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Nach über 50 Jahren hat die Nichte de Gaulles aufgezeichnet, was sie in ihrer viermonatigen Isolationshaft im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück erlebt hat. Als Mitglied der Resistance wurde sie im Jahr 1944 deportiert. Bis zu ihrer Freilassung im Februar 1945 lebte sie ausgeschlossen unter Ausgeschlossenen in einer dunklen Zelle gegenüber dem Krematorium. Ihr erschütternder Bericht ist ein zeitloses Zeugnis der Unmenschlichkeit.

Produktbeschreibung
Nach über 50 Jahren hat die Nichte de Gaulles aufgezeichnet, was sie in ihrer viermonatigen Isolationshaft im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück erlebt hat. Als Mitglied der Resistance wurde sie im Jahr 1944 deportiert. Bis zu ihrer Freilassung im Februar 1945 lebte sie ausgeschlossen unter Ausgeschlossenen in einer dunklen Zelle gegenüber dem Krematorium. Ihr erschütternder Bericht ist ein zeitloses Zeugnis der Unmenschlichkeit.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.01.2000

Die Schergen geben sich schockiert
Geneviève de Gaulles Bericht aus Ravensbrück: „Durch die Nacht”
Primo Levi, Imre Kertész und Ruth Klüger – drei herausragende Namen, die für eine Vielzahl anderer stehen – haben das Überleben im KZ und ihr Weiterleben in der sogenannten Freiheit beschrieben. Doch wäre es schwierig, im Grunde sogar unmöglich, Parallelen zwischen Schicksalen zu ziehen, die auf unvergleichbaren Voraussetzungen basieren. Mit Theodor Haeckers 1933 im gleichnamigen Buch gestellter Frage Was ist der Mensch? konfrontiert Primo Levi 1958 die Frage Ist das ein Mensch? Die Berichte der Geretteten sind nicht nur aus der Verpflichtung gegenüber den Untergegangenen konzipiert worden; sie müssten auch ein Vademecum für die Nachgeborenen sein. Wenn Kertész seinen erstmals 1988 erschienenen Roman Fiasko als eine „Antwort auf die Welt” bezeichnet, begreift er auch deren Widersprüche; er ist dem Hass begegnet, aber auch der Humanität. Wer durch die Hölle gegangen ist, hat eine Höhere Schule des Umgangs mit Menschen absolviert.
So erinnern die Tag- und Nachtbücher der KZ-Literatur an Werte und Tugenden und damit an Wörter, die obsolet geworden sind. Die Anklage verwandelt sich in ein Memento; das Gedächtnisprotokoll, das zu rekonstruieren versucht, was vor mehr als einem halben Jahrhundert passiert ist, unterstreicht den Anspruch der Moralität.
Darum geht es auch bei Geneviève de Gaulle, die einen Bericht über ihre Erlebnisse in einem deutschen KZ veröffentlicht hat. Die Nichte des Generals, Mitglied der Résistance, ist am 20.  Juli 1943 verhaftet worden. Nach Monaten in französischen Gefängnissen wird sie Anfang 1944 in das Lager Ravensbrück deportiert; im Februar 1945 kommt sie frei. Geneviève de Gaulle ist in den folgenden Jahrzehnten auf dem humanitären Sektor in führenden Positionen tätig. Im Kabinett von André Malraux nimmt sie ein Jahr lang politische Aufgaben wahr.
Auf die rhetorische Frage, ob nach Jorge Semprun, Elie Wiesel und anderen Zeugen der Vernichtungslager „nicht schon alles gesagt” sei, liefert Geneviève de Gaulles Dokument den Gegenbeweis; ihr Buch nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als es der in Ravensbrück Inhaftierten möglich war, in einem Gespräch mit Funktionären der Lagerverwaltung auch schonungslose Kritik am Verhalten der Kommandantur zu üben. Geneviève de Gaulles Befragung findet im „Bunker” statt, wo die Gefangene eine Isolationshaft verbüßt. Doch was sie als Bedrohung und als Vorstufe der Hinrichtung empfindet, entpuppt sich als ein Privileg. Das Verhör ist wenige Monate vor Kriegsende angesetzt; die Schergen sorgen sich um ihre Zukunft. In ihrer Existenzangst zeigen sie sich scheinbar schockiert über die Details, die Geneviève de Gaulle in ihrer Beschreibung eines Verhaltens preis gibt, das sie als „die fortschreitende Zerstörung dessen” bezeichnet, „was einen Menschen ausmacht, seiner Würde, seiner Beziehung zu den Anderen, seiner elementaren Rechte”. Das Opfer sitzt über die Täter zu Gericht. Eine paradoxe Situation: „Das Ganze erscheint mir vollkommen unwirklich. ”
Die „sonderbare Beweisaufnahme”, die in Geneviève de Gaulles Zelle stattfindet, wird im Rückblick der 80-jährigen Autorin zur Traumsequenz. Dieses Lebenszeugnis zeichnet sich dadurch aus, dass es sich nicht auf die Einbahnstraße einer einzigen Realität, nämlich der Lagerwirklichkeit, beschränkt. Im Bunker wird Geneviève de Gaulle einer „Kette der Brüderlichkeit” gewahr; indem sie von den Kräften der Freundschaft zehrt und aus den Ressourcen des Glaubens schöpft, überlebt sie. Sie weiß, dass sie in ihrer Einsamkeit nicht allein ist. Träume aus den Kindheits- und Friedensjahren machen ihr bewusst, dass die Realität der Zelle nur eine von mehreren Wirklichkeiten ist. Edith Stein hat in einem Brief aus dem holländischen KZ Westerbork geschrieben, dass eine „Scientia Crucis” nur dann gewonnen werden kann, „wenn man das Kreuz gründlich zu spüren bekommt”. Aus dem Umfeld dieser Erfahrung stammt Geneviève de Gaulles Bericht.
HANSJÖRG GRAF
GENEVIÈVE DE GAULLE ANTHONIOZ: Durch die Nacht. Aus dem Französischen von Andrea Spingler. Arche Verlag, Zürich1999. 96 Seiten, 28 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Jürgen Ritte äußert sich sehr beeindurckt über diese Erinnerungen Geneviève de Gaulle Anthonioz` an das KZ von Ravensbrück, das durch seine grausamen medizinischen Experimente an Frauen in Erinnerung geblieben ist - die Nichte des Generals und Widerstandskämpferin wurde hier 1944 eingeliefert. Besonders die "Schlichtheit und Unmittelbarkeit" der Sprache hat den Rezensenten berührt. Der Glauben habe der Autorin geholfen zu überleben, ein Glauben, der aus allen Zeichen des Lebens - und seien es die Kakerlaken als Zellengenossen - Hoffnung zu beziehen wisse.

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