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Die Definition der Vergewaltigung im heutigen Sexualstrafrecht, in Deutschland zuletzt 1997 / 98 reformiert, unterscheidet sich von der Definition der Notzucht im älteren Strafrecht. Der Band gibt einen Querschnitt der juristischen und kulturellen Vorstellungen und Definitionen von sexueller Gewalt, basierend auf Gesetzestexten, Prozessakten und literarischen Texten aus drei Jahrhunderten. Dabei fördern die Autorinnen erstaunliche Kontinuitäten zutage - vor allem in den Täter- und Opferbildern, die in der Rechtsprechung bis heute eine wichtige Rolle spielen.

Produktbeschreibung
Die Definition der Vergewaltigung im heutigen Sexualstrafrecht, in Deutschland zuletzt 1997 / 98 reformiert, unterscheidet sich von der Definition der Notzucht im älteren Strafrecht. Der Band gibt einen Querschnitt der juristischen und kulturellen Vorstellungen und Definitionen von sexueller Gewalt, basierend auf Gesetzestexten, Prozessakten und literarischen Texten aus drei Jahrhunderten. Dabei fördern die Autorinnen erstaunliche Kontinuitäten zutage - vor allem in den Täter- und Opferbildern, die in der Rechtsprechung bis heute eine wichtige Rolle spielen.
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Autorenporträt
Christine Künzel, Dr. phil., Literatur- und Kultur-wissenschaftlerin, ist zurzeit Lehrbeauftragte am Institut für Germanistik II der Uni Hamburg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung

In dubio pro reo
Formen sexueller Gewalt und wie Männer sich danach herausreden
Die junge Berliner Assistenzärztin hatte sie ohne Bedenken in ihr Dienstzimmer gelassen, die beiden Kollegen aus der Gynäkologie, die angekündigt hatten, ihr während des Bereitschaftsdienstes ein wenig Gesellschaft beim Fernsehen leisten zu wollen. Wie von den beiden Kollegen von vornherein geplant blieb es keineswegs nur beim Fernsehen, sondern kam zu sexuellen Handlungen bis hin zum Geschlechtsverkehr. Sie habe sich verzweifelt gewehrt, sagt die Ärztin. Es sei doch nur ein Spiel gewesen, und der Kollegin habe es doch ganz offensichtlich auch Spaß gemacht, sagen die beiden Gynäkologen. Schließlich habe sie auch zu zahlreichen anderen Kollegen sexuelle Beziehungen unterhalten. Außerdem habe sie ihnen freiwillig Einlass in ihr Dienstzimmer gewährt, und zuvor, auf der Weihnachtsfeier, habe sie mit ihrer Reizwäsche kokettiert. Wenn das keine Einladung zu „mehr” war!
Zwar wurden die Ärzte 1984 in erster Instanz zu Gefängnisstrafen verurteilt, 1986 auf die erfolgreiche Revision der beiden Angeklagten hin jedoch – „in dubio pro reo” – freigesprochen. Von einer durchaus möglichen weiteren Revision sah die Ärztin ab – einen dritten Prozess hätte sie nach eigener Aussage nicht durchgestanden.
In verschiedenen Themenkomplexen behandeln 12 Autorinnen die rechtliche Handhabung sexueller Gewalt vom 18. Jahrhundert über Weimarer Republik und Nationalsozialismus bis hin zur 1998/99 erfolgten Reform der Sexualdelikte im StGB. Besonders deutlich wird dabei, wie sich bestimmte opferfeindliche Aspekte kontinuierlich über die Zeit gerettet haben: Bestimmt hat sie dem Kerl schöne Augen gemacht. Sie ist ja auch sonst kein Kind von Traurigkeit. Und wenn sie es wirklich nicht gewollt hat, wieso hat sie sich dann nicht stärker gewehrt? Außerdem: Ein wenig wollen doch alle Frauen zum Geschlechtsverkehr „überredet” werden.
Gerade wenn Täter und Opfer einander kennen, eine an sich harmlose Situation plötzlich „umkippt”, weichen Täter- und Opfersicht sehr voneinander ab. Die Beweisführung gerät oftmals zu einem aussichtslosen Unterfangen. Das Opfer schweigt nicht nur aus Scham, sondern auch aus Angst. Angst davor, vor Gericht nochmals gedemütigt und als Mit- oder gar Hauptschuldige hingestellt zu werden und nach einem erniedrigenden Prozess in das lachende Gesicht ihres Peinigers blicken zu müssen, der als freier Mann den Gerichtsaal verlässt. Legt man die Erkenntnisse dieses Buches zugrunde, dann hatte die Stadt München gute Gründe, auf dem nächsten Oktoberfest erstmals eine Notstation für sexuell belästigte Frauen einzurichten.
ANNE MENTRUP
CHRISTINE KÜNZEL (Hrsg.): Unzucht – Notzucht – Vergewaltigung. Definitionen und Deutungen sexueller Gewalt von der Aufklärung bis heute. Campus Verlag, Frankfurt am Main. 283 Seiten, 34,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

In dem von Christine Künzel herausgegebenen Buch behandeln zwölf Autorinnen die rechtliche Handhabung sexueller Gewalt vom 18. Jahrhundert über Weimarer Republik und Nationalsozialismus bis hin zur 1998/99 erfolgten Reform der Sexualdelikte im StGB, so die Beschreibung Anne Mentrups. Besonders deutlich werde in diesem Buch, dass trotz aller strafrechtlichen Veränderungen "bestimmte opferfeindliche Aspekte" erhalten geblieben sind, wie die Rezensentin illustriert: Habe sie nicht dem Kerl schöne Augen gemacht? Und auch sonst sei sie doch kein Kind von Traurigkeit und warum habe sie sich nicht stärker gewehrt? Strafprozesse gerieten oft auch deshalb zu einem aussichtslosen Unterfangen, weil sich Täter und Opfer kennen und das Opfer aus Scham und manchmal auch aus Angst schweige, so die Ergebnisse der Lektüre Mentrups. Sie schließt ihre Besprechung mit der Empfehlung , angesichts der im Buch geschilderten Fakten "beim nächsten Oktoberfest erstmals eine Notstation für sexuell belästigte Frauen einzurichten."

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