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Der schöne Hauptmann erzählt die Geschichte eines alternden Richters und eines jungen Offiziers, der sich wegen seiner Nichtbeförderung mit einer Klage an das oberste Verwaltungsgericht wendet. Der Ältere ist von der Schönheit und moralischen Integrität des Jüngeren fasziniert, der Hauptmann blickt mit Bewunderung und Respekt auf den umfassend gebildeten Richter. Zwischen den beiden entwickelt sich eine enge Beziehung. Der Hauptmann obsiegt zwar vor Gericht, wird aber dennoch nicht befördert, und der Prozeß zieht sich über Jahre hin. Während der Hauptmann vergebens auf seine Beförderung wartet…mehr

Produktbeschreibung
Der schöne Hauptmann erzählt die Geschichte eines alternden Richters und eines jungen Offiziers, der sich wegen seiner Nichtbeförderung mit einer Klage an das oberste Verwaltungsgericht wendet. Der Ältere ist von der Schönheit und moralischen Integrität des Jüngeren fasziniert, der Hauptmann blickt mit Bewunderung und Respekt auf den umfassend gebildeten Richter. Zwischen den beiden entwickelt sich eine enge Beziehung. Der Hauptmann obsiegt zwar vor Gericht, wird aber dennoch nicht befördert, und der Prozeß zieht sich über Jahre hin. Während der Hauptmann vergebens auf seine Beförderung wartet und in den verstaubten Korridoren des Gerichts verkümmert, erlangt der Richter die höchste Stufe des Richteramtes. Das angebliche Fehlverhalten des Hauptmanns wird nie genau benannt. Der persönliche Zerfall des schönen Hauptmanns wird für den Richter schließlich zum Prüfstein des eigenen Gewissens: War seine Loyalität zum autoritären Staat falsch, hat er für sein eigenes berufliches Fortkommen in der Obristendiktatur doch einen zu hohen Preis bezahlt? Menis Koumandareas erzählt die Geschichte des Hauptmanns und seines Richters stilistisch meisterhaft und mit subtiler Spannung. Sein Roman zeigt, wie prekär die Treue zu einem totalitären Staatsgebilde ist, beschreibt die Häßlichkeit und Roheit einer kleinbürgerlichen Gesellschaft, in der die Jugend verkümmert und die Ausbruchsversuche der Erwachsenen in Liebesbeziehungen und Illusionen scheitern. In diesem 1982 erstmals erschienenen Roman macht Koumandareas die Figur des Offiziers, der in Erwartung der dann doch ausbleibenden Beförderung altert, zum Symbol einer Jugend, die vergeht, ohne gelebt zu haben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2001

Der Richter und sein schmucker Kohlhaas
Menis Koumandareas kauft rote Nelken / Von Sabine Doering

Der junge Hauptmann ist schön, außerordentlich schön. Das bemerken alle, die ihm auf den Fluren und in den Amtsstuben des höchsten Verwaltungsgerichts in Athen begegnen, wo er Beistand wegen einer verweigerten Beförderung sucht. Am stärksten hingerissen von der Schönheit des Offiziers aber ist der Richter, der über Jahre hinweg mit dem komplizierten Prozeß betraut gewesen ist. Aus seinem Mund hören wir die Geschichte vom schönen Hauptmann, eine Schilderung immer neuer Gerichtsverhandlungen und Urteilsverkündigungen. Nicht genug kann der Ältere die Grazie des Hauptmanns preisen, die Klarheit des Blicks, die Eleganz, das Gleichmaß des Gesichts, und statt die Angelegenheit als Routinefall zu betrachten, schwärmt der kultivierte Richter von einem modernen Adonis, zu dem er sich als Vater, Berater und Liebender hingezogen fühlt.

Die Entwicklung dieser unerfüllt bleibenden Liebe bildet jedoch nur den elegischen Rahmen für eine zweite Geschichte, die ebenfalls der gealterte Richter erzählt und in der das Persönliche zum Spiegel des Politischen wird. Menis Koumandareas, der 1933 geboren wurde, läßt in seinem Roman ein düsteres Bild Griechenlands in der Phase zwischen Bürgerkrieg und Militärputsch entstehen. Das Schicksal des Hauptmanns, dem mit fadenscheinigen Gründen die Beförderung zum Major verweigert wird und der schließlich wegen angeblicher psychischer Unzuverlässigkeit die Armee verlassen muß, wird zum Sinnbild für die Instabilität der griechischen Innenpolitik in den sechziger Jahren.

Angesichts zahlreicher Verfassungsbrüche - Wahlen werden manipuliert, Gerichtsurteile ignoriert, persönliche Grundrechte willkürlich eingeschränkt - erscheint der junge Hauptmann in seinem Kampf um persönliche Anerkennung wie ein mediterraner Vetter des Michael Kohlhaas. Mit naiver Verbissenheit kämpft er um sein Recht, doch anders als Kleists Novellenheld hat er von Beginn an einen wohlwollenden Richter auf seiner Seite. Dem schönen Offizier nützt das Entgegenkommen allerdings nichts, denn so gewissenhaft sein Mentor auch die Gesetze zitiert, die dem Gesuch um Beförderung stattgeben - jedes Urteil bleibt ohne praktische Folgen, da die Militärbehörden sich nicht an die Weisungen des Obersten Gerichtshofes gebunden fühlen. Wie so oft sind es die kleinen Katastrophen, die einem einzelnen widerfahren, in denen das größere Unrecht Gestalt gewinnt und überhaupt erst begreifbar wird.

Koumandareas ist ein gründlicher Chronist der antidemokratischen Strömungen, die dem Putsch von 1967 vorausgingen. Vor allem beschreibt er die Unfähigkeit der gesellschaftlichen Eliten, auf die Willkürakte der Regierung und des Militärs zu reagieren. Trotz des ihm widerfahrenden Unrechts ist es für den jungen Hauptmann unvorstellbar, freiwillig die Armee zu verlassen und einen zivilen Beruf zu ergreifen; zu viel bedeutet ihm, wie etlichen seiner Altersgenossen, das Ideal schneidiger Offizierswürde. An diesem Korpsgeist ändern auch die Demütigungen durch seine Vorgesetzten nichts.

Ausgeprägtes Standesbewußtsein legt auch der erzählende Richter an den Tag. So sehr er für die Einhaltung der Gesetze plädiert, hängt er doch an den Statussymbolen seines Berufes und trägt die pompöse Richterrobe mit unverhohlenem Stolz. Die Verstöße gegen die Verfassung verfolgt der Richter zwar weiterhin genau, kommentiert sie aber allenfalls im flüchtigen Gespräch mit seinen Kollegen oder seiner Haushälterin; seine deutlichste politische Demonstration ist der diskrete Kauf einiger roter Nelken. Die Kunst bleibt das eigentliche Refugium des Richters, der in privater Zurückgezogenheit Vergil und Sappho liest und von seinem Hauptmann träumt. Aus vielen Einzelszenen entsteht so das Bild einer erstarrten Gesellschaft, die keiner Reform zugänglich erscheint und die den immer dreisteren Rechtsbrüchen gelähmt zuschaut.

So flüssig der Roman auch erzählt ist, fordert er dennoch deutschen Lesern einige Konzentration ab, da zahlreiche Parteien, Institutionen und Politiker bei ihren Namen genannt werden, die für nördliche Ohren oft verwirrend ähnlich klingen. Willkommene Hilfestellung leistet hier die Übersetzerin, die gewissenhaft alle Abkürzungen und Anspielungen in Fußnoten erklärt, ohne die man sich bald in den Details der griechischen Innenpolitik verlieren würde. So wird der Roman von Menis Koumandareas zu einer eindringlichen historischen Lektion, die zugleich ein Lehrstück über die Entstehung von Diktaturen ist.

Vermutlich hat dies - neben der unbestrittenen literarischen Qualität des Romans - zu seiner Auszeichnung mit dem "Blue-Book-Preis" beigetragen, der eigens anläßlich des diesjährigen Schwerpunktes der Buchmesse gestiftet wurde und griechischen Autoren den Zugang zum deutschsprachigen Publikum erleichtern soll. Weshalb allerdings ein Preis, dessen Ziel die Förderung von Übersetzungen aus dem Griechischen ins Deutsche ist, ausgerechnet mit einem englisch-deutschen Namensgemisch bezeichnet wird, muß das Geheimnis der Juroren bleiben. Menis Koumandareas dürfen diese linguistischen Erwägungen gleichgültig sein, solange sein Buch hierzulande nur gelesen wird. Doch hätten sich weder sein schöner Hauptmann noch der kunstliebende Richter eine solche sprachliche Entgleisung erlaubt.

Menis Koumandareas: "Der schöne Hauptmann". Roman. Aus dem Griechischen übersetzt von Luna Gertrud Steiner. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2001. 217 S., geb., 38,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Marli Feldvoss sieht in dem Roman des griechischen Autors, in dem ein junger Hauptmann gerichtlich um seine aus unerfindlichen Gründen verweigerte Beförderung kämpft, weit mehr als eine Schilderung der Realität der sechziger und siebziger Jahre in Griechenland. Sie ist fasziniert von der doppelbödigen Erzählhaltung des Buches, das stets eine "ironische Distanz" zum Geschehen hält und sich dadurch, so die Rezensentin angetan, zu einer "Parabel" steigert, in der vorgeführt wird, wie die "Gesellschaft ihre Kinder frisst". Die zum "Selbstzweck" werdenden Bemühungen des Protagonisten und die ins "Surreale gesteigerten Bilder" erinnern Feldvoss gar an Gestalten von Kafka und Melville.

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