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Er galt in der Antike als Liebling der Götter. Seine Schönheit, seine Merkwürdigkeit seien kaum zu übertreffen, hieß es, und seine Stimme beschreibt Oppianos mit den Worten: "Kein Mensch kann einen Vogel nennen, der lieblicher sänge als ein Eisvogel."In Oberösterreich, Brandstetters Heimat, nennt man ihn nicht ohne Ironie Eisenkeil. Lange glaubte man ihn verschollen, wenn nicht gar ausgestorben, doch 1998, in dem Jahr, als Alois Brandstetter sechzig Jahre wurde und zugleich Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde Pichl, tauchte der Vogel seiner Kindheit dort plötzlich wieder auf. Ein willkommener…mehr

Produktbeschreibung
Er galt in der Antike als Liebling der Götter. Seine Schönheit, seine Merkwürdigkeit seien kaum zu übertreffen, hieß es, und seine Stimme beschreibt Oppianos mit den Worten: "Kein Mensch kann einen Vogel nennen, der lieblicher sänge als ein Eisvogel."In Oberösterreich, Brandstetters Heimat, nennt man ihn nicht ohne Ironie Eisenkeil. Lange glaubte man ihn verschollen, wenn nicht gar ausgestorben, doch 1998, in dem Jahr, als Alois Brandstetter sechzig Jahre wurde und zugleich Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde Pichl, tauchte der Vogel seiner Kindheit dort plötzlich wieder auf. Ein willkommener Anlass, um ihm nach allen Regeln der poetischen Zoologie nachzuspüren, angefangen vom mythischen Altertum bis zu seiner überraschenden Epiphanie. Der Ruf der Treue und Zärtlichkeit, die dem Eisvogel seit Aristoteles und Ovid nachgesagt werden, sind Ausgangspunkt für sehr persönliche Bekenntnisse Brandstetters: "Das Besondere an meinem unabenteuerlichen Leben besteht wohl darin, dass ich mit dem nicht Besondern besonders achstsam umgegangen bin, mit dem Unspektakulären bei meiner Schriftstellerei mein Auslangen gefunden habe und aus dem nicht Prächtigen oder Glänzenden merkwürdigerweise Funken geschlagen habe."
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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.06.2000

