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Das Leben an der Westküste Australiens kann hoffnungslos sein und voller Wunder. Keiner versteht es so meisterhaft wie Tim Winton, von der überwältigenden Landschaft seiner Heimat zu erzählen, von den Verletzungen und Sehnsüchten der kleinen Leute, von Fischern, alten Surfern, Frauen im Trailerpark, Schlägern, Schulmädchen und Polizisten. In 17 Geschichten, die auf raffinierte Weise miteinander verschränkt sind, porträtiert er eine kleine Stadt am Meer.

Produktbeschreibung
Das Leben an der Westküste Australiens kann hoffnungslos sein und voller Wunder. Keiner versteht es so meisterhaft wie Tim Winton, von der überwältigenden Landschaft seiner Heimat zu erzählen, von den Verletzungen und Sehnsüchten der kleinen Leute, von Fischern, alten Surfern, Frauen im Trailerpark, Schlägern, Schulmädchen und Polizisten. In 17 Geschichten, die auf raffinierte Weise miteinander verschränkt sind, porträtiert er eine kleine Stadt am Meer.
Autorenporträt
Tim Winton, geboren 1960 in Westaustralien. Veröffentlichung zahlreicher Romane, Sachbücher und Kinderbücher mit mehrfachen Auszeichnungen, u. a. 3 x mit dem Miles Franklin Award - dem wichtigsten Literaturpreis Australiens. erhalten. Seine Werke sind in zwölf Sprachen übersetzt, einiges wurde für Bühne, Radio und Film adaptiert. Der Autor lebt mit seiner Familie Westaustralien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.02.2008

Im Westen was Neues

Tim Winton, australisches Naturtalent, erschließt einen halben Kontinent: Geschichten von Menschen, die ein nützliches, aber glückloses Leben führen.

Mit neunzehn Jahren hat er seinen ersten Roman begonnen, mit zweiundzwanzig einen Preis dafür bekommen. Danach schrieb er ein gutes Dutzend weiterer Bücher (Romane, Erzählungen, Kinderbücher), wurde mit weiteren Preisen bedacht und hat sogar selbst einen gestiftet: Tim Winton. Die australische Szene also betrat er mit siebenundvierzig als eine Art Naturtalent, und etwas von der jungen Schreiblust, der Leidenschaft, erzählen zu wollen, ist ihm geblieben. Man liest ihn gern und liest ihn viel, weil er überall in seinen Büchern diese Lust und Leidenschaft spüren lässt; aber er macht es sich nicht leicht. Was ihn interessiert, was ihn vor allem anderen beschäftigt, sind die Menschen dort, wo die Gefühle flattern, wie es einmal bei Kleist heißt, und das ist das Allerkomplizierteste, was man sich vornehmen kann.

Verstanden zu werden außerhalb des eigenen Landes - das hängt nicht nur von guten oder schlechten Übersetzungen ab. Europäische Erwartungen von Australien, genährt von der Tourismuswerbung, richten sich stereotyp auf Kängurus, Koalas und Krokodile, auf Farmer und Eingeborene samt deren Traumkunst, auf den harschen Outback mit fliegenden Ärzten und eine üppige Tropennatur. Die australische Literatur hat dergleichen gewiss auch exportiert, aber sie suggeriert in den Übersetzungen unabsichtlich oft auch Ferne und Exotik dort, wo sie von den Autoren gar nicht beabsichtigt ist. So klingen im Deutschen "Scharlacheukalyptus" und "Kajeputs" nach lockender Fremdheit, wo in Wirklichkeit der "Red Flowering Gum" und die "Melaleucas" ebenso alltäglich sind wie Tannenbaum oder Holunderbusch, der "Blauflossenthun" auf dem Markt ist als "Bluefin" nicht reizvoller als Matjes.

Tim Wintons siebzehn "australische Geschichten" in seinem jüngsten auf Deutsch erschienenen Buch fordern zu solcher Warnung heraus. Denn darin flattern nun eben eher Gefühle statt bunter Papageien, und Kulisse ist hauptsächlich die Allerweltslandschaft einer prinzipiell westlichen Kultur: die fiktive Kleinstadt Angelus, die reale Großstadt Perth, dazu Fleischfabrik, Konservenfabrik, Getreidesilos, eine Walfangstation, der Hafen, das Meer für die Fischer und Surfer, Campingplätze und ab und an dann allerdings auch ein großes Stück roter Erde in einem Land scheinbar ohne Geschichte und Grenzen. Wintons Menschen entsprechen solcher Umwelt. Es sind in erster Linie die Eingewanderten aus Europa, die seit zweihundert Jahren die Küsten dieses Kontinents besiedelt haben, seit ein paar Jahrzehnten jedoch insbesondere auf dem Schauplatz dieser Geschichten damit beschäftigt sind, durch den Mineralreichtum des Landes nun selber reich zu werden. Denn Winton Country ist der Westen des Kontinents, jenes Bundesland Westaustralien, in das Deutschland siebenmal hineinpassen würde und das von dem großen Rest der Insel durch zweitausend Kilometer Wüste getrennt ist. Mehr als jeder andere australische Autor ist Winton heute Dichter dieses Westens, aber bei aller Anhänglichkeit auch sein Kritiker. Als Köder für Touristen sind diese Geschichten nicht geschrieben. Leitmotivisch laufen darin Väter den Müttern davon und lassen bei ihnen die Kinder zurück. Familien lösen sich auf, surfende Brüder bekämpfen sich im Wasser bis auf den Tod. Frauen werden von den Männern misshandelt, Boner McPharlin wird als Drogenkurier zugrunde gerichtet. Aus den Arbeitersiedlungen werden Vorstädte, aus kleinen Ortschaften Zentren für Konkurrenzkämpfe wie White Point.

Winton hatte dort schon vor ein paar Jahren seinen großen Roman "Der singende Baum" ("Dirt Music") spielen lassen - White Pointers sind besonders große räuberische Haie. Die Neigung zum Symbolischen wurde von der australischen Literatur seit ihrem ersten Literaturnobelpreisträger Patrick White gern gepflegt. Wo erste Liebe aufkeimt, wird daraus am Ende nur eine frühe Erfahrung des Verlustes, und die Geliebte von einst begegnet dem anderswo gescheiterten Vater ihres Kindes als Heroin-Wrack.

Fünfundzwanzig Jahre nach seinem ersten Buch ist Wintons Perspektive nun entweder die des Rückblicks auf solch frühe Enttäuschungen oder die des skeptischen Ausblicks auf das, was sich aus einem Leben machen lässt, wenn dann doch die Karriere als Jurist oder Chirurg gelingt und man nun nützlich, aber ziemlich glücklos dahinlebt. In dieses Thema gehört übrigens die wohl beste, eindringlichste und auch australischste dieser Erzählungen; sie handelt von jenem "Auftrag", den ein Sohn, Rechtsanwalt in der Großstadt Perth, von der todkranken Mutter erhält. Es ist die Bitte, den Vater noch einmal herbeizuholen, der vor vielen Jahren in den Outback irgendwo hinter Kalgoorlie davongelaufen ist, dort, wo einstmals das Paradies der Goldgräber war und wo nun nur noch einfaches, hartes, bedürfnisloses Leben herrscht.

Manche dieser vorzüglich übersetzten Erzählungen erscheinen wie Fragmente eines größeren Romans, sowohl dem wiederkehrenden Personal wie auch der Thematik nach; aber Winton verfügt über genügend Ressourcen an Einbildungskraft und Erfahrung, um nicht langweilig zu werden. Und nur selten überwältigt ihn die Neigung, seinen doch eigentlich so lebendigen Figuren eine symbolische Last aufzubürden, durch die sie einen allzu schwerfälligen Gang bekommen. Dass sein Herz dann gerade an solchen poetischen Invaliden hängt, zeigt der originale Titel des ganzen Buches: "The Turning" bezieht sich auf die Geschichte von einer echten "Bekehrung" mittels der kleinen Kitsch-Figur eines über das Wasser schreitenden Christus. Denn ein Idealist ist Winton bei aller Skepsis stets geblieben.

GERHARD SCHULZ

Tim Winton: "Weite Welt". Australische Geschichten. Aus dem Australischen übersetzt von Klaus Berr. Luchterhand Literaturverlag, München 2007. 349 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Gerhard Schulz ist offensichtlich ein großer Bewunderer des australische Autors Tim Winton, bei dem er noch immer die "Schreiblust", "Leidenschaft" und "Einbildungskraft" spürt, die Winton in seinen frühen Jahren als "Naturtalent" auszeichneten. Und nun kommt aber auch noch Erfahrung dazu! Dabei platziere Winton in seinen Erzählungen über die scheiternde Liebe und das scheiternde Leben die Menschen immer dort, "wo die Gefühle flattern" - und das ist für den Rezensenten das "Allerkomplizierteste" überhaupt. Ein wenig umständlich erklärt Schulz, dass wir das wahre Australien nicht mit dem aus der Werbung verwechseln dürfen, weil es in großen Teilen auch einfach nur ein ganz normales westliches Land sei - auch wenn in den von Winton bevorzugt beschriebenem Bundesstaat Westaustralien Deutschland dreimal passt und ihn zweitausend Kilometer Wüste vom Rest der Insel trennen, wie Schulz dann doch ein bisschen überwältigt von Australien notiert.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Tim Winton, australisches Naturtalent, erschließt einen halben Kontinent." Frankfurter Allgemeine Zeitung