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Operetten gelten als muffig und spießig. Ein Irrtum, sagt Volker Klotz, denn diese "unerhörte" musikdramatische Kunst birgt bei aller Ironie ein utopisches Potenzial, das spielerisch die Welt aus den Angeln heben möchte. Ihre Rehabilitation ist das Ziel dieses viel gerühmten Buches, das nun erweitert, aktualisiert und besser ausgestattet vorliegt. Im ersten Teil, dem Porträt der Gattung "Operette", zeigt Volker Klotz mit Witz und schlagenden Beispielen die durchgängigen Eigenschaften dieser Kunstform, ihre Abgründe und ihre subversive Sprengkraft auf. Dabei wird deutlich, warum berühmte…mehr

Produktbeschreibung
Operetten gelten als muffig und spießig. Ein Irrtum, sagt Volker Klotz, denn diese "unerhörte" musikdramatische Kunst birgt bei aller Ironie ein utopisches Potenzial, das spielerisch die Welt aus den Angeln heben möchte. Ihre Rehabilitation ist das Ziel dieses viel gerühmten Buches, das nun erweitert, aktualisiert und besser ausgestattet vorliegt. Im ersten Teil, dem Porträt der Gattung "Operette", zeigt Volker Klotz mit Witz und schlagenden Beispielen die durchgängigen Eigenschaften dieser Kunstform, ihre Abgründe und ihre subversive Sprengkraft auf. Dabei wird deutlich, warum berühmte Regisseure wie Max Reinhardt die Operette so ernst nehmen konnten wie Shakespeare-Tragödien. Im zweiten, gegenüber der Erstausgabe um 10 Komponisten und 21 Werke erweiterten handbuchartigen Teil stellt Volker Klotz 123 spielenswerte europäische Operetten vor: als Ergänzung und Korrektur zu den eingefahrenen Theaterplänen. Dieser brillant geschriebene "Gegenspielplan" von Paul Abraham bis Carl Zeller - der auch die spanische Schwestergattung Zarzuela intensiv behandelt - stellt eine informationsreiche und angriffslustige Alternative zu allen herkömmlichen Operettenführern.
Autorenporträt
Volker Klotz, Professor für Literaturwissenschaft an der Universität Stuttgart, lehrte zudem an verschiedenen europäischen und außereuropäischen Universitäten. Weitere Tätigkeiten als Theaterkritiker, Dramaturg, Regisseur. Klotz hat international anerkannte Standardwerke geschrieben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2004

Nun schnaubt mal nicht so verächtlich
Volker Klotz' unverzichtbares Operetten-Buch in stark erweiterter Auflage / Von Gerhard Rohde

Immer wieder: "Fledermaus" und "Zigeunerbaron", "Lustige Witwe" und "Land des Lächelns", "Csárdásfürstin" und "Gräfin Mariza", eine Prise Offenbach bei "Orpheus in der Unterwelt", mit der "Schönen Helena" im "Pariser Leben", wo dann vielleicht noch eine "Zirkusprinzessin" auftaucht, falls diese es nicht vorzieht, im "Weißen Rössl am Wolfgangsee" zu logieren. Die Operetten-Spielpläne unserer Musikbühnen, wobei wir vor allem die deutschsprachigen im Blick haben, strotzen vor Monotonie. Ein Dutzend populärer Werke der heiteren Muse rotiert unablässig durch sechs und mehr Dutzend Opernhäuser, die mit der Operette nur einen Zweck verfolgen: Publikum anzulocken, damit die Kasse stimmt, aus der man dann etwas für die "hohe" und defizitäre Musiksparte namens Oper entnehmen kann.

Ein Pauschalurteil? Natürlich stehen die genannten Operetten immer wieder auf den Spielplänen von Theatern und Festivals. Doch konstatiert man in letzter Zeit bemerkenswerte Veränderungen: Die Wiener Volksoper, der Hort der Wiener Operette, entdeckt plötzlich die "Operetten Europas", spielt neben Millöckers "Bettelstudenten" und Kálmáns "Gräfin Mariza" als zwei Beispielen aus den österreichisch-ungarischen Operettenlanden auch "Die Piraten von Penzance" von Gilbert & Sullivan aus Großbritannien und aus Italien Mascagnis Operettenversuch "Si" ("Ja!"). In Kiel und Köln erlebte man, ein wie qualitätvoll komponiertes und ironisch pointiertes Operettenwerk Künnekes "Lady Hamilton" ist, und daß auch dieses Komponisten "historisches Singspiel" von der "Liselott" (aus der Pfalz) äußerst intelligent und inspiriert verfaßt ist, war in Heidelberg zu erfahren. Nimmt man noch zwei Wiederentdeckungen beim Operettenfestival in der Lehár-Stadt Bad Ischl hinzu: Leo Falls "Madame Pompadour" und Oscar Straus' "Die Perlen der Cleopatra" - zwei ungemein witzige, anspielungsreiche Operetten im Komödienformat - dann zeigt schon diese knappe "Fallsammlung", daß der oben aufgeführten Operettenprominenz Konkurrenz erwachsen ist.

Bei der Premiere von Kálmáns "Die Bajadere" - auch wenig bis kaum gespielt - am Theater in Erfurt, erschien beim Schlußapplaus der Mann auf der Bühne, der wohl am meisten dazu beigetragen hat, daß die Operette wieder zu einem ernstzunehmenden "Gegenstand" auf dem musikalischen Theater und in der Diskussion darüber geworden ist: Volker Klotz, fünfundzwanzig Jahre lang Ordinarius für Neuere deutsche Literatur an der Universität Stuttgart, offenbarte schon hierbei sein Faible für das "Komische" in der Gattung: Nestroy, Niebergall und: Offenbach hießen die "Stars", und so war es nur ein kleiner Schritt zur Operette. Volker Klotz betätigte sich ihr gegenüber als Liebhaber, Neugieriger, Sammler und schließlich als exakt Forschender, der alle Operettenlandschaften, in Deutschland, Österreich-Ungarn, Frankreich, England und Spanien bereiste. Das Ergebnis: Ein kräftigleibiges Kompendium zum Thema Operette, den Praktikern an den Theatern, den Regisseuren, Dramaturgen, Dirigenten, Sängern, Schauspielern und Musikern gewidmet, denen die Aufgabe zufällt, jene "unerhörte Kunst" zu erhören und zu entfesseln.

Klotz' Operettenbuch erschien 1991, entfachte schnell Begeisterung und Zustimmung nicht nur bei den Widmungsträgern, sondern auch bei einem breiteren Publikum, das sich nicht durch das verächtlich-hochnäsige Schnauben sogenannter Intellektueller hatte verwirren lassen, sondern mit dem Autor die Ernsthaftigkeit dem Gegenstand gegenüber teilte. Jetzt legt der Bärenreiter Verlag Kassel eine erweiterte und überarbeitete Neuausgabe 2004 des Operettenführers vor, wobei man den Begriff eines "Führers" sofort wieder vergessen muß. Klotz' Operetten-Buch ist eher eine Art Confessio, eine Liebeserklärung an die Gattung, deren Geschichte und Bedeutung, an jedes einzelne der vielen hundert Operettenkinder aus vielen Ländern, auch wenn sich letztere im einzelnen oft auch Kritik gefallen lassen müssen, wenn sie allzu harmlos und banal-konfektionär daherkommen. Daß der Autor dabei sogar Kálmáns "Csárdásfürstin", was die "Geschichte" angeht, eher reserviert gegenübersteht, überrascht allerdings: durch die Musik zieht sich latent fast überall eine leise Melancholie, ein Abschiedstonfall: Eine alte, schöne Zeit geht zu Ende, nach dem großen Krieg wird nichts mehr so sein, wie es einmal war. In der Figur des Roué Feri Bácsi konzentriert sich diese Stimmung, sie ist gleichsam der Träger der Atmosphäre.

Das vielleicht Spannendste am "Klotz", wie man das Buch in Operettenkreisen der Einfachheit halber nennen sollte, ist: daß man dem Verfasser immer wieder bei einzelnen Stücktiteln und Gattungsbeschreibungen widersprechen möchte - siehe "Csárdásfürstin". Klotz begeistert sich gern spontan für alles, was da heißt: Ironie, Selbstpersiflage, satirisch-aggressive Lust, anarchische Widerständigkeit. Wenn in einem Werk feststehende Ordnungen, bürgerlich-spießige, feudal-vertrottelte, zu flotter Musik hopp genommen werden, dann ist schon fast die ganze Miete gesichert. Da Klotz aber stets anschaulich, gewandt, witzig, sprachmächtig zu formulieren versteht, ärgert man sich nie. Klotz erwähnt als Vorbilder für sein Operettenbuch Ulrich Schreibers "Opernführer für Fortgeschrittene" und die bei Piper erschienene Enzyklopädie des Musiktheaters. Man könnte auch noch Georg Hensels brillant, anschaulich, sehr subjektiv und trotzdem sachlich präzisen Schauspielführer nennen, um für die Machart eine Anschauung vom "Klotz" zu vermitteln.

Für diejenigen, die schon die erste Auflage des Operettenbuches besitzen, mögen hier noch einige der Titel genannt sein, die neu in den Band aufgenommen wurden: Richard Genées "Nanon" (1877), Rudolf Dellingers "Don Cesar" (1885), Bruno Granichstaedtens "Der Orlow" (1925), aus Frankreich Edmond Audrans "Gilette de Narbonne" (1882) und "La "Poupée" (1896). Ferner der für Pariser Theater komponierende Kubaner Moise Simons mit "Toi c'est moi" (1934), der Kroate Srecko Albini mit "Baron Trenck (1908) und der Spanier Fernando Diaz Giles mit "El cantar del arriero" (Der Gesang vom Fuhrmann, 1930).

Erst ganz zum Schluß, aber immerhin, weist Klotz auf ein Problem hin, das viele Operetten belastet: Manche Textbücher, oft routiniert für den damaligen Tag gefertigt, vermögen ihre Inhalte, die Anspielungen und kritischen Seitenhiebe, nur noch schwer an den heutigen Besucher zu vermitteln, ein Problem, das sogar viele Werke Offenbachs belastet. Volker Klotz hat deshalb selbst auch schon Rettungsversuche unternommen, zum Beispiel bei Leo Falls "Dollarprinzessin". In seine Kompetenz fällt also auch der Textdichter und Dramaturg. Volker Klotz ist für die Operette unverzichtbar.

Volker Klotz: "Operette". Porträt und Handbuch einer unerhörten Kunst. Erweiterte und aktualisierte Auflage. Bärenreiter Verlag, Kassel 2004. 869 S., Farb- u. S/W-Abb., Notenbeispiele, geb., 64,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Beinahe im Alleingang hat der Literaturwissenschaftler Volker Klotz mit seinem 1991 erstmals erschienenem Handbuch über die Operette den Gegenstand in den Rang des Seriösen erhoben, meint Gerhard Rohde. Am in letzter Zeit zu beobachtenden Stimmungswandel hat er seinen Anteil: Nun werden auch in Kontinentaleuropa die Operetten von Gilbert & Sullivan gespielt, unbekanntere Komponisten oder jedenfalls selten gespielte Werke bekannter Komponisten ins Repertoire genommen. Und Klotz selbst erweitert in der neuen Ausgabe seiner "Liebeserklärung an die Gattung" noch einmal seinen Horizont. Man liest das, so der Rezensent, mit großem Vergnügen, selbst da, wo man nicht zustimmt. Und ein grundsätzliches Problem sieht Rohde darin, dass Klotz allzu rasch entflammt ist für "Ironie, Selbstpersiflage, satirisch-aggressive Lust, anarchische Widerständigkeit". Aber das ist ein kleiner Kritikpunkt in einer begeisterten Besprechung.

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