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Nach dem Gedichtband Einzug in Cremona legt Miodrag Pavlovic eine poetische Autobiographie sui generis vor: "Was ich mir erträume, das geschieht mir auch" ist das Leitmotiv dieses Meisterwerks; phantastische Reise, Poetik des eigenen Werks und die Erzählung eines Lebens im Jugoslawien des 20.Jahrhunderts. Ein sich wandelndes Ich durchstreift Epochen und Kulturen auf der Suche nach dem Menschlichen, das in der Überlagerung verschiedener Zeitschichten sichtbar wird. Erinnerungen an die frühe Kindheit, an südliche Landschaften, die Strände der Adria und Ägäis; Reisen an die Ursprünge der…mehr

Produktbeschreibung
Nach dem Gedichtband Einzug in Cremona legt Miodrag Pavlovic eine poetische Autobiographie sui generis vor: "Was ich mir erträume, das geschieht mir auch" ist das Leitmotiv dieses Meisterwerks; phantastische Reise, Poetik des eigenen Werks und die Erzählung eines Lebens im Jugoslawien des 20.Jahrhunderts. Ein sich wandelndes Ich durchstreift Epochen und Kulturen auf der Suche nach dem Menschlichen, das in der Überlagerung verschiedener Zeitschichten sichtbar wird.
Erinnerungen an die frühe Kindheit, an südliche Landschaften, die Strände der Adria und Ägäis; Reisen an die Ursprünge der Schönheit - die Haine Griechenlands, eine Tempelanlage in Indien, das Tal der Könige in Ägypten, Kunstwerke der Renaissance - bilden das Mittelstück eines Triptychons, dessen Seitenflügel Belgrad gewidmet sind, dem Ort, an dem Leben und Poesie einander herausfordern.
Pavlovic versammelt Freunde und Verwandte, Ausgewanderte und Umgekommene zu einer imaginären Familienfeier, die nie stattfindenwird. In einer "zweiten Wiederkehr" läßt er sie auferstehen und mit ihnen die Nachkriegszeit, den Beginn der Tito-Ära, die sie aus dem Land getrieben hat. Als Ende der neunziger Jahre wieder Bomben auf die Stadt fallen, ersinnt der Ich-Erzähler, ein Psychiater, eine "Therapeutik des historischen Bewusstseins".
Die Bucht der Aphrodite ist ein Buch über Belgrad und die europäische Geschichte, das große Erzählwerk eines Lyrikers, der zum Archäologen seines Werkes wird und seinen Bildern, Metaphern und Formen die Freiheit gibt, sich ihrer Herkunft zu erinnern.
Autorenporträt
Miodrag Pavlovic wurde 1928 in Novi Sad geboren, wuchs in Belgrad auf und studierte dort Medizin. Er arbeitete eine Zeitlang als Arzt, dann als Dramaturg am Belgrader Nationaltheater und als Lektor im Verlag Prosveta. Für sein umfangreiches, in zahlreiche Sprachen übersetztes Werk, das auch Essays über philosophische, anthropologische und literarische Themen umfaßt, wurde er mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Pavlovic lebt in Belgrad und Tuttlingen.

1952 debütierte er mit dem legendären Band 87 Gedichte, der ihn als radikalen "Modernisten" der jugoslawischen Lyrik bekannt machte. In den sechziger Jahren beginnt seine Rückbesinnung auf die Anfänge; in den Mythen der Griechen und der auf dem Balkan lebenden Slawen sucht er nach den Grundlagen der heutigen Zivilisation. Er beschäftigt sich - angeregt durch die neolithischen Funde von Lepenski Vir im Donauraum - mit Archäologie und Anthropologie. Das Verhältnis des Menschen zu seiner Geschichte, die immer auch Naturgeschichte ist, zieht sich durch das gesamte Werk. Die Katastrophe seines Landes hat er bereits 1969 in dem visionären Gedichtzyklus Über ein kleines Volk vorausgesehen.

Heute gehört Pavlovic mit einem Oeuvre von über 30 Gedichtbänden in eine Reihe mit Zbigniew Herbert, Czeslaw Milosz, Jan Skácel und Joseph Brodsky. Der vom Autor zusammengestellte Auswahlband Einzug in Cremona enthält Gedichte aus 50 Jahren und bietet den deutschen Lesern erstmals wieder die Möglichkeit, sich mit der Lyrik Pavlovics umfassend bekannt zu machen. Seine 2001 in der Friedenauer Presse erschienenen Kindheitserinnerungen an Belgrad 1941 bis 1944 leiteten die Entdeckung dieses Autors ein.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.12.2003

Schattenseiten weinen nicht
Es ist sehr weit von Belgrad bis Paris: Miodrag Paclovics Roman „Die Bucht der Aphrodite”
Es war der feigste Krieg aller Zeiten. Die Angreifer gaben sich vor und realisierten, dass kein einziger ihrer eigenen Leute ums Leben kam, während sie das angegriffene Land nach einer sorgfältigen Choreografie in Schutt und Asche legten. Wie reagiert man, wenn man am Boden sitzt und nichts, gar nichts tun kann gegen diese Flieger und Raketen, die Brücken und Bahnhöfe, Schulen und Fernsehsender aus einer unbelangbaren Höhe herab vernichten? Nur aus der Erfahrung dieser absoluten Ausgeliefertheit lässt sich das neue Buch des serbischen Autors Miodrag Pavlovic verstehen. „Zielen sie nur auf schöne und massive Gebäude, die Werke unserer besten Architekten, oder zielen sie auch auf hässliche unbrauchbare Gebäude? Warum machen hochmoderne Jäger Jagd auf Schafe in Zlatibor, warum treffen sie manche Autobusse in den Bauch, andre nur am Schienbein?”
Die nachtdunkle Historie
Es ist der Indifferenzpunkt der Ohnmacht, an dem sich noch nicht sagen lässt, ob ein Selbstmordattentäter oder ein elegischer Ironiker daraus hervorgehen wird. Pavlovic entscheidet sich, als Schriftsteller, für das Zweite. Als fühlbarste und erste Wirkung des Krieges beklagt er die Zerrüttung der Phantasie, und zwar gerade bei denen, die sie in hohem Maß besaßen; deren relativer Luxus-Charakter erweist sich in Zeiten, wo die Nahrungsmittelversorgung oder auch nur das Überleben am nächsten Tag nicht gesichert sind und die imaginativen Fähigkeiten kaum mit der Wirklichkeit Schritt halten, geschweige denn über freie Kapazitäten verfügen. So entfaltet er sein Gegenprogramm: die gesamte Geschichte der armen serbischen Nation soll aufgeboten werden, in einem gigantischen Familienfest, zu dem Lebende und Tote vom Ausland und aus ihren Gräbern zusammenströmen.
Die serbische Geschichte jedoch, „unsere nachtdunkle Historie”, wo immer ein Karadjorjevic damit beschäftigt war, einen Obrenovic um die Ecke zu bringen oder umgekehrt, und wo der Blick hinaus über das amerikanische Bombardement Belgrads im Jahr 1999 hauptsächlich die Erinnerung an das österreichische Bombardement im Jahr 1915 weckt, an das deutsche im Jahr 1941 und wieder das angelsächsische im Jahr 1944, hält wenig Trost bereit. Zusätzlich muss der gesamte Bildungsvorrat der westlichen und östlichen Welt aufgerufen werden, um den Zusammenhang mit einem größeren Ganzen zu beschwören.
Nietzsche tritt auf und Savonarola, Aphrodite verwandelt sich zuerst in eine Badenixe, dem das erzählende Ich am Strand von Zypern begegnet, und dann in die indische Göttin Durga, die sich in ihrem Tanz mit Ketten aus menschlichen Schädeln schmückt; Andromeda erscheint mit ihrem Seeungeheuer und ihrem Retter Perseus, der aus der Luft herangeritten kommt. (Man merkt es dem Buch an, dass Pavlovic einem ehrlichen Seeungeheuer den Vorzug gibt vor der arglistigen Arroganz eines Luftkriegers.) Die Rede ist von „neu entdeckten Grenzen des Kosmos” - ich habe statt „des Kosmos” erst „des Kosovos” gelesen; und denke noch immer, dass es mit dieser Lesart seine tiefere Richtigkeit hat.
Das alles ist leicht erzählt, anekdotisch, mit einem erheblichen Maß an Kenntnissen und an Charme, und die offene Form begünstigt beiläufige tiefe Einsichten: Ein einheimischer Architekt erhängt sich, weil ihm nachgewiesen wurde, dass sein Entwurf für eine Belgrader Parkeinfriedung direkt aus Paris gestohlen war – und Pavlovic wundert sich gleichermaßen über Vorwurf wie Konsequenz. Denn bildet sich so etwas wie Stil in der Architektur überhaupt auf anderem Weg heraus als auf dem des Plagiats? Oder es wird im Vorbeigehen angemerkt, „wie die Intensität des Glücks, das wir empfinden können, im vorhinein abgemessen ist”. Absatzlos geht er sofort zu anderem über, und man stockt; fragt sich, ob man gerade richtig gehört hat; und liest noch mal. Das ist wahre intellektuelle Großmut, einen Gedanken so zwischen Tür und Angel fallenzulassen. So unmarkiert ereignen sich die wahren Höhepunkte des Buchs.
Daneben hat es leider auch Raum für ungezählte preziöse Banalitäten, denen der Übergang vom spontanen, gesprächsweise geäußerten Einfall zum Druck schlecht bekommen ist. Der Protagonist schaut Bilder im Museum an: „Der heilige Johannes der Theologe sah mir nicht in die Augen, weil er an seiner Offenbarung schrieb oder etwas hinzuschrieb - für mich hatte er keine Zeit.” Das ist schon ein bisschen arg verspielt und egozentrisch. Man täte Buch und Autor jedoch unrecht, wenn man ihr anspielungsreiches Morgen- und Abendländertum nur für überkandideltes Namedropping hielte. Je weniger man dazugehört, desto mehr muss man es mimen.
Europa in Uhrglasform
Europa hat derzeit (und schon länger) uhrglasförmige Gestalt, mit einer breiten zentralen Fläche und steil abschüssiger Peripherie. Daraus bestimmen sich die zwei Arten seines Kosmopolitentums: von Gastgeber und Gast, Bittsteller und allenfalls Gewährendem. Nur scheinbar grüßen sie sich als Gleiche. Ein Serbe muss verzweifelt nach Paris und London streben, „so als hätte ich an diesen Orten ein Gesicht erhalten, denn nur ein Gesicht kann weinen. Schattenseiten weinen nicht”. Weinen können aber muss man; daheim in Belgrad, wo angesichts der niedergehenden Bomben nur ein trockenes Entsetzen waltet, gelingt das nicht. Der Krieg ist immer da, auch wo an der Oberfläche von etwas anderem gesprochen wird. Er hat, wie Pavlovic es sieht, nur einen einzigen Nutzen gehabt: „die Erkenntnis, dass wir lieben müssen, was wir sind”.
Kann das in einem Land wie dem heutigen Serbien etwas anderes bedeuten als einen verhüllenden Ausdruck für Hoffnungslosigkeit?
BURKHARD MÜLLER
MIODRAG PAVLOVIC: Die Bucht der Aphrodite. Roman. Aus dem Serbischen von Peter Urban. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003. 307 Seiten, Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Die Definition stammt vom Autor selbst: Als "Schreiben unter begleitendem Imaginieren" hat der serbokroatische Schriftsteller Miodrag Pavlovic seine Vorgehensweise an anderer Stelle bezeichnet. Nichts wäre treffender für das neue Buch als diese Formulierung, freut sich Dieter Hildebrandt, der den Untertitel Roman als irreführend bezeichnet. Beim "Buch der Aphrodite" handelt es sich eher um eine "rhapsodische Autobiografie", behauptet Hildebrandt, ein Erinnerungsbuch, das dem eigenen Leben ebenso wie den Mythen des Alten Europas nachspürt. Der erste Teil des Buches widmet sich dem Plan, zur Jahrtausendfeier alle ehemaligen Freunde, Feinde, Verwandte, Verstorbene an einem Ort in Belgrad zu versammeln, berichtet Hildebrandt, eine Totenfeier, ein Memorial, das für ihn "zwischen Apokalyptik und Anekdote" schwankt und deshalb für Außenstehende schwer zugänglich sei. Erst im zweiten Teil des Buches evoziert der polyglotte Pavlovic antike Mythen, denen das Buch auch seinen Titel verdankt und die Pavlovic in einem Teppich weiterverarbeitet, an dem Generationen vorher schon mitgewirkt haben. Das Wunderbare dieses Buches sei, schwärmt Hildebrandt und greift die Teppich-Metapher Pavlovic' auf, dass es sich dabei nicht um einen Flickenteppich handele, sondern um einen Teppich, der fliegen könne.

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