16,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

Spätestens seit dem Erfolg seiner "Hymne der demokratischen Jugend" hat sich Serhij Zhadan als originellste Gegenstimme zum poetischen Landvermesser Juri Andruchowytsch etabliert. In seiner sechsteiligen Erzählung "Big Mäc" kehrt er der Anarchie der postsowjetischen Umbruchzeit den Rücken und flaniert durch die Straßen alter Städte - Orte der Subkultur, Mitteleuropa entmythologisiert. Im »Berlin, das wir verloren haben« lauern Irrsinn und Einsamkeit hinter jeder Toreinfahrt. In Wien meditiert er über »Zehn Arten, John Lennon umzubringen«. Es zieht ihn nicht nur zu den hedonistischen…mehr

Produktbeschreibung
Spätestens seit dem Erfolg seiner "Hymne der demokratischen Jugend" hat sich Serhij Zhadan als originellste Gegenstimme zum poetischen Landvermesser Juri Andruchowytsch etabliert. In seiner sechsteiligen Erzählung "Big Mäc" kehrt er der Anarchie der postsowjetischen Umbruchzeit den Rücken und flaniert durch die Straßen alter Städte - Orte der Subkultur, Mitteleuropa entmythologisiert. Im »Berlin, das wir verloren haben« lauern Irrsinn und Einsamkeit hinter jeder Toreinfahrt. In Wien meditiert er über »Zehn Arten, John Lennon umzubringen«. Es zieht ihn nicht nur zu den hedonistischen Außenseitern, die unter kalten europäischen Himmeln herumwandern, sondern auch in die eigene Vergangenheit: eine Welt des Lachens und endlosen Fliegens »am Orangenhimmel, der sich über unserer Heimat ausspannte«.
Autorenporträt
Serhij Zhadan, 1974 im Gebiet Luhansk/Ostukraine geboren, studierte Germanistik, promovierte über den ukrainischen Futurismus und gehört seit 1991 zu den prägenden Figuren der jungen Szene in Charkiw. Er debütierte als 17-Jähriger und publizierte zwölf Gedichtbände und sieben Prosawerke. Für Die Erfindung des Jazz im Donbass wurde er mit dem Jan-Michalski-Literaturpreis und mit dem Brücke-Berlin-Preis 2014 ausgezeichnet (zusammen mit Juri Durkot und Sabine Stöhr). Die BBC kürte das Werk zum »Buch des Jahrzehnts«. 2022 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Zhadan lebt in Charkiw, Ukraine. Claudia Dathe, geboren 1971, studierte Übersetzungswissenschaft (Schwerpunkt Russisch und Polnisch) am Institut für Angewandte Linguistik und Translatalogie der Universität Leipzig sowie in Pjatigorsk (Russland) und Krakau. Anschließend absolvierte sie ein Fernstudium der Betriebswirtschaftslehre. Für den Suhrkamp Verlag übersetzt sie Werke Serhij Zhadans aus dem Ukrainischen ins Deutsche und wurde unter anderem für ihre Übertragung seines Lyrikbands Antenne mit dem Drahomán-Preis ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.11.2011

Glückliche Verluste
Serhij Zhadans Geschichten aus der Ukraine: "Bic Mäc"

Kennen Sie Big Mäc? Klar, ein Burger. Nicht doch! Der Titel der gleichnamigen Sammlung skurriler Erzählungen von Serhij Zhadan ist eine subtile Reminiszenz an einen etwas angestaubten Song aus dem Album "The Roar of 74" von Buddy Rich. Zhadan gilt als junger Wilder innerhalb der prächtig gedeihenden ukrainischen Literatur. 1974 wurde er im ostukrainischen Starobilsk geboren, aufgewachsen ist er in Charkiw. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, was vom westlichen Getöse der siebziger Jahre während der Hochzeit der sowjetischen Stagnation in der ukrainischen Provinz angekommen ist, was nicht heißt, dass es dort keine Musik gab.

Elf Geschichten im Rhythmus einer Generation. Der Erzähler begleitet seine Zeitgenossen aus der sowjetischen Kindheit, in der er, um bei seinen Kumpels Eindruck zu schinden, die spärlichen Dialoge flimmernder, abgespielter Pornovideos aus dem Westen äußerst frei und üppig in die Landessprache übertrug, in die triste Übergangsphase zur raubtierartigen Marktwirtschaft à la Ukraine. Der Westen und sein Vorposten Berlin mutieren zu magischen transparenten loci amoeni, Bahnhöfe und schäbige Hotels auf dem Weg dorthin werden zur Bühne, auf der sich die kleinen und größeren Dramen vollziehen. Kinder kommen im Bus zur Welt, kurz bevor man das gelobte Land erreicht. Es waren nur noch ein paar Kilometer bis zur Grenze gewesen.

Es ist wie mit den verrotteten Industriestandorten, die sieben Vorhöllen durchlaufen, bis sie als "dead industrials" in Fotobänden und Ausstellungen enden. In einer Art Lyrik in Prosa singt Zhadan den proletarischen Donbass-Blues, das schwermütige Lied dieses "marxistischen Klondike", das selbst auf Farbaufnahmen nur in Graustufen erscheint. Das alles ist nicht nostalgisch, nur melancholisch, Verluste, die uns glücklich machen.

Bizarr vermischen sich Zeiten und Welten, wie in der schönsten Geschichte des Bandes, genannt nach Ljena, die alle Schlager des Jahres kannte. Fünf Leute stranden kurz vor Neujahr im schlechtesten Hotel einer europäischen Peripherie. Mit einem alten deutschen Bajonett wird die letzte Konserve geöffnet, dann geht man auf Skype, fragt nach dem Wetter, dem Dollarkurs, den Sportereignissen. Hot Dog und Hassan machen zwielichtige Geschäfte, Kesha soll Orgelpfeifen für die Charkiwer Philharmonie abholen, von denen erst die Hälfte vor den Feiertagen fertig geworden ist. Die Pfeifen nimmt er im ungeheizten Hotelzimmer mit ins Bett. Sie brauchen Zimmertemperatur, um sich nicht zu verziehen. Und Ljena jagt in der namenlosen ukrainischen Stadt dem Geist von Weihnachten nach, der "bitter war wie angebrannter Zucker". Die ewig geöffneten Kioske liegen im Schnee wie metallene Schlachtschiffe.

Man ist auf der Durchreise und weiß nicht, wohin, man warte auf Signale, auf Schleusen, die sich öffnen. Vergeblich, aber nicht vergessen.

SABINE BERKING.

Serhij Zhadan: "Big Mäc". Geschichten.

Aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe. Suhrkamp Verlag, edition suhrkamp, Berlin 2011. 230 S., br., 14,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die elf hier versammelten Geschichten von Serhij Zhadan, einem der jungen Wilden der ukrainischen Literatur, pulsieren für Rezensentin Sabine Berking im Rhythmus einer Generation, die von der sowjetischen Kindheit über triste Wege bis hin zum Raubtierkapitalismus der Ukraine viel mitgemacht hat. Zhadans die Rezensentin lyrisch anmutende Prosa hat den Blues weg. Melancholisch, nicht nostalgisch, konstatiert Berking, seien die Transitgeschichten aus schäbigen Hotels und Bahnhöfen und sehr skurril.

© Perlentaucher Medien GmbH