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Ein Stahlunternehmer stirbt bei einem Helikopterabsturz, sein randvoll mit Geld gefüllter Aktenkoffer verschwindet ohne jede Spur. Unfall oder Überfall? Im letzten Teil von Alan Pauls Argentinien-Trilogie bedingt Geld alles: Großzügigkeit und Gewalt, Kapitalflucht und Strafe, Traum und Korruption.
Nicht nur in der Öffentlichkeit, in der die wildesten Hypothesen über den Absturz kursieren, auch im Leben des Erzählers dreht sich alles um das liebe Geld. Sein Vater verdient ein Vermögen beim Pokern und ist im Labyrinth der Finanzspekulationen zu Hause wie ein Fisch im Wasser. Seine Mutter
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Produktbeschreibung
Ein Stahlunternehmer stirbt bei einem Helikopterabsturz, sein randvoll mit Geld gefüllter Aktenkoffer verschwindet ohne jede Spur. Unfall oder Überfall? Im letzten Teil von Alan Pauls Argentinien-Trilogie bedingt Geld alles: Großzügigkeit und Gewalt, Kapitalflucht und Strafe, Traum und Korruption.

Nicht nur in der Öffentlichkeit, in der die wildesten Hypothesen über den Absturz kursieren, auch im Leben des Erzählers dreht sich alles um das liebe Geld. Sein Vater verdient ein Vermögen beim Pokern und ist im Labyrinth der Finanzspekulationen zu Hause wie ein Fisch im Wasser. Seine Mutter hingegen heiratet wieder und verprasst ihr kleines Erbe für einen aufwendigen Lebensstil und ein Sommerhaus, das den letzten Cent verschlingt. Und der Erzähler muss am Ende immer dafür bezahlen - in jeglicher Hinsicht. Schulden, für die niemand einsteht, undokumentierte Darlehen, absurde Investitionen und geheime Geschäfte. »Geschichte des Geldes« ist eine intensive und dringliche Betrachtung von menschlichem Verlust und verborgenen Ökonomien.
Autorenporträt
Alan Pauls, geboren 1959 in Buenos Aires, hat Literatur gelehrt, daneben Drehbücher, Filmkritiken, Essays und sechs Romane geschrieben. Er arbeitet als Kulturkolumnist für eine große Tageszeitung und moderiert eine Fernsehsendung. Sein Werk ist bisher in 14 Sprachen übersetzt worden.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.11.2016

LITERATUR
Die Ökonomie
der Schmerzen
Alan Pauls schließt seine Argentinien-Trilogie
mit einer „Geschichte des Geldes“ ab
VON INSA WILKE
Fast frohlockend kündigte der argentinische Shooting-Star Alan Pauls 2009 seinen Leserinnen und Lesern an, seine drei nächsten Romane könnten für sie eine Enttäuschung sein. Damals war er gerade mit seinem Welterfolg „Die Vergangenheit“ durch die Lande gezogen und wurde überall gefeiert. Wenig „argentinisch“ werde uns demnächst seine Trilogie über die schrecklichste Zeit seines Landes vorkommen.
  Recht hatte er! Zumindest wenn man unter „argentinisch“ versteht, dass ein Romanzyklus über die Siebzigerjahre in Argentinien dokumentarisch, auf jeden Fall aber realistisch von der Militärdiktatur und ihrer Vorgeschichte erzählt. Das tun „Geschichte der Tränen“ (2010), „Geschichte der Haare“ (2012) und das aktuelle Buch, „Geschichte des Geldes“ nicht. Trotzdem lassen sie sich durchaus in der Tradition realistischer Grotesken lesen, wie man sie von anderen lateinamerikanischen Autoren kennt. Und doch fühlt man sich von Alan Pauls hinters Licht geführt, deuten die Roman-Titel wie übrigens schon „Die Vergangenheit“ ziemlich deutlich auf eine Auseinandersetzung mit dem Staatsterror hin, der aber so gut wie gar nicht Thema ist. Und das in einer Zeit, in der die Nachkommen von Verschwundenen immer noch vor Gericht darum kämpfen, dass Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Wie verhalten sich Alan Pauls Romane also zur argentinischen Geschichte und Gegenwart?
  Die „Geschichte der Tränen“ handelt von einem Jungen, der Erwachsene in die Schule der Empfindsamkeit schickt, bis er eines Tages mit dem Missbrauch dieser Gabe konfrontiert wird. Nebenbei, aber doch auffällig genug, wird von einer Peronistin erzählt, die in der Uniform eines Generals in der Nachbarwohnung lebt und deren Ermordung später erwähnt wird. Im zweiten Band ist ein junger Mann obsessiv mit seiner Frisur beschäftigt. Der Erzähler erklärt, dass Argentinien das Vaterland des damals favorisierten Haarschnitts sei und „dass die Epoche, in der er reüssiert, dieselbe ist, in der alles, was auf Erden wächst und gedeiht, aus den Strömen von Blut hervorgeht, die den Dünger ersetzen, von dem die Erde sich gewöhnlich nährt.“ Schon klar: Wir werden angehalten, das Parabelartige der jeweiligen Obsessionen zu erfassen, über die verzerrte Perspektive und beschränkte Erinnerung des Erzählers hinauszudenken und auf das Verschwundene zu achten. Wir sollen mitlesen, was nicht geschrieben steht. Aber geht das literarisch auf? Stimmt das Verhältnis von Verschwiegenem und wortreichen Ablenkungs- und Hinweismanövern?
  Die „Geschichte des Geldes“, der letzte Band der Trilogie, folgt dem Stoff, um den sich die Welt dreht, auch und gerade im Zusammenhang mit den lateinamerikanischen Diktaturen: Geld. Im Mittelpunkt steht wieder ein Junge. Wieder zeichnen ihn und seine geschiedenen Eltern Ticks aus, die auf schwer gestörte Verhältnisse deuten, Verhältnisse, denen jeder Halt, jedes Fundament fehlt. Der Vater: ein Spieler und „Gefahrenkünstler“, dessen Insignie das Geldbündel ist, mit dem er elegant umzugehen weiß. Die Mutter: ihres Zeichens Erbin, die wie ihr Ex-Mann die Kunst der „Vernichtung von Reichtum“ beherrscht. Beide werden in der neuen Zeit an den unterschiedlichen Formen der Spekulation scheitern. Ihr Sohn hat ein anderes Faible: das Begleichen offener Rechnungen, das Tilgen von Schuld.
  Auch den Hintergrund der Familiengeschichte tapeziert Pauls mit Banknoten und zeigt so die Absurdität eines von der „Inflationsspirale zentrifugierten Landes“, das auf seine schlimmsten Jahre zusteuert. Politik interessiere ihn so sehr, sagte Pauls 2009 in einem Interview, dass er sich außerstande sehe, sie zum Gegenstand seiner Romane zu machen. In seinen Büchern spiegele sich die Politik in den Beschädigungen seiner Figuren.
  Es geht also eher um den Geist der Siebzigerjahre als um ihre Rekonstruktion und Ausdeutung – beides sind erzählerische Verfahren, von denen Pauls sich im Roman spöttisch distanziert. Diesen „Geist“ spürt man nicht in der episodenhaft erzählten und durch die Zeitebenen zappenden Vater-Mutter-Sohn-Geschichte auf, sondern im Stil: der Überschärfe der Details bei gleichzeitiger Vernebelung des großen Bogens, wie man es aus Fellini-Filmen kennt. Dazu trägt das Präsens, das ja die Exaktheit eines Berichts suggeriert, ebenso bei, wie es die langen, verschachtelten und mit doppelten Genitiven gespickten Satzkaskaden tun. Diese Schein-Genauigkeit verdeckt, was tatsächlich vor sich geht. Man verliert bald den Überblick.
  Überscharf zeichnet Pauls im furiosen Auftakt des Romans auch den Ekel des Erzählers vor dem reichen Familienfreund, der einst „mit den Schnabelhieben seiner manikürten, methodischen Finger“ heimlich, aber geräuschvoll vor dem Essen im Herrenhaus die „Crostini-Tellerchen“ plünderte. Sein genüssliches „Crostini-Krunschen“ widert den Erzähler noch angesichts des Leichnams eines Mannes mit Fistelstimme an und wird für ihn zum idiosynkratischen Leitmotiv der Epoche – und wohl auch zum Brückenschlag in die Gegenwart, in der die Debatte über Arm und Reich neu geführt wird.
  Hinter diesem Leitmotiv verbirgt sich unausgesprochen ein anderes: das der Desaparecidos, der vielen Toten, deren Körper nie gefunden werden. So, wie sich hinter dem Körper dieses einen Toten all die Verschwundenen verbergen, so taucht das Thema in der fragmentarischen Philosophie des Geldes auf, die Pauls’ Erzähler in Bruchstücken und im Gestus überakzentuierter Binsenweisheiten vorlegt: Ausgerechnet das Verschwinden sei die „dem Geld eigene Logik, seine fatale Neigung“, darin gleiche es dem Leben mehr als im „ebenfalls gemeinsamen Vermehrungstrieb“. Was diese teuflischen, zynischen Stellen zeigen: Pauls arbeitet mit losen Korrespondenzen, nicht mit Parabeln, Metaphern oder Vergleichen.
  In den Interviews zu seinem Buch erklärte er, dass er mit seiner „Geschichte des Geldes“ verborgene Ökonomien habe ergründen wollen. Im Altgriechischen bedeutet Oikos „Haus“ und Nomos „Gesetz“. Das Gesetz in Pauls’ argentinischem Haus ist so gestaltlos, wie es die von der Militärjunta Ermordeten sind. Denn es handelt sich ohne Zweifel um eines, das auf dem Fundament der argentinischen Geschichte errichtet wurde und ohne eine politische Lektüre wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt. Indem Pauls sich auf diese Weise „seiner Erbschaft“ nicht gewachsen zeigt und das Schlusswort provokativ der Unaussprechlichkeit überlässt, erweist er den Toten Respekt.
  Den Roman, mit dem er das tut, liest man nach anfänglichem Amüsement über den bösen Witz seiner Karikaturen mit Befremden. Es ist, als müsste man wie ein an den Mast gefesselter Odysseus dem Pauls’schen Krunschen zuhören, fasziniert, aber auch enerviert und abgestoßen. Am Ende läuft diese aufwendige „ex negativo“-Form der Erinnerungs- und Bewältigungsarbeit ins Leere. Aber ist das die richtige Antwort auf die Auslöschungspraxis in Argentiniens schlimmsten Jahren? Oder hatte doch Peter Weiss recht, der sagte, Verbrechen gegen die Menschlichkeit könne man in der Kunst nur dokumentarisch begegnen? Alan Pauls’ Trilogie wirft diese Frage ganz sicher auf.
Politik, so Pauls, interessiere
ihn zu sehr, um sie zum Thema
seiner Romane zu machen
Die dem Geld eigene Logik des Verschwindens verbindet Pauls mit dem der Desaparecidos, der vielen Toten, deren Körper nie gefunden wurden. Foto: dpa
              
            
Alan Pauls:
Geschichte
des Geldes. Aus dem
Spanischen von Christian Hansen. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2016.
271 Seiten, 19,95 Euro. E-Book 15,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Es passt zu diesem Roman und es passt zu diesem Thema, dass Rezensentin Insa Wilke das eindeutige Urteil scheut. "Geschichte des Geldes", der letzte Teil aus Alan Pauls' Trilogie, liest sie mit gemischten Gefühlen zwischen Faszination und Abgestoßenheit und einem Befremden, das sich weder in Zustimmung oder Ablehnung auflöst. Die siebziger Jahre in Argentinien, deren Ereignisse und Zustände bis in die heutige Zeit reichen, sind Pauls' verschleierte Bühne, auf denen er seine kruden, von Ticks und Neurosen gezeichneten Figuren in allen drei Teilen auftreten lässt, lesen wir. Seine Form der Erinnerungs- und Bewältigungsarbeit, um die es ihm doch merklich geht, funktioniert allerdings nicht, wie man zunächst glaubt, über Parabeln oder Metaphern, sondern durch "lose Korrespondenzen", so die Rezensentin. Ob dieses Prinzip aufgeht, darüber mag Wilke nicht urteilen und fragt sich, ob nicht vielleicht doch Peter Weiss recht hatte, als er sagte, über Verbrechen gegen die Menschlichkeit könne man in der Kunst nur dokumentarisch sprechen.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Individuum und Gesellschaft bilden die beiden Seiten der Münzen, die hier als erzählerisches Leitmotiv in Nebensätzen und Exkursen durch diese packende Gesellschaftsgeschichte mäandern.« Thomas Hummitzsch, Der Freitag, 6.10.2016