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"Wir wollen dort nicht einsam sein, wo wir endlich leben", heißt es in Geist der Utopie. Ernst Bloch vertritt die Idee einer vom eigenen Schaffen untrennbaren Liebe. Für ihn nimmt sie Gestalt an, als er 1927 die zwanzig Jahre jüngere Karola Piotrkowska kennenlernt, und er gibt dieser Liebe in seinen Briefen leidenschaftlich Ausdruck, weit über das Private hinaus: "Wir gehörten zu uns; zu Dir gehörte ich; zu Dir mit meinem Werk, das ich zu tun habe", lautet seine Erinnerung an eine frühe Begegnung mit seiner künftigen Frau; die beiden heiraten 1934 und leben bis zu Blochs Tod zusammen.
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Produktbeschreibung
"Wir wollen dort nicht einsam sein, wo wir endlich leben", heißt es in Geist der Utopie. Ernst Bloch vertritt die Idee einer vom eigenen Schaffen untrennbaren Liebe. Für ihn nimmt sie Gestalt an, als er 1927 die zwanzig Jahre jüngere Karola Piotrkowska kennenlernt, und er gibt dieser Liebe in seinen Briefen leidenschaftlich Ausdruck, weit über das Private hinaus: "Wir gehörten zu uns; zu Dir gehörte ich; zu Dir mit meinem Werk, das ich zu tun habe", lautet seine Erinnerung an eine frühe Begegnung mit seiner künftigen Frau; die beiden heiraten 1934 und leben bis zu Blochs Tod zusammen.

So werden die Briefe aus der Zeit des "zu bestehenden Abenteuers der Treue, das Ehe heißt" zu einem Weg durch Blochs Denken wie durch die Zeitgeschichte: Er berichtet vom Zerfall der Weimarer Republik und ihrem kulturellen Milieu, von seiner Haltung zu Benjamin, Brecht oder Lukács, von den Zukunftsplänen im Exil und von einer Sehnsucht, die stets auf das Ganze zielt.

Das Innenministerium der DDR beschlagnahmte die persönliche Habe von Ernst und Karola Bloch, als beide nach dem Bau der Mauer im August 1961 in der Bundesrepublik blieben. 1986 erhielt Karola Bloch ein umfangreiches Konvolut zurück, darunter die 82 nun edierten Briefe.
Autorenporträt
Bloch, Ernst
Ernst Simon Bloch wurde am 8. Juli 1885 in Ludwigshafen am Rhein geboren und starb am 4. August 1977 in Tübingen. Er entstammte einer jüdischen Familie aus der Pfalz. Von 1905 bis 1908 studierte er Philosophie bei Theodor Lipps in München und Oswald Külpe in Würzburg und wurde im Jahr 1908 promoviert. 1913 heiratete er die aus Riga stammende Bildhauerin Else von Stritzky. Als engagierter Gegner des Krieges ging er von 1917 bis 1919 mit seiner Frau in die Schweiz und war in Bern für das Archiv für Sozialwissenschaften tätig. 1917 beendete er in Locarno sein Werk Geist der Utopie. Ein Jahr nach dem Tod seiner Frau heiratete er 1922 die Malerin Linda Oppenheimer. Die Ehe hielt bis 1928. In der Zwischenzeit kehrte Bloch zurück nach Berlin. Zu seinen damaligen Freunden gehörten Bertolt Brecht, Kurt Weill, Theodor W. Adorno und Walter Benjamin. Politisch war Bloch sehr aktiv und bekämpfte schon früh die aufstrebende NSDAP. Nach Hitlers Machtübernahme wurde er ausgebürgert u

nd emigrierte mit seiner ebenfalls jüdischen Lebensgefährtin Karola Piotrowska in die Schweiz. Nachdem sie von der Züricher Fremdenpolizei des Landes verwiesen wurden, heirateten beide 1934 in Wien. Von 1934 bis 1937 lebten sie in Paris, Sanary und Prag und emigrierten anschließend in die USA, wo sie zehn Jahre blieben. Dort schrieb Bloch an seinen Werken Das Prinzip Hoffnung, Subjekt - Objekt. Erläuterungen zu Hegel und Naturrecht und menschliche Würde. Nach dem Krieg, 1948, erhielt er einen Ruf nach Leipzig auf den Lehrstuhl für Philosophie. Trotz langjähriger Konflikte mit der SED blieb er bis 1961 dort. Kurz vor dem Bau der Mauer befand sich Bloch für einen Vortrag in Tübingen. Angesichts der neuen politischen Situation beschlossen er und seine Frau, in Westdeutschland zu bleiben. Unter anderem aufgrund des großen Einsatzes von Freunden konnte Bloch eine Gastprofessur in Tübingen antreten, wo er bis zu seinem Tod 1977 blieb.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.11.2005

Bin wohl deutsch
Bärlein und Kulmchen: Ernst Blochs Briefe an Karola
Sie waren ein seltsames Paar, ein hinreißendes Paar. Ernst und Karola Bloch, ein Jahrhundertpaar, erotisch, philosophisch, politisch, eine „mystische Union”, die häufig getrennt verreiste, in Alltagsnöten und Familienzwist, zwischen Avantgarde und Küche, Bett und Bierschänke. Welches Geschenk, dieser Briefband, in dem sich privates Glück und öffentliche Tragödie der Zwischenkriegszeit widerspiegeln! Nur ein kapitaler Mangel trübt die Lektüre: Es sind nur die Briefe Blochs überliefert, des „Bärleins”. Was seine geliebte Karola, das „Kulmchen” der Briefe - benannt nach einem Hotel in Portofino - geschrieben hat, ging verloren.
Über Blochs Arbeit ist einiges zu erfahren. Die Vorliebe für kleine Texte erklärt er mit der Enge seiner Wohnungen, wo kein Platz für viele Manuskripte ist. Vor allem beschwört Bloch immerfort die Erotik des Werkes, das erst durch Karola wird und wächst, in deren Schoß er es beinahe buchstäblich zu zeugen glaubt: „Wir ergänzen uns großartig. Du bist auch hingebend, weil Du ein ganzes Weib bist. Dass Du nicht nur hingebend bist, hat auch ein großes Geheimnis; Du machst mich nicht eingehen. Du lässt mich an Dir leben und schaffen. Wie Du es einmal gesagt hast: Wir werben immer umeinander.”
Ob Bloch Karola stilistische Ratschläge gibt oder meint, der Architekturstudentin etwas über Architektur erzählen zu müssen; ob er sich nach ihren Suppen sehnt oder nach ihrem viel gepriesenen „engen Schoß”; ob er ihr Speditionsanweisungen gibt, weil er in Wien ohne Wintermantel, in der Schweiz ohne Hemden sitzt, oder ihr zu erklären versucht, warum auch sie als Juden Weihnachten feiern dürften - immer schwebt ein Liebeszauber noch über dem Banalsten.
Träume vom Harem
Er teilt alles mit ihr, selbst die Affären werden angedeutet, die sexuellen Phantasien ausgemalt: „Mein liebes Kulmchen, während Du weg bist, mehren sich, gerade weil ich Dich so liebe, meine merkwürdigen Harems-Träume. Der Orient in mir schweigt nicht (und glücklicherweise ist er auch in Dir, die Lieblingsfrau versteht das). Ich träume davon, mit Dir und einer anderen Frau” - und dann schildert er intim-detailliert seinen Traum zu dritt, nennt neben einer jungen Geigerin als mögliche Mit-Gespielin Gretel Karplus, Theodor W. Adornos Gretel. Dies fügt er dann zum Liebesschwur: „So sicher und eigentümlich aber ist meine Liebe zu Dir und so fern aller Möglichkeiten des ‚Ehebruchs‘, dass ich überhaupt mit keiner anderen Frau verkehren möchte, wenn Du nicht dabei bist . . . Nur die Trennung treibt solche Archetypen aus dem Morgenland herauf. Und: den allergrößten Teil des Jahrs möchte ich mit Dir allein sein. Mit dem Bekenntnis des letzten Satzes schließe ich den erstaunlichen Brief. Er bringt ja nichts Neues und: er ist ein Liebesbrief.” Und was für einer.
Als beide sich 1927 ineinander verliebten, war sie zarte zweiundzwanzig, Bloch zwanzig Jahre älter. Und doch war es ein Bündnis von Gleichen und Gleichrangigen, lässt sich nicht ausmachen, wer von beiden „reifer” und lebensklüger war. Karola Piotrkowski stammte aus einer Lodzer Fabrikantenfamilie und trennte sich für die neue Liebe von Alfred Kantorowicz. Bloch hatte gerade seine zweite Frau verlassen und eine Tochter mit einer Ferienliebe gezeugt.
Er war leidenschaftlicher Pfälzer im Berliner Exil, ein in linksintellektuellen Kreisen hochangesehener Philosoph und Schriftsteller, der von Stücken für Frankfurter Zeitung, Weltbühne und Literarische Welt oder von Lesungen im Rundfunk lebte. Er gab vor, Berlin zu hassen und nur Süddeutschland zu lieben, wo ihm selbst die Nazis weniger antisemitisch schienen. Walter Benjamin führte er einmal in seine Heimatstadt Ludwigshafen, die noch keiner so besungen hat: „Ich zeigte ihm den Schauplatz des Geistes, der sich erst bildet; natürlich wurde er von dieser Stadt besoffen. Am abendlichen Rhein mit den Schiffen, Lagerhäusern, Proleten war er ganz weg.”
Wie reich blüht das geistige Leben im Berlin der zwanziger Jahre, wenn Bloch seiner Karola von Treffen und Trinkabenden mit Benjamin und Brecht, mit Kurt Weill und Otto Klemperer, mit Kracauer, Lukács oder Joseph Roth berichtet. Vorbei ist diese Zeit, für immer. Aus Berlin flohen sie nach Zürich, dann nach Wien, wo sie 1934 heirateten, nach Paris und schließlich Prag, von wo sie 1938 nach Amerika aufbrachen. Karolas Vater zahlte ihnen die Schiffspassage von Danzig nach New York.
Das Märchen und die Nazine
In Neuengland brachte Karola den Mann und den in Prag geborenen Sohn als Architektin durch. Für die Familie in Polen war es bald zu spät. Ihr Weg führte ins Ghetto und schließlich in die Gaskammern von Treblinka. Alle Rettungsversuche schlugen fehl. Der Vater klammerte sich an seine deutschen Diplome und konnte noch im Juli 1942 nicht glauben, dass er in Gefahr war.
Deutschland gab es da nicht mehr. Bloch, politisch so oft ahnungslos, hat es früh so kommen sehen - nicht den Völkermord, sondern das Ende der deutschen Kulturnation. Man muss nur einige der Briefe nebeneinander stellen, um Blochs Selbstverständnis zu begreifen. Zunächst diagnostiziert er, in marxistischer Selbstkritik, bei sich, Weill, Brecht, Benjamin etwas „Großbürgerliches und sicher feudal-Theologisches”. Daher seine Begeisterung für die orientalischen Märchenerzähler. „Ich selbst komme mir in diesem gefährlichen Augenblick wie einer ihrer vor, wie der letzte Träumer, letzte Metaphysiker.” Doch der Kapitalismus hat das Märchen „ausgerottet”, und auch der „Kommunismus will uns nicht helfen, treibt das Werk des Kapitals hierin unverändert fort; er verwechselt Märchen mit Mythos, Wachträume von einem anderen Leben mit dem Schlaf und den Lügen, die das schlechte rechtfertigen.” Bloch hingegen sieht seine Metaphysik „als Sprengstoff im Sinn des ganz echten, mythosfreien Märchens”.
Er nennt sich „Rationalist des Irrationalen”, den sein „Frommsein” in keinem Atemzug verlässt. Dieses heitere Frommsein „fehlt dem Kommunismus nicht, aber er weiß es nicht. Es fehlt nur der K.P., und genau das fehlt uns zu unserem Sieg. Da ist, durch den Kapitalismus, etwas verkümmert; da ist ein schreckliches Stück Kapitalismus selbst.” Die Partei war ihm zu wenig Glaube und zu viel Kirche. Woher die Kraft nehmen für den Sieg?
Das Märchenhafte war für Bloch etwas zutiefst Deutsches. Eine kurze Affäre, vor sich selbst mit Bekehrungsversuchen gerechtfertigt, verband den jüdischen Kommunisten 1933 mit Elisabeth Waldmann, einer späteren NS-Journalistin. Der „Nazine”, wie er sie gegenüber Karola bezeichnet, schreibt er: „Wäre meine Philosophie nicht so jüdisch, so könnte man sagen: wie ist sie deutsch”; er beschwört „die völlig ungebrochene Selbstbegegnung eines stolzen Juden in der deutschen Metaphysik und die völlig ungebrochene Selbstbegegnung des deutschen Geistes in der Bibel.” Welch seltsame Vision einer deutsch-jüdischen „Symbiose” im Frühjahr 1933! Doch Bloch ist nicht einfach benebelt vom Liebesweihrauch seiner „deutschen Christin”. Er prophezeit ihr zugleich den Untergang: „Entfernt sich Deutschland von den Grundlagen der Bibel, so ist es nicht mehr das Deutschland, das es seit Meister Eckhardt ist, und das bis zu - Mahler reichte.”
Den schmerzlichen Endpunkt seines Traums, der hinter ihm liegt, hat Bloch erkannt. So übernimmt er die gesamte, die dunkle wie die lichte Erbschaft jener langen Zeit, nicht nur Aufklärung und Klassik, sondern alles - von Meister Eckhardt zur jüdische Emigration reicht nun die einzig legitime Abstammungslinie deutscher Kultur: „Mein Amt, grade das Amt eines blutshaft Bibelkundigen . . ., ist es, dieses Deutschland . . . in der jetzigen Zeit und auch der nachfolgenden zu halten.” Bloch sah sich als der wahre praeceptor Germaniae, nicht weil er es wollte, sondern weil die Nazis ihn dazu machten, weil die Deutschen, die für ihn keine Deutschen mehr waren, es nicht anders wollten. Darum erklärt er Karola im September 1934: „Erstaunlich (und mir mit starken Mischgefühlen heutzutage verbunden): ich rette, aus tiefstem Innern, den heutigen ‚Deutschen‘ ihre Tradition; und ich kann nichts machen: ich bin wohl ein ‚deutscher Philosoph‘.”
Akute politische Blindheit
Diese Briefe quellen über vor Witz und Liebe. Da sind die kleinen persönlichen Schwächen, die den Leser rühren. Etwa dieser kindliche Egoismus Karola gegenüber, der sich immer wieder in ehrliche, gleichberechtigte Liebe auflöst. Noch die Spitzen gegen den Freund Benjamin sind entwaffnend offen, er attestiert ihm den Hang zum „Grüppchenhaften”; „was Benjamin organisatorisch angreift, macht er falsch; er mythologisiert es. Macht aus Mücken Elefanten, die er dann durch ein Nadelöhr seiht.”
Es ist Blochs Politik, über die man nicht hinwegsehen kann. Mit Brecht und den anderen Freunden agitiert er in Berlin für die kommunistische und später im Exil gegen die faschistische Sache. Dass beide Lager im Weltbürgerkrieg sich in ihrer Praxis immer näher kamen, wollte er nie erkennen. Es ging auch anders: Karola war Mitglied der KP, sie wurde sogar als Geheimagentin auf gefährliche Missionen in Polen geschickt. Als sie vom roten Terror Stalins erfuhr, von den Schauprozessen, da brach sie, wie so viele politische sensible Linksintellektuelle jener Jahre, mit Moskau.
Bloch dagegen verteidigte Stalin und attackierte Trotzki. Er glaubte der Sowjetpropaganda, wollte die „vereinigte Energie der Nazibestie, des japanischen Raubstaats, des trotzkistischen Hasses” vernichten. Schon in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren ist Blochs politische Blindheit akut, wie die Briefe zeigen. Die zahlreichen Fehleinschätzungen des Nationalsozialismus sind noch das Geringste, auch andere erwarteten damals den Zerfall der Hitlerbewegung.
Nur verbindet sich bei Bloch damit Häme gegen „Radikalismus mit Thomas Mann, Märtyrertum für Liberalismus”. Als Hitler Kanzler wurde, schrieb er: „Aber wie rasch wird alles, auch dem Dümmsten, in praxi deutlich. Ich übersehe die ungeheure Gefahr nicht, aber sie ist geringer als die Verhüllung des juste milieu (bei gleichem faschistischen Inhalt).” In diesem Satz kommt die ganze politische Dummheit der radikalen Intelligenz zum Ausdruck. Bloch unterschätzte die Gefahr des Nationalsozialismus, weil er der kommunistischen Theorie folgen wollte. Die feinen Unterschiede, die für Millionen Tod oder Leben bedeuten mochten, blieben ihm unverständlich. Und so fällt ein Schatten auf den großen Liebenden, funkelnden Stilisten und hinreißenden Briefschreiber.
TIM B. MÜLLER
ERNST BLOCH: Das Abenteuer der Treue. Briefe an Karola 1928-1949. Hrsg. von Anna Czajka. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005. 267 Seiten, 19,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Vom Sozialismus mag ja nicht mehr viel übrig geblieben sein, aber als "wehmütige Idee" hat er für den Rezensenten Otto A. Böhmer überlebt. Denn der Sozialismus hatte wenigstens einige "veritable Denker, die zu lesen noch immer lohnt". Ernst Bloch war so einer. Die Briefe an Karola Piotrkowska, in einem "ansehnlichen Buch" hier zusammengetragen, so Böhmer, zeigen den Philosophen als "großen Stilisten", der "eigenwillig bis in die letzte Wortprägung" seine künftige Ehefrau umwirbt. Böhmer zitiert ganze Passagen, in denen der verliebte Bloch seinem vollen Herzen Luft macht. Der Rezensent ist beeindruckt und - wie uns scheint - gerührt.

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