Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 4,80 €
  • Broschiertes Buch

Immer wieder werden wir Zeuge, wie schwer sich die Europäische Union damit tut, gemeinschaftlich eine kohärente Außenpolitik zu entwickeln und zu vertreten und wie sehr noch nationale Interessen und Rivalitäten alle Bemühungen konterkarieren, mit einer "europäischen Stimme" zu sprechen. Die heutigen Mängel und Defizite der GASP lassen es wichtig erscheinen, den historischen Wurzeln beim Aufbau supranationaler europäischer Außenbeziehungen durch die erste europäische Gemeinschaft, die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), seit ihrer Gründung 1952 nachzuspüren. Aus der Perspektive…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Immer wieder werden wir Zeuge, wie schwer sich die Europäische Union damit tut, gemeinschaftlich eine kohärente Außenpolitik zu entwickeln und zu vertreten und wie sehr noch nationale Interessen und Rivalitäten alle Bemühungen konterkarieren, mit einer "europäischen Stimme" zu sprechen. Die heutigen Mängel und Defizite der GASP lassen es wichtig erscheinen, den historischen Wurzeln beim Aufbau supranationaler europäischer Außenbeziehungen durch die erste europäische Gemeinschaft, die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), seit ihrer Gründung 1952 nachzuspüren. Aus der Perspektive des ersten supranationalen Akteurs, der Hohen Behörde der EGKS, werden die Anfänge der gemeinschaftlichen Assoziierungspolitik sowie das Streben um den Aufbau eines gemeinsamen europäischen diplomatischen Dienstes im Spannungsfeld zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten untersucht. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit damals die Chance bestand, so etwas wie eine europäische Außenpolitikauf Dauer zu institutionalisieren, und wo etwaige Versäumnisse und Hindernisse beim Wahrnehmen dieser Chance lagen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.2004

Dornige Wege
Die EGKS bemühte sich um eine europäische Außenpolitik

Claudia Becker-Döring: Die Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl von 1952-1960. Die Anfänge einer europäischen Außenpolitik? Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2003. 387 Seiten, 68,- [Euro].

Europa müsse auch in der Außenpolitik mit einer Stimme sprechen: Diese Forderung begleitet die europäische Einigungspolitik der Nachkriegszeit seit ihren Anfängen. Doch ebenso lange stehen die Eigeninteressen der Nationalstaaten einer Durchsetzung dieser Forderung entgegen. Für die Welt außerhalb der europäischen Verträge ist Europa gleichwohl längst zum Akteur auf der internationalen Bühne geworden. 164 Staaten sind durch ihre Regierungen bei der Europäischen Union akkreditiert, die Gemeinschaft selbst ist in 123 Ländern und bei fünf internationalen Organisationen vertreten, unterhält zu mehr als 120 Staaten vertragliche Beziehungen und ist an über 1200 Abkommen beteiligt.

So hat die EU zwar noch immer keine konsistente Außenpolitik, aber seit langem umfangreiche Außenbeziehungen. Das ist ein widersprüchlicher Befund, dem die historische Forschung bislang kaum Aufmerksamkeit geschenkt hat. Konzentriert auf die Perspektive der Mitgliedstaaten, hat sie die innerhalb der Gemeinschaft ausgetragenen Konflikte intensiv erforscht, wenig jedoch die Entfaltung gemeinschaftlicher Beziehungen mit Dritten, die von den europäischen Institutionen von Beginn an pragmatisch betrieben wurde. Die Studie von Claudia Becker-Döring stößt in ebendiese Forschungslücke und nimmt am Beispiel der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl konsequent die Perspektive der ersten supranationalen europäischen Behörde in den Blick. Sie tut dies noch dazu mit einem innovativen interdisziplinären Ansatz, der historische und juristische Methodik verbindet.

Aus den Archivalien der EGKS stellt die Verfasserin ausführlich die Entwicklung der administrativen Grundlagen, der diplomatischen Beziehungen und der Vertragsbeziehungen der Hohen Behörde im Untersuchungszeitraum dar. Eigene Kapitel sind dem passiven und dem aktiven Legationsrecht gewidmet, die beide von der Behörde als erster supranationaler Institution voll in Anspruch genommen wurden. Am Fallbeispiel des ersten Assoziationsabkommens, das die EGKS 1954 mit Großbritannien abschloß, führt Frau Becker-Döring vor, wie wegweisend gerade dieses Abkommen war, das in der Forschung gewöhnlich eher negativ bewertet wird. Hier zeigt sich exemplarisch der Gewinn des übernationalen Zugriffs. Wegen seines begrenzten materiellen Gehalts als reine Konsultationsvereinbarung ohne handelspolitische Substanz gilt das Abkommen allenthalben hauptsächlich als Ausweis der britischen Halbherzigkeit gegenüber den Einigungsbestrebungen des europäischen Kontinents. Aus gemeinschaftlicher Sicht jedoch war es eine "Neuschöpfung auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen, die in den folgenden Jahren Schule machen sollte". Tatsächlich bilden die wesentlichen Vertragselemente unverändert die Handlungsbasis der Union im Umgang mit assoziierten Drittstaaten.

Die hier erstmals etablierte Praxis der sogenannten externen Assoziation wurde zum Vorbild aller nachfolgenden Assoziierungen der EWG nach Artikel 238 und ist noch immer ein Hauptinstrument der Außenbeziehungen der EU. Auch der seinerzeit ins Leben gerufene Assoziationsrat als Gremium im äußeren Rechtskreis der Gemeinschaft dient bis heute als Forum der Zusammenarbeit im Vorraum der regulären EU-Mitgliedschaft. Ebenso stilbildend war die mit dem britischen Assoziationsabkommen eingeführte Vertragsform des "accord mixte", der auf seiten der Gemeinschaft zwei Vertragspartner bestimmt: die Gemeinschaft selbst, 1954 vertreten durch die Hohe Behörde der EGKS, und die Mitgliedstaaten, die auf diesem Wege ihre Prärogative im Bereich der Außenpolitik wahren.

Vor diesem Hintergrund ist die Schlußfolgerung des Buches, daß "die Anfänge einer europäischen Außenpolitik in den Außenbeziehungen der EGKS zu erfassen sind", plausibel. Allerdings war und ist der Weg zu einer gemeinschaftlichen auswärtigen Politik außerordentlich dornig. Die Schwierigkeiten lagen von Anfang an weniger außerhalb als vielmehr innerhalb der Gemeinschaft. Vor allem Frankreich stellte sich einer Verselbständigung der europäischen Institutionen immer wieder entgegen und konterkarierte erst recht jeden Ansatz zu einer eigenständigen außenpolitischen Kompetenz. Die daraus hervorgegangenen höchst dramatischen Auseinandersetzungen zwischen den europäischen Partnerstaaten liefern den Historikern seit je dankbaren Stoff für fesselnde Lektüre. Solche Spannung kann das in vielerlei Hinsicht beispielhafte Werk von Claudia Becker-Döring nicht bieten. Damit teilt es das Schicksal seines Gegenstands: Der wegweisende supranationale und interdisziplinäre Forschungsansatz des Buches ist angesichts der Komplexität der Zusammenhänge - ähnlich wie die europäische Politik selbst - nicht leicht zu vermitteln.

DANIEL KOSTHORST

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Beispielhaft findet Rezensent Daniel Kosthorst diese Studie, die seinen Informationen zufolge in eine Forschungslücke stößt, die er zwischen erfolgreichen Außenbeziehungen der EU und einer immer noch fehlenden gemeinsamen Außenpolitik klaffen sieht. Anhand des Beispiels der ersten supranationalen europäischen Behörde, der "Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl" nehme die Studie konsequent deren Perspektive in den Blick. Anhand der Archivalien stelle sie dabei ausführlich die "Entwicklung der administrativen Grundlagen, der diplomatischen Beziehungen und der Vertragsbeziehungen der Hohen Behörde" dar. Insgesamt findet der Rezensent die Anfänge einer europäischen Außenpolitik plausibel dargestellt. Trotzdem ist der wegweisende und supranationale Forschungsansatz dieses Buches angesichts der Komplexität der Zusammenhänge für ihn letztlich schwer zu vermitteln.

© Perlentaucher Medien GmbH
"...ein wichtiger Grundstein..." Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte