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Wiederentdeckung einer populären Autorin der Moderne Drei kleine Kinder, ein biederer Ehemann und einige pflegebedürftige Zimmerpalmen bestimmen Tuskas wenig glamourösen Warschauer Alltag. Ein Kuraufenthalt in der Hohen Tatra verspricht da Abwechslung ... Mit ihrem Roman über die Irrungen und Wirrungen des sommerlichen Klimawechsels gelang Gabriela Zapolska "ein entschlossenes Bekenntnis zur Avantgarde" (Hannelore Schlaffer). Die Vorzeichen für einen erholsamen Urlaub in Zakopane stehen zunächst alles andere als günstig. Tuska Zebrowskas spärliches Budget reicht nur für ein Zimmer in einer…mehr

Produktbeschreibung
Wiederentdeckung einer populären Autorin der Moderne
Drei kleine Kinder, ein biederer Ehemann und einige pflegebedürftige Zimmerpalmen bestimmen Tuskas wenig glamourösen Warschauer Alltag. Ein Kuraufenthalt in der Hohen Tatra verspricht da Abwechslung ... Mit ihrem Roman über die Irrungen und Wirrungen des sommerlichen Klimawechsels gelang Gabriela Zapolska "ein entschlossenes Bekenntnis zur Avantgarde" (Hannelore Schlaffer).
Die Vorzeichen für einen erholsamen Urlaub in Zakopane stehen zunächst alles andere als günstig. Tuska Zebrowskas spärliches Budget reicht nur für ein Zimmer in einer einfachen Bauernhütte, und der Nachbar dort scheint eine Zumutung: ein nassforscher Schauspieler, der ihrer Tochter Geschenke macht und fragwürdige Post von Damen erhält. Doch schneller als gedacht schmilzt das Eis zwischen der attraktiven Dreißigerin und dem Gebirgs-Casanova Porzycki. Ausflüge in die betörend sinnenfrohe Natur und die legeren Umgangsformen von Künstlern und Einheimischen tun ein übriges, die Grundfesten von Tuskas gewohnter Lebensführung zu erschüttern. Sie verfällt Porzycki, und unversehens wandelt sich die unbeschwerte Liebelei in ein Familiendrama.
Ebenso unterhaltsam wie schonungslos übt Gabriela Zapolska (1857 1921) Kritik an bürgerlichen Moral- und Wertvorstellungen ihrer Zeit. Dabei gilt ihr Augenmerk vor allem den weiblichen Figuren, die psychologisch durchleuchtet und ohne falsche Beschönigungen skizziert werden. Die erste vollständige Übersetzung ins Deutsche lädt ein, das Werk der skandalumwitterten polnischen Autorin neu zu entdecken.
Autorenporträt
Gabriela Zapolska (1857-1921), eigentlich Maria Korwin-Piotrowska, stammte aus polnischem Landadel. Ihr Beruf als Schauspielerin, ein uneheliches Kind, zwei Scheidungen und das Gesellschaftskritische ihrer Literatur trugen ihr den Ruf einer der skandalumwittertsten Autorinnen ihrer Zeit ein. Sie schrieb siebzehn Romane und sechs Theaterstücke.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.12.2008

