Marktplatzangebote
5 Angebote ab € 15,49 €
Produktdetails
  • Verlag: Degener
  • Seitenzahl: 12
  • ISBN-13: 9783768651899
  • ISBN-10: 3768651894
  • Artikelnr.: 13166856
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Martin Thoemmes hätt's nicht geglaubt, aber so kam's: Die Rekonstruktion des Stammbaums der Dichterfamilie Mann stellte sich als überaus anregende, wissensreiche und sogar berührende Lektüre heraus. Mit diesem Buch könne man die Buddenbrooks noch mal ganz neu lesen, schließlich habe auch Thomas Mann beim Verfassen die Familienchroniken konsultiert. Bei Michael Stübbe, so Thoemmes, findet man die Figuren dann mit Kurzbiografien wieder. Nebenbei widerlege er die Mär, "die Manns stammten einem Nürnberger Geschlecht ab" - sie hatten übrigens selber daran geglaubt. Fazit: keine "Faktenhuberei", sondern der Beleg, "dass professionelle Familienforschung über sich hinauszuweisen vermag".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2004

Trocken hält länger
Etikettenschwindelig: Zwei neue Bücher über die Familie Mann

Adolf Hitler und sein damals sprachmächtigster intellektueller Gegenspieler, der emigrierte Schriftsteller Thomas Mann, erfahren seit einigen Jahren eine Hochkonjunktur. Seit Heinrich Breloers Fernseh-Vierteiler über die Familie Mann mit Begleitbuch und Guido Knoops schwülstig-glatten NS-Dokumentationen mit fiktionalen Einsprengseln, die schließlich in die Serie "Hitlers Frauen", ebenfalls mit einem Begleitband, mündeten - wurden beide zeitgleich zu richtigen Medienlieblingen.

Und es liegt ja auch eine unheimliche Parallelität vor, die schon Thomas Mann in seinem häufig mißverstandenen Essay "Bruder Hitler" erkannte. Dort begriff er den von ihm gehaßten Hitler als gescheiterten Künstlerkollegen. Während dieser vom Versager zum Massenmörder geriet, wurde aus dem traumatisierten Schulversager Thomas Mann einer der größten Romanciers deutscher Sprache im zwanzigsten Jahrhundert. Und denkwürdig bleibt, daß beinahe zeitgleich Traudl Junge, die Sekretärin Hitlers, und Elisabeth Mann-Borgese, die jüngste Tochter Thomas Manns, starben, nachdem sie ihre Geschichte dem Medium des Films vermächtnishaft anvertraut hatten.

Nun erschienen aber "Die Frauen der Familie Mann". Dies Buch Hildegard Möllers ist schon aus einem einzigen Grund bemerkenswert: Der Leser grübelt während der ganzen Lektüre über den völlig rätselhaften Buchtitel. Denn den drei Thomas-Mann-Söhnen wird fast ebensoviel Aufmerksamkeit geschenkt wie den drei Töchtern; Thomas Mann selbst sogar noch mehr als seiner Frau Katia. Die Frauen werden also kaum besonders hervorgehoben.

Wenn aber über die Mutter Thomas Manns, über seine Schwestern und Heinrich Manns Frauen jeweils nur einige belanglose Zeilen geschrieben werden, dann erstaunt der Fachmann, und der Laie wundert sich. Im Jargon der Werbung formuliert: Wo "Die Frauen der Familie Mann" draufsteht, möchte der Leser auch die Frauen der Familie Mann drinhaben, sonst wird ihm ganz etikettenschwindelig. Um nur ein für die Autorin offensichtlich ganz abwegiges Beispiel zu nennen: Über die zweite Frau Heinrich Manns, Nelly, könnte man ein ganzes Buch schreiben. Heinrich Mann hat dies mit dem Roman "Ein ernstes Leben" versucht, desgleichen Joachim Seyppel mit seiner 1975 in der DDR erschienenen Montage "Abschied von Europa". Hier nun kein Wort davon, daß sie beispielsweise 1933 Heinrich Manns Flucht organisierte und ihn später buchstäblich eigenhändig über die Pyrenäen trug. Statt dessen wird wieder einmal kolportiert, daß Thomas Mann sie für "eine schreckliche Trulle" hielt. Den reizbaren und auf nervliche Schonung angewiesenen Schriftsteller mögen Nellys betrunkene und die Konvention sprengende Auftritte belastet haben - einer Familienbiographin steht es aber mitnichten zu, solche spontanen Äußerungen als die ganze Wahrheit über eine Person zu nehmen!

So stoßen wir auf eine weitere Schwäche des Buches: Es wertet allzu biedersinnig nur aus der Perspektive Thomas und Katia Manns. Und kaum erfahren wir mehr als das, was woanders schon gründlicher recherchiert und schöner beschrieben wurde, sei es aus der biographischen oder autobiographischen Literatur. Doch immerhin ist Hildegard Möllers Buch munter zu lesen, allerdings nicht ganz frei von kleinen Banalitäten: "Nach der Rückkehr aus dem Urlaub am 18. Oktober war zu Hause wieder allerlei los." Dieser Satz inspiriert zu einem neuen Titelvorschlag. Statt "Die Frauen der Familie Mann" hätte das Buch besser heißen sollen "Was der Familie von Thomas Mann so alles passiert ist". Aber auch unter diesem Titel müßte man traurig konstatieren, daß die Möllersche Schilderung eines achtköpfigen Familienunternehmens, in dem neben Tragik und Schmerz sowohl freiwillige wie unfreiwillige Komik durchgehend herrschten, humorfrei bleibt.

In sachlicher Hinsicht können wir einzig den siebenseitigen Epilog hervorheben, der hauptsächlich um "den besonders gelungenen Lebensentwurf" Elisabeth Mann-Borgeses kreist. Doch macht sie es jeder Darstellung auch am leichtesten, da sie die letzte Überlebende der Familie war und zumal in Breloers Film ausgiebig zu Wort kam. Aber Hildegard Möllers Buch springt zu spät auf einen fahrenden Zug - siehe oben - und verunglückt mithin schwer. Ob dies nur der Autorin oder auch einer in diesem Falle zu populistischen Verlagspolitik zu verdanken ist, sei dahingestellt.

Verspricht Möllers Titel mehr, als er hält, so liegen die Dinge bei einer ganz anderen Neuerscheinung zur Familie Mann umgekehrt: Die Lektüre von Michael Stübbes "Die Manns. Genealogie einer deutschen Schriftstellerfamilie" verspricht staubtrocken zu werden und berührt dann merkwürdig tief. Dies ist ja auch nicht verwunderlich, machte Thomas Mann doch beim Verfassen seiner "Buddenbrooks" ausgiebig von erhaltenen Familienchroniken und mündlichen Erzählungen Gebrauch. Gerade in jenem Roman machte der Autor von einem Prinzip Gebrauch, das wir sehr frei nach Goethe nennen können: Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um daraus einen Roman zu schreiben. Es ist also keineswegs sinnlose Faktenhuberei, wenn Stübbe jeder nur möglichen Verästelung der mecklenburgischen Namensträger nachgeht und übrigens die in der Familie genährte und auch schon veröffentlichte Legende zurückweist, die Manns stammten einem Nürnberger Geschlecht ab.

Vom ersten nachweisbaren Vorfahren, dem 1611 geborenen Kaufmann Johann Mourer Mann zu Parchim bis zu heute noch ganz jungen Enkeln Fridolin Manns, der im "Doktor Faustus" als Vorbild für den früh dahingerafften "Echo" stand, sind alle verfügbaren Vor- und Nachfahren Thomas und Heinrich Manns nicht nur aufgelistet, sondern auch, soweit irgend möglich, mit präzisen Kurzbiographien geschildert - auch die angeheirateten Frauen beziehungsweise Männer. Und wenn die Quellen schweigen, wird dies akribisch verzeichnet. Stübbe zitiert immer dann die "Buddenbrooks", wenn dort ein Vorfahre literarisch traktiert wird, und lädt damit zum Lesen des Werks ein. Dies beglückt schon deswegen, weil es zeigt, daß professionelle Familienforschung über sich hinauszuverweisen vermag. Es ist absehbar, daß, wenn hinkünftig über Thomas und Heinrich Mann lebensgeschichtlich geforscht wird, nur noch vom "Stübbe" als Standardwerk die Rede sein wird. Thomas hätte es wohl als "buchenswert" bezeichnet.

MARTIN THOEMMES.

Hildegard Möller: "Die Frauen der Familie Mann". Piper Verlag, München Zürich 2004. 419 S., Abb., geb., 19,80 [Euro].

Michael Stübbe: "Die Manns". Genealogie einer deutschen Schriftstellerfamilie. Verlag Degener & Co., Neustadt/Aisch, 2004. 112 S., Abb., br., 14,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr