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Knut Görich zeigt an einem Lieblingsthema der deutschen Mediävistik, der Herrschaft Friedrich Barbarossas, und an einem der zentraleren Prinzipien seines Herrschaftshandelns, welche grundsätzlich neuen Perspektiven einem scheinbar umfassend erforschten Feld abzugewinnen sind, wenn man in Abweichung von den üblichen Forschungsansätzen die 'Bedeutung der Ehre' für das politische Handeln Barbarossas ins Zentrum der Untersuchung stellt. Die Ehre als vergleichsweise 'archaische' Handlungsnorm hatte auf die Politik des Staufers große Auswirkungen. Umfassend diskutiert Görich, in welchen…mehr

Produktbeschreibung
Knut Görich zeigt an einem Lieblingsthema der deutschen Mediävistik, der Herrschaft Friedrich Barbarossas, und an einem der zentraleren Prinzipien seines Herrschaftshandelns, welche grundsätzlich neuen Perspektiven einem scheinbar umfassend erforschten Feld abzugewinnen sind, wenn man in Abweichung von den üblichen Forschungsansätzen die 'Bedeutung der Ehre' für das politische Handeln Barbarossas ins Zentrum der Untersuchung stellt. Die Ehre als vergleichsweise 'archaische' Handlungsnorm hatte auf die Politik des Staufers große Auswirkungen. Umfassend diskutiert Görich, in welchen Zusammenhängen und mit welchen Bedeutungen der Begriff 'honor' im Spektrum des politischen Handelns Friedrich Barbarossas erwähnt wird, inwieweit sein herrscherliches Handeln durch Anforderungen dieses 'honor' bestimmt war, welche Sanktionen auf Verletzung des herrscherlichen 'honor' zu gewärtigen waren. Damit gewinnt Görich einen Schlüssel zu den Handlungsmaximen Barbarossas, der seine Herrschaft in einem völlig neuen Licht zeigt.
Autorenporträt
Knut Görich, geb. 1959, Promotion (1992) und Habilitation (2000) in Tübingen, ist Wissenschaftlicher Assistent in der Abteilung für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Tübingen. Er veröffentliche u.a.: Dietrich von Silve-bénite. Ein Kartäuser im Dienst Friedrich Barbarossas (1987); Otto III. Romanus Saxonicus et Italicus (1993, 2. Aufl. 1995). Zahlreiche Aufsätze in Fachzeitschriften und Sammelbänden insbesondere zu Themen der ottonischen und staufischen Geschichte, u.a.: Der Herrscher als parteiischer Richter. Barbarossa in der Lombardei (1995); Eine Wende im Osten: Heinrich II. und Boleslaw Chrobry (1997); Otto III. öffnet das Karlsgrab in Aachen (1998); Ottonische Königinnen als Fürsprecherinnen (2000).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das zentrale Motiv für das Handeln Friedrich Barbarossas, wie es sich in seiner Selbstdarstellung zeigt und wie es die Habilitationsschrift von Knut Görich herausarbeitet, wäre heute, so jedenfalls der Rezensent Heinz Thomas, nur noch schwer zu vermitteln. Es handelt sich dabei um die "personenbezogene Ehre", die "Inbegriff von Ansehen, Würde, Recht, Macht, Erbe, Herrschaft" gewesen ist. Daraus folgt, unter anderem, dass Rache eine angemessene Reaktion war. Dabei war, auch wenn, wie der Rezensent bemängelt, Görich diesen Aspekt nicht beachtet, Rache durchaus vereinbar mit Gerechtigkeit. Die These des Buches von Barbarossas Bezug auf Ideen des Rittertums teilt Thomas nicht, dagegen wird Friedrich Heers Buch "Tragödie des Heiligen Reichs" von 1952 mehrfach angeführt, das auf manches der von Görich dargestellten Phänomene den "schärferen Blick" gehabt habe. Dennoch: "höchst anregend" findet Thomas Görichs Untersuchung schon.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2001

Grenzenlose Gerechtigkeit
Der erste Weltkrieger: Knut Görich gibt Barbarossa die Ehre / Von Heinz Thomas

Ein mittelalterlicher Kaiser werde von Historikern der Gegenwart leicht in einen kühl kalkulierenden Kabinettspolitiker verwandelt, verschwinde hinter der Charaktermaske eines juristisch versierten Realpolitikers, weil sich ein zentrales Motiv jener Zeit, die personenbezogene Ehre, kaum in die Muster moderner Institutionengeschichte füge. So umschreibt Knut Görich in seiner Tübinger Habilitationsschrift das Problem, der Gestalt Friedrichs I. gerecht zu werden.

Der Staufer war 1152 zum König gewählt worden, 1155 wurde er zum Kaiser gekrönt, 1178 ließ er sich in Arles obendrein noch die Krone des Königreichs Burgund aufs Haupt setzen. 1190 kam er im kalten Wasser des Saleph ums Leben, noch ehe die von ihm angeführten Kreuzfahrer das Heilige Grab erreicht hatten. In der Tat würde es heute erheblicher Überredungskunst bedürfen, die vom Kaiser selbst, wenn nicht konzipierte, so doch autorisierte Skizze seiner frühen Taten, also einen authentischen Text der Zeit, in einem Schulbuch unterzubringen, es sei denn, man wollte den Eindruck erwecken, die Wahl von Friedrichs Beinamen Barbarossa für den Angriff auf die Sowjetunion sei durchaus nicht so abwegig gewesen, wie man gerne glauben möchte.

Seine Taten in den ersten fünf Jahren der Herrschaft im Römischen Erdkreis (in orbe Romano) hat der Staufer in einem Brief an seinen Oheim, den Bischof Otto von Freising, in der Erwartung skizziert, daß der Empfänger gemäß seiner großen Chronik über das gesamte Weltgeschehen auch die gerade erst angebrochene Zeit des Neffen schildern werde. In der Lombardei, so Friedrich, die wegen der Abwesenheit der Kaiser rebellisch geworden wäre, habe er fast alle Burgen zerstören lassen, und zwar nicht von (edlen) Rittern (milites), sondern durch die notwendige und gerechte Wut (furor) der Knechte (servientes). Dem kriegerischen Element seines Wirkens hat der Kaiser den bei weitem größten Teil seines Memorandums gewidmet, auf dessen Grundlage Otto von Freising dann eine umfangreiche Historie schrieb.

Die von Görich vornehmlich genutzten Quellen lassen erkennen, daß die in den Chroniken des zwölften Jahrhunderts entworfenen Bilder vom Wirken des Kaisers dessen Selbstporträt nicht wesentlich in Frage stellen, wobei einige nichtdeutsche Autoren den römisch-imperialen Gestus dieses Herrschers als Ausdruck von Tyrannis und Barbarei erscheinen ließen. Obwohl der als zentral eingeschätzte Begriff der Ehre auch in den Urkunden des Staufers sehr oft begegnet, hat Görich vor allem erzählende Quellen ausgewertet. Deren Problematik wird hervorgehoben: Die Vorstellungen, die sich die Chronisten vom Handeln des Kaisers machten, könnten dessen Intentionen verfehlen, orientierten sie sich doch häufiger an Vermutungen über die Wirklichkeit als an dieser selbst. Diese Diskrepanz sei aber nicht so bedeutsam, lag es doch nicht in der Absicht der Chronisten, eine irreale Welt zu fingieren, vielmehr setzten sie "implizit Wissen über gültige Regeln sozialer Interaktion voraus". In der so entworfenen oder nachgezeichneten Welt aber habe Ehre eine zentrale Rolle gespielt.

Diese These wird anhand eines reichen Materials eindrucksvoll untermauert. Demnach war Ehre Inbegriff von Ansehen, Würde, Recht, Macht, Erbe, Herrschaft. Auch der Adel lebte in und mit solcher Ehre; zumindest in der weltlichen Sphäre aber hatte die Ehre des Kaisers oder des Reiches nicht ihresgleichen. Diesem Anspruch mußte auch im öffentlich demonstrierten Habitus Genüge getan werden. Ehrverletzung war Ursache und Anlaß für den Versuch zu deren Wiederherstellung, und das könne als handlungsbestimmender Faktor universalen Ausmaßes gewertet werden. Dabei sei es um weit mehr gegangen als um die Durchsetzung eines eng umrissenen, in Kategorien verschiedener Politikbereiche - Finanzen, Wirtschaft, Justiz - faßbaren zweckrationalen Interesses. Vorstellungen von rational geplanter Machtpolitik könnten die Motivation von Barbarossas Handeln nur schlecht reflektieren, weil dieses unter dem Druck ganz anders gearteter Erwartungen stand: Die Ehre war zu wahren, und daraus rührte der Zwang zur Rache.

Auf der Davids-Platte der Reichskrone wurde die Ehre des Königs mit einem Psalmvers aller Welt vor Augen geführt: Honor regis diligit iustitiam. (Die Ehre des Königs liebt die Gerechtigkeit.) Die seit dem 11. September gegen archaisch wirkende Absichten ins Spiel gebrachte Forderung "Justice, not vengeance" könnte die Vermutung nähren, Barbarossa habe nicht die Gerechtigkeit geliebt, sondern die Rache, die ungezügelte, ungemessene Vergeltung. Görich hat es in den Abschnitten über Ehrverletzung und deren Vergeltung unterlassen, die mit der Sache untrennbar verwobenen philologischen Aspekte genauer zu beachten.

Da ist Friedrich Heer in seiner von manchen Zunftoberen getadelten oder ignorierten "Tragödie des Heiligen Reiches" (1952) präziser verfahren. Demnach war in der Welt der frühen Staufer bei einer Ehrverletzung, dem "leit", Rache ein durchaus mit Gerechtigkeit im Einklang stehender Vorgang, denn auch Barbarossas Gott forderte oder gewährte ganz selbstverständlich schreckenerregende, gerechte Rache. Dieses Gottesbild war allerdings nicht, wie Heer es wohl meinte, die Eigenheit einer sich dem Ende zuneigenden "alten Welt" und rührte auch nicht allein aus germanischer Tradition. Noch der in Englands Historiographie hochgeschätzte Heinrich V. hat sich seit 1415 im Kampf um die Krone Frankreichs oft und gern auf das 5. Buch Mose berufen, das ihm als Richtschnur für seine von gnadenloser Härte geprägte Kriegsführung diente.

Görich glaubt die Frage nach den tiefer liegenden Motiven für Barbarossas Verhaltensweisen am Ende in der uns heute "fremden, ehrgebundenen Mentalität des Kriegeradels" ermittelt zu haben, nachdem er schon in der Einleitung darauf verwiesen hatte, ein einzig auf die Ebene des gerichtlich einklagbaren Reichsrechts beschränktes Verständnis des Begriffs Honor scheide den sonst unbestritten als ritterlich charakterisierten Staufer von einer Handlungsnorm ab, die nicht nur die Helden der Epik - genannt wird nur der Iwein Hartmanns von Aue -, sondern auch den realen Adel im Innersten geprägt hätte. Das große Mainzer Hoffest von 1184, die dabei erfolgte Schwertleite von zwei Kaisersöhnen, Turniere und das Sängerlob Heinrichs von Veldeke seien Anlaß gewesen, den Kaiser als idealste Ausprägung des Rittertums zu bezeichnen.

Indes kann für eine solche Einschätzung Veldekes berühmter Hymnus auf das Mainzer Fest nicht bemüht werden, denn darin werden keine Ritter, Turniere, keine Ritterschaft genannt, sondern wird die Person des Kaisers Friedrich gerühmt, der selbst Roms Spitzenahn Aeneas in den Schatten zu stellen scheint. Friedrich Heer hatte wohl doch den schärferen Blick, als er meinte, Barbarossa habe mit der aus dem Westen eindringenden Mode der Ritterschaft nicht viel im Sinn gehabt. Die Einzigartigkeit dieses Kaisers beruhte nach seiner Ansicht in der Einzigartigkeit des Anspruchs auf Oberherrschaft über die Christenheit, über das Imperium. Den Zentralbegriff von Görichs Studie hat Veldeke allerdings genannt: Dem Kaiser Friedrich ward bei dieser (seltsamerweise als "unmazlich" gepriesenen - oder gerügten) "hochzit" so "manech ere", daß man immer mehr Wunder davon sagen mag, bis an den Jüngsten Tag. Nur sechs Jahre später war der Kaiser tot, kurz danach starben die beiden Söhne, die in Mainz mit dem Schwert gegürtet worden waren.

Für seine These, daß die archaische Mentalität des Kriegeradels die vielleicht ausschlaggebende Triebfeder von Barbarossas Persönlichkeit gewesen sei, könnte sich Görich indes auf einen Kronzeugen berufen, den Dichter des Nibelungenlieds. Die Kernbegriffe dieses Epos hat Friedrich Maurer 1951 in einer von Görich übersehenen Studie über das Leid in den großen Epen der Stauferzeit gesammelt und gedeutet. Am Ende der Geschichte von maßloser Ehre, maßlosem Leid und maßloser Rache sind die Könige von Burgund aus Worms am Rhein mitsamt der Schwester niedergestreckt: Diu vil michel ere was da gelegen tot. Das Nibelungenlied ist gewiß kein Schlüsselroman, aber doch eine große Parabel zur Gegenwart der Zeit um 1200, als die ehrversessene Macht eines unter römisch-christlicher Tunika noch immer archaisch geprägten Königtums sich gemäß seinen alten Gesetzen selbst zu vernichten schien. Es wäre angebracht, ungeachtet des zu erwartenden Bannstrahls von gegenwärtig maßgeblichen Germanisten auf der Grundlage von Görichs höchst anregendem Buch über diesen definitiven Aspekt von Barbarossas Ehre erneut nachzudenken.

Knut Görich: "Die Ehre Friedrich Barbarossas". Kommunikation, Konflikt und politisches Handeln im 12. Jahrhundert. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2001. X, 638 S., geb., 128,- DM.

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