Im Reformkleidchen
Gabriela Zapolska zieht es zur Hohen Tatra

Siebenhundert Seiten für eine Geschichte, die sich in wenigen Sätzen zusammenfassen ließe: Verheiratete Kleinbürgerin aus der Großstadt reist samt zehnjähriger Tochter in entlegenen Luftkurort, wo sie sich in einen Schauspieler und Libertin verliebt. Gegen die Absprache folgt ihr der Ehemann, der den Ferienaufenthalt seiner Frau durch mühsame Plackerei daheim zunächst finanziert hatte. Auch wenn er die befreiten Sitten in dieser dem Alltag entrückten Welt zunächst nicht ganz begreift, durchlebt er schließlich, wie seine Frau auch, eine Art Wandlung. Die aufkeimende Liebe zwischen der Ehefrau und dem Schauspieler bleibt aus wenig dramatischen Gründen unerfüllt, und am Ende ist - rein äußerlich - alles beim Alten: die Städter fahren zurück, der Schauspieler weiter zum nächsten Engagement. Es gilt aber für die Lektüre dieses so ereignisarmen Romans von 1905 eine Ermahnung, die seine Autorin Gabriela Zapolska selbst hineingeschrieben hat: "Es gibt keine teuflischere Pein, als wenn ein Dummer sich langweilt. Der knabbert dann an seiner eigenen Seele wie ein Backfisch an den Fingernägeln, und häufig blutet es sogar." Langeweile - so die Lektion, die Zapolska erteilt - ist eine beklagenswerte Zivilisationskrankheit zerstreuungssüchtiger Großstädter.

Wer sich heute auf das Tempo dieser polnischen Fin-de-Siècle-Autorin einlässt und in das gemächliche Leben ihrer Kurgesellschaft eintaucht, wird mit einem Lesevergnügen ersten Ranges belohnt. Zapolskas "Sommerliebe" ist selbst ein Rückzugsort, ein Buch, in das man sich für die Lektürezeit eines zweiwöchigen Urlaubs verlieben kann. In Zakopane, wo der Roman seinen Lauf nimmt, glaubt man sich vom Leiden Langeweile jedenfalls gänzlich befreit zu haben. Dieser Kurort am Fuße der Hohen Tatra war vor hundert Jahren ein Mekka der Lebensreformer. Wie in Monte Verità oder Worpswede versprach ein Leben im Einklang mit der Natur nicht nur den Patienten des örtlichen Tuberkulosesanatoriums die Geburt des neuen Menschen. "Ohne Herzbeklemmung und ohne tief Luft holen zu müssen", glauben sich Zapolskas Romanfiguren aus dem "stinkenden Atem der Städte" befreit zu haben, auch wenn gelegentliche Rückschläge nicht ganz zu vermeiden sind: Als die Neuankömmlinge in Zakopane an einem Theaterplakat vorbeischlendern, "kichert in ihnen noch der städtische Vampir".

Schauspielerei hat in der lebensreformerischen Ode auf das Unverstellte naturgemäß einen schlechten Stand, und so muss dem jugendlichen Verführer im Roman schon aufgrund seines Brotberufs ein gewisses Misstrauen entgegenschlagen. Die 1857 im galizischen Podhajce geborene Gabriela Zapolska weiß dabei genau, wovon sie spricht: Verheiratet, fremdgegangen, geschwängert und aus den Fängen ihrer adligen Familie geflohen, hatte sie sich selbst als Feuilletonistin, Theaterkritikerin - und eben auch als Schauspielerin - durchgeschlagen. Als sie 1889 in Paris und dort in einem freigeistigen Künstlermilieu gelandet war, wurde Zapolska zugleich Zeugin einer Urszene der feministischen Bewegung: In der Salpêtrière wohnte sie den Vorführungen bei, die der Nervenarzt Jean-Martin Charcot mit sogenannten Hysterikerinnen veranstaltete. Zapolska berichtete für eine Warschauer Zeitung von dem spektakulären Konvulsionstheater, das kurz zuvor den jungen Sigmund Freud in seinen Bann geschlagen hatte. Noch ihren späteren Romanen und Theaterstücken ist abzulesen, wie kritisch die Autorin diese Marionettenspielerei von männlichen Göttern in weißen Kitteln beäugt haben mag.

Küche, Mädchenpensionat und Salon - die emanzipierte Zapolska nahm mit Vorliebe jene Orte unter die kritische Lupe, an denen die Unterdrückung der Frau eine etablierte Bühne fand. Auch in "Sommerliebe" scheitert der Schauspieler Porzycki: Er will die zugereiste Tuska und ihre Tochter Pita aus "hölzernen Kleiderpuppen" in lebendige Wesen verwandeln und führt sich dabei auf wie ein dreister Möchtegern-Pygmalion. Zugleich prägt das Theaterhafte ganz wesentlich Zapolskas Schreiben selbst. Die Autorin wurde gelegentlich als polnischer Balzac tituliert und doch im selben Atemzug dafür gescholten, dass ihre Figuren nicht an die Lebendigkeit und psychologische Tiefe des großen literarischen Vorbildes heranreichten.

Tatsächlich bezieht sich Zapolskas Roman "Der menschliche Zoo" von 1893 bereits im Titel recht unverblümt auf die Comédie Humaine. Gerade dieses Buch zeigt aber, dass die zuweilen statischen Charakterzeichnungen der Autorin nicht als literarisches Manko, sondern als poetologisches Konzept zu verstehen sind: In zwölf Bildern entwirft der Roman die Porträts ebenso vieler Figuren, die allesamt nach ihrer Ähnlichkeit mit bestimmten Tieren gezeichnet werden: das Fröschchen, das Kätzchen, der Sündenbock, der Affe, der Papagei und so weiter. In ihrer strengen Handhabe charakterologischer Kategorien ist Zapolska hier nicht weit von Charcot, dem Nervenarzt und Bildersammler, entfernt, der noch der letzten Zuckung des weiblichen Körpers einen bestimmten hysterischen Typus zuordnen wollte. Gerade das Schematische und Unpsychologische macht schließlich Zapolskas "Sommerliebe" aus: Es geht der Autorin darin keineswegs um das richtige Leben im falschen. Es geht ihr auch nicht um die sogenannte Seele, die die Kurort-Schwärmer in einen Einklang mit der Natur bringen wollen. Und am wenigsten glaubt Zapolska an die knorrigen Góralen, jene Ureinwohner der Hohen Tatra, die der Zakopaner Gesellschaft als letzte Instanz des guten Lebens gelten.

Gabriela Zapolskas Roman handelt von Mode: von einer letztlich operettenhaften Inszenierung namens Lebensreform, die sich einen bestimmten Ernährungs- und Bekleidungsstil zugelegt hatte, um den Unerträglichkeiten der industrialisierten Städte zu entfliehen. Läppisch oder folgenlos, das zeigte sich spätestens achtundsechzig, war diese Mode keineswegs. Und für Polen sogar höchst bedeutsam: Der Zakopane-Stil - eine auf die Volkskunst der Tatra anspielende Variante des Jugendstils - war eine treibende ästhetische Kraft bei der Ausbildung eines Nationalbewusstseins, das in der Unabhängigkeit im Jahr 1918 zur Erfüllung kam. Insofern flattert in Zakopane, das 1905 noch unter habsburgischer Herrschaft steht, schon durch das unverdächtigste Reformkleidchen der Wind der großen nationalen Auferstehung.

STEFANIE PETER

Gabriela Zapolska: "Sommerliebe". Roman. Aus dem Polnischen übersetzt von Karin Wolff, Nachwort von Hannelore Schlaffer. Manesse Verlag, Zürich/München 2008. 720 S., geb., 24,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Stefanie Peter kann die 700 Seiten des Romans in ein paar Sätzen zusammenfassen. Dass nicht allzu viel passiert in Gabriela Zapolskas Fin-de-Siecle-Kurgeschichte, heißt allerdings noch lange nicht, dass die Rezensentin eingeschlafen ist beim Lesen. Vielmehr hat sie sich eingelassen auf das vorgegebene Downtempo und sich in die Hohe Tatra imaginiert. Wenn es ihr dort ganz gut gefallen hat, so liegt das am "Schematischen und Unpsychologischen" dieser Geschichte über schauspielernde Kurschatten auf Seelensuche. Lebensreform a la Zakopane (so der Ort der Handlung), operettenhaft inszeniert, doch mit kritischem Sinn für die gesellschaftlichen und politischen Strömungen der Zeit. So resümieren wir Peters Fazit.

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