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Ein Dorf, umschlossen von Bergen und dunklen Wäldern, am Ende der Welt: Eine seltsame Stille und Traurigkeit liegt über ihm, ein Bannfluch. Einmal war es ein Dorf wie andere auch - dann aber verschwanden auf mysteriöse Weise in einer Winternacht vor vielen Jahren alle Tiere, zahme wie wilde, und nie wieder zeigte sich dort auch nur ein Vogel am Horizont. Die Erwachsenen, die sich noch daran erinnern, hüllen sich in Schweigen. Sobald es dunkel wird, schließen sich alle Menschen in ihre Häuser ein, und nur eines wissen die Kinder: Nie, unter gar keinen Umständen, dürfen sie den umgebenden Wald…mehr

Produktbeschreibung
Ein Dorf, umschlossen von Bergen und dunklen Wäldern, am Ende der Welt: Eine seltsame Stille und Traurigkeit liegt über ihm, ein Bannfluch. Einmal war es ein Dorf wie andere auch - dann aber verschwanden auf mysteriöse Weise in einer Winternacht vor vielen Jahren alle Tiere, zahme wie wilde, und nie wieder zeigte sich dort auch nur ein Vogel am Horizont. Die Erwachsenen, die sich noch daran erinnern, hüllen sich in Schweigen. Sobald es dunkel wird, schließen sich alle Menschen in ihre Häuser ein, und nur eines wissen die Kinder: Nie, unter gar keinen Umständen, dürfen sie den umgebenden Wald betreten. Doch eines Tages brechen ein Mädchen und ein Junge die stillschweigende Übereinkunft aller Dorfbewohner: Maja und Mati entschließen sich zu ergründen, was einst geschah, und begeben sich in den Wald, in den unheimlichen Herrschaftsbereich des gefürchteten Bergteufels Nehi. Amos Oz Märchen für Kinder und Erwachsene führt uns in eine Welt, die der unseren zugleich enthoben und nahe ist, erzählt mit poetischer Dichte von einer Gemeinschaft im Schatten einer verschwiegenen Geschichte, die erst durch den Mut zweier Kinder sich enthüllt: Plötzlich tief im Wald.
Autorenporträt
Amos Oz, geb. 1939 als Amos Klausner in Jerusalem, wuchs auch dort auf. Seine Eltern waren 1917 von Odessa nach Wilna (damals Polen) geflüchtet und wanderten von dort nach Palästina aus. 1954 trat er dem Kibbuz Chulda bei und nahm den Namen Oz an, der auf hebräisch Kraft, Stärke bedeutet. Von 1960-63 studierte er Literatur und Philosophie an der hebräischen Universität in Jerusalem und kehrte nach seinem Bachelor-Abschluss in den Kibbuz zurück und lehrte bis 1986 Literatur und Philosophie an der Oberschule Hulda. Seit dem 6-Tage-Krieg war er in der israelischen Friedensbewegung aktiv und befürwortete eine Zwei-Staaten-Bildung im israelisch-palästinensichen Konflikt. Er ist Mitbegründer und herausragender Vertreter der seit 1977 bestehenden Friedensbewegung Schalom achschaw (Peace now). Seit 1987 lehrt er Hebräische Literatur an der Ben-Gurion Universität von Negev, Beesheba. Die Werke von Amos Oz wurden in 37 Sprachen übersetzt. Er hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten, u. a. im Jahr 2013 den Franz-Kafka-Preis und 2014 den Siegfried-Lenz-Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.07.2006

Das Gespenst Vergissmeindoch
Kindern gewidmet: Das Erwachsenenmärchen „Plötzlich tief im Wald” von Amos Oz
Es gibt schon einige Geschichten darüber, wie sich der Kolonialismus in den Lektürelisten und Köpfen der Kolonisierten niedergelassen hat: Deutsche Pädagogen brachten die Tannen der Brüder Grimm nach Südwestafrika, französische Kollegen sorgten für den Lobpreis der Zivilisation in den Hütten von La Réunion, aufstrebende Inder hatten angelsächsische Nachtigallen zu rezitieren.
Was aber hat es damit auf sich, wenn Amos Oz, wohnhaft in Arad, einer größeren Siedlung in der Wüste Negev, in hebräischer Sprache ein Märchen schreibt, das auf Deutsch den Titel trägt „Plötzlich tief im Wald”? Ein Buch, in dem ein verlorenes Paradies so gepriesen wird: „Der Garten erstreckte sich weit in alle Himmelsrichtungen, blühende Hänge, die in dunkle Wälder übergingen, Obsthaine und Gemüsebeete, soweit das Auge reichte. Da und dort flossen, Silberfäden gleich, kleine Bäche.” Ist das, muss man sich fragen, die Anpassung des Weltliteraten Oz an die abendländisch dominierte Überlieferung des Märchens? Oder geht es, politischer gedacht und also bei Oz nicht abwegig, vielleicht eher um die Evokation der in Europa und anderswo verlassenen Heimat, um deren in Israel gern tabuisiertes Lob, abgesetzt vom erreichten, aber kargen gelobten Land?
In seinem autobiografischen Roman „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis” hat Oz vor zwei Jahren beschrieben, wie sich in seiner eigenen Familie die an der Vergangenheit hängende erste Generation der Einwanderer und jene der Söhne und Töchter gegenüberstanden. Der als Amos Klausner 1939 in Jerusalem geborene Oz beschreibt seine Faszination für die Pioniere, die, braun gebrannt und zukunftsgläubig, die Wüste zu beleben versuchten, während die eigene Großmutter in Odessa noch einen literarischen Salon unterhalten hatte und der dort verbrachten Zeit hinterher träumte.
Das Paradies jedenfalls ist in „Plötzlich tief im Wald” nicht erreicht, sondern verloren. In dem Dorf, in dem Oz’ Märchen spielt, gibt es zwar Wald, aber die Tiere kennen die Kinder nur noch vom Hörensagen. Emanuela, die Lehrerin, eine sonderlingshafte, älter gewordene Jungfer, bringt den Schülern bei, „wie ein Bär aussieht, wie die Fische atmen und welche Laute eine Hyäne nachts von sich gibt”, erntet damit aber nur Spott. Dem Fischer Almon ergeht es ähnlich, wenn er Phantasiegestalten aus Holz schnitzt, oder, als Schriftstellerfigur des Texts, sich in „Gedankenheften” an die Nacht erinnert, in der sich alles verändert hat. Was genau damals passiert ist, erfährt man lange nicht. Jedenfalls scheint es, als hätten alle Tiere das Dorf in einer einzigen Nacht verlassen, angeführt von Nehi, dem Bergteufel. Seither verrichten die meisten Menschen ihr Tagewerk schweigend und in der Angst, es könne ihnen etwas passieren.
Spott und Hohn
Die „politische” Interpretation des Paradiesverlusts wird gestützt durch die Darstellung der „Vergesser” und der „Erinnerer” im Buch. Die Erinnerer, das sind insgeheim alle Erwachsenen. Sie tragen an der Flucht der Tiere eine diffuse Mitschuld, lassen die genaueren Umstände zwar im Dunkeln, wehren Fragen mit Spott und Hohn ab, doch immer wieder singen sie nachts und versuchen, die verschwundenen Tiere zu imitieren.
Die Vergesser hingegen gibt es vor allem unter den Jüngeren, es sind jene, für die all „die Muhs und Mähs und Miaus” der Erinnerer „nichts anderes waren als seltsame Erfindungen, die sich die Eltern ausgedacht hatten, ein Aberglaube aus der Vergangenheit, von dem man sich befreien müsse, um endlich das wirkliche Leben zu leben”, stellvertretend für die zukunftsgewandten Siedlungskinder Israels. Doch die strukturelle Offenheit des Märchens lässt auch eine in ihrer Gegensätzlichkeit komplementäre Lesart zu, die sich auf den Holocaust konzentriert, auf jene, die noch immer an einer möglichen Mitschuld ihrer Eltern oder Großeltern kauen, während andere programmatisch vergessen. „Warum, zum Beispiel”, fragt Nehi, der Bergteufel: „lasst ihr zu, dass Euch eure Eltern zum Schweigen bringen, wenn ihr herauszufinden versucht, was vor Eurer Geburt wirklich geschehen ist. Warum erlaubt ihr ihnen, immer gleich über etwas anderes zu sprechen?”
Es scheint, als hätte Oz ganz verschiedene Bedeutungsschichten übereinandergelegt. Einen Hinweis zur „Vielsprachigkeit” seines Texts gibt er selber, wenn er in der Widmung vier Kindern dankt, die „mir geholfen haben, diese Geschichte zu erzählen, und sie mit eigenen überraschenden Ideen und Vorschlägen bereicherten”. Man kann „Plötzlich tief im Wald” auch ohne all diesen Hintergrund lesen, einfach als zeitloses Paradiesmärchen vom verlorenen Glück, das von seinen bizarren Charakteren lebt, wie etwa „Vergissmeindoch”, einem alten Mann, der am liebsten verschwinden möchte. Aber selbst die Figur des Bergteufels Nehi ist bei näherer Betrachtung so angelegt, dass mehr hinter ihr stecken muss. Denn Nehi hat so gar nichts Teuflisches an sich. Von einem „nicht mehr jungen, nicht sehr großen und leicht gebeugten Mann” ist die Rede, „barhäuptig, mit einem braungebrannten, von Falten durchfurchten Gesicht.” Die beinahe weißen Haare fallen ihm auf die Schultern, und den Kindern Mati und Maja, die Oz auf die Suche nach Nehi geschickt hat, beobachtet er mit einem „leichten”, aber auch „bittereren” und „gedankenverlorenen Lächeln”.
In der durchsichtigen Verkleidung eines alten Pioniers zeichnet Oz hier eines der vielen Bilder des ewigen Juden. Es bleibt sehr versöhnlich: Nehi sehnt sich nach der Geborgenheit des Dorfes zurück, das ihn ausgestoßen hat. Ab und zu schleicht er sich nachts als Gespenst zwischen die Häuser, schaut in die Wohnungen und in die Bücher, die die Menschen hier lesen. HANS-PETER KUNISCH
AMOS OZ: Plötzlich tief im Wald. Ein Märchen. Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler. Suhrkamp Verlag. Frankfurt am Main 2006. 112 Seiten, 12,80 Euro.
Hier träumt Amos Oz europäische Märchen: Eine künstliche Karawane in der Wüste Negev.
Foto:
James Marshall/Corbis
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Sehr angetan ist Hans-Peter Kunisch von diesem sonderbaren und vielschichtigen Märchen aus der Feder von Amos Oz. "Plötzlich tief im Wald" erzähle die Geschichte eines Dorfes, aus dem eines Tages die Tiere, angeführt vom Bergteufel Nehi, geflüchtet seien. Schon kennt die heranwachsende Dorfgeneration keine Tiere mehr und fühlen sich von der ständigen Erinnerung durch die Erwachsenen, dass es Tiere gegeben habe und welche, belästigt. Eine der zahlreichen Bedeutungsebenen dieses Märchens, so der Rezensent, ist sicherlich Israels generationsspezifischer Umgang mit der Shoah und der Vertreibung der Juden aus Europa, bei dem der "vergessliche" Neuanfang der Jungen dem Erinnern der Alten gegenübersteht - ein Erinnern jedoch, das nicht ohne die vage Vermutung der eigenen Mitschuld vonstattengeht. Schon die Beschreibung des paradiesischen Dorfes mit seinen sehr europäisch anmutenden dunklen Wäldern, klaren Bächen und Gemüsebeeten (im Gegensatz zur dürren Kargheit des gelobten Landes) hat die Aufmerksamkeit des Rezensenten in diese Richtung gelenkt. Doch "Plötzlich tief im Wald", so das Fazit des Rezensenten, kann auch schlicht als ein "zeitloses Paradiesmärchen vom verlorenen Glück" gelesen werden, das seinen Reiz aus seinen skurrilen Figuren bezieht.

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