Dichterische Prosa - das war E.T.A. Hoffmann und seinen romantischen Generationsgefährten mehr als Belletristik. Sie vertraten, darin uns Heutigen nicht unähnlich, einen weiten Literaturbegriff. So rechnete Hoffmann unter die Erzählungen und Mährchen seiner Sammlung Die Serapions-Briider neben den bekannten Geschichten Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mäusekönig, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen und Das Fräulein von Scuderi auch musikkritische Abhandlungen, Porträtskizzen und Anekdoten. Und das ist die Situation: Eine Gesellschaft literarischer Freunde liest sich aus eigenen Werken vor. Sie alle stehen unter dem Serapiontischen Prinzip, in dem sich die Gegensätze zusammenschließen, in dem sich Vernunft und Aberglaube, Witz und Fantasie verbinden zur Erkenntnis der "Duplizität des Seins", zur Einsicht, daß Leben und Wirklichkeit nur der Widerschein eines Anderen sind, das bedrohlich oder hilfreich sein kann und dem Leben erst seinen Sinn verleiht. - Mit der zyklischen Form knüpfte Hoffmann an die Tradition großer europäischer Sammlungen an, von Boccaccio bis zu Goethe und Ludwig Tieck, die mit dem Erzählten zugleich auch immer die Kunst des Erzählens und seine Bedingungen reflektiert haben.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Der vierte Band der Gesamtausgabe der Werke von E. T. A. Hoffmann könnte eigentlich fast schon den Schlusspunkt der auf sechs Bände angelegten Edition bilden, denn in "Die Serapionsbrüder" - der Titel geht auf einen im Jahr 1814 gegründeten literarischen Berliner Zirkel zurück - bilanziere auch Hoffmann sein literarisches Schaffen, berichtet Bernhard Dotzler. In dem Band, Hoffmanns "Berlin-Buch", zitiert der Rezensent den Mitherausgeber Wulf Segebrecht, seien Märchen, Erzählungen, Gedichte, Anekdoten, Porträtskizzen, Musik- und Kunstkritiken sowie juristische und medizinische Exkurse des Schriftstellers enthalten. Eine "Summa des ganzen Hoffmann", meint Dotzler, die überdies in dieser Edition durch die wissenschaftliche Hoffmann-Forschung der letzten dreißig Jahre ergänzt werde.
© Perlentaucher Medien GmbH
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