Doch kein treuer Vogel
Alois Brandstetters „Die Zärtlichkeit des Eisenkeils”
Manchmal spürt man im neuen Buch (ein „Roman” ist diese Mischung aus Essay und autobiografischer Erzählung wirklich nicht) des rührigen Alois Brandstetter den verzweifelten Wunsch, eine anstößigere, frechere Literatur zu schreiben – mit ein paar Unzen mehr Bernhard, Handke und Turrini. Es ist aber nun einmal das Schicksal des von Haus aus Konservativen, sich nicht unbedingt im ideologischen Widerstreit mit der großen Masse zu befinden: Brandstetter ist bloß ein bisschen klüger, „gebildeter”, und aus diesem humanistischen Fundus speist er seine gelehrt plaudernden Texte. Die Zeiten, da ein konservativer Autor sich „antizyklisch” verhielt, sind indes lang vorbei, da kann der gute Mann aus Kärnten ganz beruhigt sein; heute sind es nur noch gewisse wertkonservative Markierungen gegen Auswüchse des Zeitgeistes, mit denen einer wie Brandstetter „Widerstand” signalisiert – oft kann man ihm dabei recht geben.
Wenn sich nun aber ein Kollege wie Peter Handke eine anzügliche Bemerkung, betreffend die Adoleszenz des ältesten Brandstetter-Sohnes, gestattet, spürt man förmlich durch den Text hindurch, wie der Vater und Autor gequält zusammenzuckt: Der lockere Umgang mit dem allzu Menschlichen ist seine Sache sicherlich nicht. Trotzdem oder gerade deswegen bemüht er sich darum – ihm dabei zuzusehen, ist nicht immer frei von Komik, denn es ist nun einmal spaßig, wenn einer partout ein anderer sein will; man möchte ihm dann zurufen: Brandstetter, bleib bei deinem Leisten, nur müsste man es natürlich lateinisch ausdrücken.
Nein, es ist und bleibt seine Bestimmung (neben der Tätigkeit als Altphilologe), „schene Biacha” (Thomas Bernhard) zu schreiben, die es schließlich auch geben muss, ebenso wie die „schiachen Biacha”, nämlich die schroffen, widerspenstigen, Anstoß und Aufruhr erregenden. Diese Dialektik ist einem ruhmreichen Egomanen wie Bernhard (zu dessen Tugenden die Bescheidenheit, anders als Brandstetter es will, ganz sicher nicht zählt) naturgemäß entgangen. Hält Brandstetter sich als Schriftsteller für unterschätzt? Das wäre schade. Er stellt ja selbst fest, dass niemand aus seiner Haut kann – wozu, so sei hinzugefügt, auch gar keine Notwendigkeit besteht. Es ist die Artenvielfalt, die eine Literatur reich macht, und das Unverwechselbare jeder einzelnen Erscheinung. Nicht nur des Adlers und des Bussards, sondern eben auch des Eisvogels.
Hätte Thomas Bernhard ein Buch mit dem Titel Die Zärtlichkeit des Eisenkeils geschrieben, ginge es darin nicht um den Eisvogel und schon gar nicht um Zärtlichkeit. Bei Brandstetter geht es genau darum – „Zärtlichkeit” steht hier für Eigenschaften wie die angebliche Treue des Vogels –, freilich werden an die Eisvogel-Phänomenologie noch eine Unmenge frei flottierender Assoziationen geknüpft, längs und quer durch die Geschichte des Abendlandes im allgemeinen und das Brandstetter-Universum im besonderen. Zum Eisvogel, früher Eisenkeil genannt, kehrt der Text leitmotivisch immer wieder zurück. Entscheidend dabei ist aber, dass der Autor sich wappnet und der Versuchung widersteht, den raren Vogel zum Kronzeugen einer wertkonservativen Weltanschauung zu machen. Die Antike hat den Alcedo atthis in ihrem Bestreben, Mythen zu bilden, für monogam gehalten. In Wahrheit gibt es im Tierreich über saisonale Zweckverbindungen hinaus kein „Treusein”; das gilt übrigens auch für den Schwan, ebenfalls ein beliebtes Sinnbild der Monogamie. „Des Eisvogels Keuschheit ist also letztlich nur anscheinend, um nicht zu sagen scheinbar”, konstatiert Brandstetter, um alsbald einen Bogen zur jüngsten amerikanischen Vergangenheit zu schlagen und den Verteidigern Bill Clintons ein Versäumnis nachzuweisen: Bereits aus Ovids Ars amatoria könne man lernen, „daß sich die Sexualität nicht als Parameter der Moralität eignet”. Einer puritanisch geprägten Öffentlichkeit wie der nordamerikanischen ist dergleichen freilich schwer beizubringen.
Ovid hat überhaupt kluge Ratschläge (an junge Männer) in petto: „Sei im Versprechen nicht ängstlich. Versprechungen wirken auf Mädchen. ” Das ist allerdings auch der Unterschied zwischen Mensch und Tier: Tiere täuschen und lügen nicht. Sie lesen nicht in der Bibel, und sie machen aus ihrem Hedonismus und aus ihrer Verantwortung für die Arterhaltung keinen Hehl. Die Monogamie ist eine praktische menschliche Erfindung zur Stabilisierung der bürgerlichen Gesellschaft. Aber sie ist wohl doch eher realitätsfremd. Auf diesem Widerspruch beruht ein wesentlicher Teil der Weltliteratur.
Alois Brandstetter schreibt keine weiteren großen Geschichten zu diesem Thema. Er fügt vielmehr dem überlieferten Fundus Marginalien hinzu, gescheite Randbemerkungen, kluge Kommentare. Auch diesmal sind sie wieder amüsant zu lesen.
MARTIN KRUMBHOLZ
ALOIS BRANDSTETTER: Die Zärtlichkeit des Eisenkeils. Roman. Residenz Verlag, Salzburg 2000. 158 S. , 36,80 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2000

Der Ehrenbürger von Pichl
Stolzgeschwellt: Alois Brandstetter lobt den Eisvogel und sich selbst

Als Alois Brandstetter im Dezember 1998 sechzig Jahre alt wurde, überreichte ihm seine oberösterreichische Heimatgemeinde Pichl eine eingetopfte Eiche und verlieh ihm unter der Begleitmusik von vier Chören die Ehrenbürgerwürde. Die Welt hätte davon kaum etwas erfahren, wenn Brandstetter sich nicht selbst ein schmales Buch zum nachträglichen Geschenk gemacht hätte - ein Buch, das ebendiese Ehrung von Pichls großem Sohn zum Gegenstand hat. Zwar trägt es die Bezeichnung "Roman", doch gleicht es eher einem Tagebuch, das uns, wie es dieser Gattung eigen ist, zu Voyeuren privatester Wünsche, Erwartungen und Überzeugungen macht.

Allerdings besitzt dieser "Roman" noch ein zweites, sehr naturverbundenes Thema: den Eisvogel, der in der Mundart des Verfassers "Eisenkeil" genannt wird. Unermüdlich lobt der Vogelfreund Brandstetter die wunderbaren Eigenschaften dieses scheuen Tieres, ausführlich zitiert er antike und mittelalterliche Gelehrte, die ihm in dieser Hochschätzung vorausgegangen sind. Wie man aus seinen früheren Romanen weiß, führt Brandstetter selbst gern seine Gelehrsamkeit vor, und so entfaltet er denn auch hier manch verblüffende sprachgeschichtliche Details über den bunten Vogel. Was allerdings die biologischen Kenntnisse betrifft, so bleiben manche Einsichten wohl doch noch hinter Volksbüchern wie "Brehms Tierleben" zurück. "Je kleiner die Tiere, um so kleiner werden auch die Unterschiede zwischen den Geschlechtern", teilt uns der Naturforscher mit, der auch gern über die Grenzen der Kommunikation zwischen Mensch und Tier nachdenkt: "Hören kann der Mensch die Tiere, die Vögel etwa, verstehen tut er sie nicht. Die Tierlaute sagen ihm nichts, wollen ihm vielleicht gar nichts sagen." Ausnahmen gewährt der studierte Germanist und hellhörige Hobby-Ornithologe dabei gern: "Hölderlin gleicht dem Eisvogel in mehr als einer Hinsicht." Wir haben es uns längst gedacht.

Brandstetter verspürt unverhohlenen Stolz über seine bisher erbrachte Lebensleistung. Immer wieder zählt er die Titel seiner Bücher auf und versucht dabei zugleich, den Rezensenten ihre Arbeit zu erleichtern; hebt er doch gern die Qualität des einen oder anderen seiner Werke hervor, das ihm besonders gelungen scheint. Schwerer tut er sich hingegen mit der Einschätzung seiner schreibenden Kollegen, der lebenden wie der toten. Nachdrücklich verteidigt er seinen Rang gegen mögliche Konkurrenten. Bedroht sieht der Pichler Ehrenbürger seinen Ruhm vor allem durch Thomas Bernhard und Peter Handke, auf die er häufig zu sprechen kommt. Lob aus Kollegenmund wird hingegen mit buchhalterischer Genauigkeit registriert, auch wenn es vom Sexualwissenschaftler Ernest Bornemann stammt, dessen Arbeiten bei Brandstetter auf manche Vorbehalte stoßen. Noch der letzte Entschluß seines einstigen Nachbarn gibt ihm Anlaß für ein munteres Wortspiel: "Die (sexuelle) Freiheit hat ihn, Bornemann, offenbar, auf seinen Freitod hin gesehen, nicht frei gemacht." Über guten Geschmack läßt sich streiten.

Große Hochachtung des Jubilars finden die Autoren der deutschen Nachkriegszeit: "Ja, Wolfgang Borchert, hätten wir nur einen Dichter wie dich oder auch den Heinrich Böll, der uns wirklich betroffen machte." Betroffen - wenn es denn unbedingt sein muß - macht indes sehr viel mehr Goethes Ballade "Des Sängers Fluch", die der Germanistikprofessor Brandstetter ans Licht gezogen zu haben scheint. Oder sind ihm da womöglich Uhland und Goethe ein ganz klein wenig durcheinandergeraten? Ist's menschlicher Irrtum oder Fluch der unentwegt gepriesenen eigenen Belesenheit?

Alois Brandstetter hat sich mit Romanen wie "Zu Lasten der Briefträger" oder "Die Abtei" um die österreichische Literatur verdient gemacht. Aber diese Aufzeichnungen sind peinlich in ihrer Selbstfeier und Banalität. Möge Brandstetter den Eisvogel weiter beobachten, den Pichler Chören lauschen und im Schatten der Jubiläumseiche in aller Ruhe einen wirklichen Roman planen, den seine Leser wieder gern in die Hand nehmen werden.

SABINE DOERING

Alois Brandstetter: "Die Zärtlichkeit des Eisenkeils". Roman. Residenz Verlag, Salzburg/Wien 2000. 157 S., geb., 36,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sabine Doering stellt zunächst einmal klar, dass es sich bei diesem Buch nicht wirklich um einen Roman handelt, sondern vielmehr einerseits um eine Art Tagebuchaufzeichnungen des Autors und andererseits um Ausführungen über den Eisvogel, der in der - oberösterreichischen - Mundart des Autors auch Eisenkeil genannt wird. Hierbei führe Brandstetter seine "Gelehrsamkeit" vor, indem er nicht nur "antike und mittelalterliche Gelehrte" zu Wort kommen lässt, sondern auch über die mangelhafte Kommunikation zwischen Tier und Mensch philosophiert. Was den tagebuchähnlichen Teil des Buchs betrifft, stört sich die Rezensentin doch sehr an der unverhohlenen Nabenschau des Autors, der nach ihren Worten nicht müde wird, sein eigenes Werk zu loben und auch die Anerkennung von Kollegen mit "buchhalterischer Genauigkeit registriert". "Peinlich" findet die Rezensentin dies, die darüber hinaus über Brandstetters flapsige Bemerkungen zum Freitod des Sexualwissenschaftlers Ernest Bornemann die Frage des guten Geschmacks stellt.

© Perlentaucher Medien GmbH