Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 5,90 €
  • Broschiertes Buch

Je lauter die Wissenschaft verkündet, Leben im Labor herstellen zu wollen, desto heftiger wird ihr vorgeworfen, Gott ins Handwerk zu pfuschen. Je schriller Kritiker der Wissenschaft entgegenhalten, Gott zu spielen, um so erstrebenswerter erscheint ihr das Gotteshandwerk. Vor dem Hintergrund einer kurzen Kulturgeschichte der Lebensherstellung - von Aristoteles über Frankenstein bis zur Synthetischen Biologie und Craig Venter - plädiert Joachim Schummer für eine Versachlichung der hitzigen Debatte. Denn die Herstellung von Leben ist ein so fragwürdiges wissenschaftliches oder technisches Ziel,…mehr

Produktbeschreibung
Je lauter die Wissenschaft verkündet, Leben im Labor herstellen zu wollen, desto heftiger wird ihr vorgeworfen, Gott ins Handwerk zu pfuschen. Je schriller Kritiker der Wissenschaft entgegenhalten, Gott zu spielen, um so erstrebenswerter erscheint ihr das Gotteshandwerk. Vor dem Hintergrund einer kurzen Kulturgeschichte der Lebensherstellung - von Aristoteles über Frankenstein bis zur Synthetischen Biologie und Craig Venter - plädiert Joachim Schummer für eine Versachlichung der hitzigen Debatte. Denn die Herstellung von Leben ist ein so fragwürdiges wissenschaftliches oder technisches Ziel, wie der Vorwurf des Gottspielens ein zweifelhafter theologischer oder ethischer Einwand ist.
Autorenporträt
Joachim Schummer, Dr. phil. habil., geboren 1963, ist Philosoph, Soziologe und diplomierter Chemiker. Er lehrt an Universitäten nur noch auf Einladung, zuletzt als Gastprofessor u.a. in den USA, Australien, Brasilien, Bulgarien, Kolumbien, Philippinen und Deutschland. Er war wissenschaftlicher Berater der UNESCO und des Deutschen Museums in München und ist seit zwei Jahrzehnten Herausgeber einer internationalen Fachzeitschrift zur Philosophie der Chemie. Seine Forschungsschwerpunkte sind Philosophie, Geschichte, Ethik, Soziologie und Politik der Wissenschaften.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Ganz angetan ist Rezensent Ulrich Kühne von Joachim Schummers Geschichte der künstlichen Herstellung von Leben. Dem Wissenschaftsphilosoph und Chemiker gelingt es zu seiner Freude, diese Geschichte von der Antike bis heute ebenso erhellend wie unterhaltsam darzustellen. Dabei bringt der Autor für ihn nicht nur jede Menge Skurrilitäten ans Tageslicht, sondern schildert auch Missverständnisse und Geschichtsvergessenheit in den aktuellen Biotechnologie-Debatten. Vor allem hebt Kühne die Entlarvung des Mythos vom Gott spielenden Biochemiker hervor.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.06.2012

Schöpfung
und Hefe
Joachim Schummer fragt: Wenn sich neues Leben wirklich
im Labor herstellen ließe, was wäre daran verwerflich?
Vor einem guten Jahr ging das Forschungsinstitut des amerikanischen Biochemikers und Unternehmers Craig Venter mit der Nachricht an die Öffentlichkeit, man habe die „erste sich selbst replizierende synthetische Bakterienzelle“ hergestellt. Das wurde zur vorerst größten Sensationsmeldung aus der noch jungen „Synthetischen Biologie“. Schien es doch nun wirklich möglich zu sein: Dass der Mensch selbst Leben schaffe. Dass der Mensch Gott spiele. So zumindest wurde es fast weltweit in den Überschriften der Medien jener Tage formuliert.
Joachim Schummer hält beides für falsch: erstens die Behauptung, dass Leben hergestellt wurde; sowie zweitens, selbst wenn dem so wäre, die Kritik der Medien, dass so eine Lebensherstellung moralisch problematisch sei, weil sie göttlicher Schöpfung gleichkomme. Das erklärt der Chemiker und Philosoph jetzt in dem Buch „Das Gotteshandwerk. Die künstliche Herstellung von Leben im Labor“, einem längeren populärwissenschaftlichen Essay, ähnlich seinem ersten Bändchen in der „Edition Unseld“ zur Nanotechnologie. Das Buch beginnt kulturwissenschaftlich und wissenschaftshistorisch – von Schöpfungsmythen über Anleitungen zum Herstellen von Mäusen „aus getragener Unterwäsche und Weizenkörnern“ im 17. Jahrhundert bis hin zur Erfindung ölvernichtender Bakterien in heutigen Labors –, um schließlich auch philosophisch zu argumentieren.
Nach Joachim Schummer lässt sich weder ein theologischer noch säkularer überzeugender Argumentkern herausschälen, warum Lebensherstellung an sich verwerflich sein sollte. Theologisch ließe sich dies nur mit einem radikalen Kreationismus begründen, nach dem es keinerlei evolutionäre oder spontane Lebensentstehung gibt, sondern alles direkt von dem einen ursprünglichen Schöpfungsakt Gottes abstammt. Doch das vertritt kaum jemand. Es lassen sich sogar in der Bibel genügend Stellen finden, die Entwarnung geben: Dem Menschen wird auch eine Rolle als Mitschöpfer zugeschrieben, und böse ist die Nachahmung Gottes nur da, wo sie aus Hybris geschieht. Auch der Vatikan verhält sich in dieser Frage eher zurückhaltend.
Wichtiger in einer säkularen Gesellschaft ist ohnehin zu verstehen, was die säkulare Variante eines Verbots der Lebensherstellung sein sollte. Und hier hat die deontologische Ethik für Schummer keine überzeugenden Gründe zu bieten. Die Rede vom „intrinsischen Wert“ von Leben etwa scheint vielmehr zum Herstellen geradezu aufzufordern. Denn warum sollte man nicht vermehren, was wertvoll ist? Zumindest, solange es sich um Leben allgemein handelt, wie bisher – und nicht um Leben von Personen.
Natürlich könnten und müssten diese Überlegungen weitergeführt werden, wie es in der akademischen Philosophie derzeit auch der Fall ist, und ganz so schnell ist der Ausgang nicht klar. Aber es ist verdienstvoll, in dieser Streitschrift überhaupt einmal so klare Akzente zu setzen. Allein, Schummers Kritik an der Kritik wirkt etwas zu vehement, wenn man sich genauer ansieht, wer der Gegner ist: Der Autor konzentriert sich völlig auf Schlagzeilen. Diese hat er zwar eindrücklich weltweit analysiert – aber Titelei spitzt immer zu, und oft gibt sie den Tenor eines Artikels nicht angemessen wieder. Die Überschriften über Gott und Genesis sollen ja in erster Linie Leser anziehen, nicht selbst ein Argument sein. Sie sind, wie Schummer selbst sagt, „Ausdruck einer ethischen Aufgeregtheit“. Doch damit sind sie eben gar nicht so sehr die Kritik, auf die Schummer mit seiner Kritik abzielt.
Aber Joachim Schummer hat noch einen weiteren Punkt, der gilt, auch wenn die „Gott spielen“-Schlagworte keine dezidierte Kritik sind: Solche Sätze verfestigen die Vorstellung und Erwartung, dass tatsächlich Leben hergestellt werde. Dies hält der Autor für gefährlich, da es den jungen Wissenschaftszweig Synthetische Biologie weiter in eine Richtung treibt, die ihr gar nicht guttut. Im Wettstreit um Fördergelder konzentriert man sich so sehr auf das Ziel der Lebensherstellung, dass wichtigere und seriösere Ziele in den Hintergrund rücken: die Erkenntnis der Welt durch Grundlagenforschung in kleinen Schritten, und der Nutzen durch anwendungsorientiertes Forschen – wozu es oft ausreicht, Zellen zu verändern statt neu zu schaffen.
Im Übrigen bestreitet Schummer – wie gesagt, seine zweite These –, dass bisher überhaupt schon neues Leben geschaffen wurde. Das demonstriert er vor allem am Fall Craig Venter. Venters Team hat ein Genom mit Hilfe von lebenden Hefezellen synthetisiert und dafür gesorgt, dass sie in eine artfremde Bakterienzelle gelangen. Das ist bestenfalls so, „als ob“ einen gesamte Zelle hergestellt worden wäre. So steht es auch im wissenschaftlichen Artikel in der Zeitschrift Science – nur nicht in der Pressemitteilung und in keinem Interview.
Schummer hält es tatsächlich insgesamt für unseriös, in der Synthetischen Biologie von Lebensherstellung zu sprechen, in jeder der Varianten, sei es durch chemische Genomsynthese, informationstechnische Reformulierung des „metabolic engineering“ oder Protozellenforschung. Der Begriffe „Leben“ und „Herstellen“ sind für ihn so vage beziehungsweise metaphysisch aufgeladen, dass „eine wissenschaftliche Entscheidung über eine vermeintliche Lebensherstellung schlechterdings unmöglich“ ist.
Diese Einschätzung erscheint nun selbst wieder übertrieben. Gewiss hat es viele verschiedene Interpretationen dessen gegeben, was Lebensherstellung heißt, und es gibt sie weiterhin – aber das hindert nicht daran, dass man von einer bestimmten Definition ausgehend feststellen kann, ob dies gelungen ist oder nicht. Genau das tut der Autor ja selbst, wenn er im Fall Venter urteilt.
Plausibel (wenn auch in der Wortwahl in diesem Zusammenhang delikat) ist wiederum Schummers warnende These, dass sich Wissenschaft und Medien in einer „Teufelsspirale“ gegenseitig hochtreiben – die eine setzt sich problematische Ziele, die anderen verhindern eine vernünftige kritische Diskussion.
Genau eine solche Debatte aber brauchen wir tatsächlich. Es ist eben nicht klar, wo genau die moralisch relevanten Unterschiede liegen zwischen einerseits dem, was die Forscher in Craig Venters Institut machen, und andererseits Blumenzüchten oder dem, was Angler tun, wenn sie aus verwesendem Fleisch, mit Hilfe von Fliegen, Madenköder gewinnen. In jedem Fall ist das Buch von Joachim Schummer ein hilfreicher Beitrag zur Differenzierung in einer Debatte, in der wissenschaftliche und ethische Kriterien auf besondere Weise im Fluss sind.
EVA WEBER-GUSKAR
JOACHIM SCHUMMER: Das Gotteshandwerk. Die künstliche Herstellung von Leben im Labor. Suhrkamp Verlag, Berlin 2011. 239 Seiten, 10 Euro.
Gute theologische oder ethische
Argumente gegen „synthetische
Biologie“ findet der Autor nicht
Wissenschaftsjournalismus und
Wissenschaft arbeiten gemeinsam
an einer „Teufelsspirale“
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr