen „Angelpunkt” für die divergierenden Einzeldisziplinen ins Gespräch bringt, lässt demgegenüber „die Frage nach den Kulturwissenschaften an und für sich irgendwie kalt”. In der Vielfalt der Forschungsperspektiven ist der besprochene Band indes selbst das beste Plädoyer für die von Gangolf Hübinger nicht nur für die Kultur- und Sozialgeschichte betonten „Chancen neuer Kooperation” unter dem neu geschaffenen Dach der Kulturwissenschaften.
SONJA ASAL
HEINZ DIETER KITTSTEINER (Hrsg.): Was sind Kulturwissenschaften? 13 Antworten. Wilhelm Fink Verlag, München 2004. 300 S., 27,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Kulturwissenschaften, Anfang der 90er Jahre von den Kultusministerien an verschiedenen Universitäten in unterschiedlicher Ausprägung ins Leben gerufen, sind die Antwort auf die Krise der Geisteswissenschaften, formuliert Rezensentin Sonja Asal ihre neu gewonnene Einsicht in die kurze Wissenschaftsgeschichte dieser Multi-Disziplin. Folglich, erläutert Asal weiter, könne man die Kulturwissenschaften nicht als genau definierte, einheitliche Disziplin beschreiben, sondern als ein Konglomerat von Wissenschaften - dazu gehören in jedem Fall die Geschichts-, Politik- und die Sprachwissenschaft -, die kooperierten, um Phänomene der Kultur zu erforschen, die mit den alten Disziplinen schwer ergründbar seien. Die beste Werbung für das Anliegen der Kulturwissenschaften, stellt Asal fest, machten die Einzeldisziplinen immer noch für sich selber; so zeichne beispielsweise Werner Schiffauer für die Ethnologie ihre "Rekonzeptualisierung als kulturwissenschaftliche Leitdisziplin" nach dem "cultural turn" nach; der Historiker Karl Schlögel bringe die Kategorien "Raum" und "Räumlichkeit" als Ansatzpunkt für verschiedene Disziplinen ins Gespräch. Die Vielfalt der Forschungsperspektiven der Kulturwissenschaften ist groß, da ist sich Asal nach diesen dreizehn überzeugenden Antworten sicher.

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