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Konstantinopel 1880: Mit der Ankunft deutscher Berater beginnt die große Ära der deutsch-türkischen Freundschaft. Nur zwei Jahre zuvor, auf dem Berliner Kongress, hatte Bismarck die Türkei noch wie einen Feind behandelt. Das Buch schildert und erklärt die überraschende Wende der deutschen Orientpolitik in der letzten Regierungsdekade Bismarcks.
Von jeher hatte Bismarck aufmerksam das Schicksal der Türkei d. h. des Osmanischen Reiches verfolgt, dessen krisenreiche Verdrängung aus Europa - die orientalische Frage - die Außenpolitik seiner Zeit bestimmte. Doch erst seit 1880 sah er in der
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Produktbeschreibung
Konstantinopel 1880: Mit der Ankunft deutscher Berater beginnt die große Ära der deutsch-türkischen Freundschaft. Nur zwei Jahre zuvor, auf dem Berliner Kongress, hatte Bismarck die Türkei noch wie einen Feind behandelt. Das Buch schildert und erklärt die überraschende Wende der deutschen Orientpolitik in der letzten Regierungsdekade Bismarcks.

Von jeher hatte Bismarck aufmerksam das Schicksal der Türkei d. h. des Osmanischen Reiches verfolgt, dessen krisenreiche Verdrängung aus Europa - die orientalische Frage - die Außenpolitik seiner Zeit bestimmte. Doch erst seit 1880 sah er in der Türkei nicht mehr allein einen Zankapfel der anderen Großmächte, sondern auch einen potentiellen Verbündeten gegen Rußland. Mit der Entsendung deutscher Offiziere und Beamte, die das Reich des Sultans reformieren sollten, und dem deutschen Einstieg in die Bagdadbahn begann die Ära der deutsch-türkischen Freundschaft. Sie verstrickte das Deutsche Reich tief in die orientalische Frage und fand in der gemeinsamen Niederlage des Ersten Weltkrieges ein dramatisches Ende.
Autorenporträt
Friedrich Scherer, Dr. phil. geb. 1967, Promotion 2000 aufgrund vorliegender Arbeit, z. Z. freier Mitarbeiter in der Redaktion Zeitgeschichte des ZDF.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.09.2001

Entzauberte Freundschaft
Nach dem Berliner Kongreß: Otto von Bismarcks Orient-Politik

Friedrich Scherer: Adler und Halbmond. Bismarck und der Orient 1878-1890. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2001. 571 Seiten, 98,- Mark.

Das Problem der Bismarckschen Orient-Politik war früher dem deutschen Bildungsbürgertum geläufig, man brauchte sich nur an Kernsprüchen des Reichsgründers zu orientieren. Das geflügelte Wort vom "pommerschen Musketier", dessen gesunde Knochen das deutsche Interesse im Orient überwogen, kennzeichnete eine Grundposition, die seit den Tagen Friedrichs des Großen Bestand hatte und die auch Bismarck seit seiner Tätigkeit als Gesandter beim Deutschen Bund in Frankfurt vertrat: Rußland, die Habsburgermonarchie und England verfochten vitale Interessen im Orient, nicht aber Deutschland.

Scheinbar mußte man sich "nur" neutral verhalten, doch das war - wie schon die zweite Leitaussage signalisierte - ein Riesenproblem, weil doch gleichzeitig das "orientalische Geschwür" offengehalten werden sollte. Hiernach galt es, das Deutsche Reich durch ein Gegeneinander der Mächte vor übermächtigen feindlichen Koalitionen zu schützen. Das wurde schon unter Bismarck zunehmend zu einer heiklen Aufgabe, und 1914, beim Ausbruch des Weltkrieges, spielten "Orient-Fragen" eine zentrale Rolle. Das verleitete manchen Historiker zu der These, daß schon Bismarck mit seiner Politik des Ablenkens der Großmachtrivalitäten von der Mitte Europas auf den Balkan die abschüssige Bahn ins Unglück konstruiert habe.

Diesen Gedanken weist Friedrich Scherer mit guten Argumenten zurück. Hatten sich doch in Wilhelminischer Zeit die politischen Koordinaten, die zweifellos nicht zuletzt von Bismarck zu verantworten waren, nochmals gründlich geändert und neue Handlungsspielräume und damit politische Verantwortlichkeiten ergeben. Im übrigen aber muß der Autor in seiner fesselnd geschriebenen Studie weit ausholen, um sein Thema vorzustellen und zu charakterisieren. Denn heutzutage sind selbst Begriffe wie "Orient-Politik" und "orientalische Frage" erst zu erläutern. Hinter ihnen verbarg sich ein Bündel von Problemen, insbesondere eine innere Schwäche und Rückständigkeit des Osmanischen Reichs im Vergleich zu den christlichen Großmächten Europas, das nationale Aufbegehren der vom Sultan beherrschten Völker zumal des Balkans sowie eine Expansions- und Interventionspolitik der europäischen Mächte. Letztere, gespeist von egoistischem Machtstreben und Sympathien für das Freiheitsstreben christlicher Balkan-Völker, forderte einerseits das nicht mehr als ebenbürtig angesehene Osmanische Reich ein ums andere Mal in existentieller Weise heraus, stabilisierte andererseits durch die internen Rivalitäten der Mächte aber auch die marode osmanische Herrschaft.

Im Mittelpunkt des Buches steht das Jahrzehnt zwischen 1880 und 1890. Bismarck hat im Rahmen seiner Großmachtpolitik der Orient-Politik stets viel Zeit und größte Aufmerksamkeit geschenkt, während prinzipiell protürkische Gefühle oder bilaterale Interessen kaum eine Rolle spielten. Nach der auf dem Berliner Kongreß kulminierenden großen Orient-Krise 1875 bis 1880 setzte daher überraschend eine deutsch-türkische Annäherung ein. In diesen Jahren mit dem Aufbau "seines" Bündnissystems befaßt, wurde der Reichskanzler 1880 mit der Bitte Sultans Abdul Hamids II. konfrontiert, deutsche Berater zu entsenden. Hintergrund dieses Ersuchens war die Tatsache, daß Englands traditioneller Schutz für das Osmanische Reich, der russische Ambitionen für Konstantinopel und die Meerengen abwehrte, plötzlich endete und deutsche Hilfe einen Ausweg zu bieten schien.

Tatsächlich entsandte Bismarck nicht zuletzt militärische Berater, was den Beginn einer bis zum Ersten Weltkrieg anhaltenden deutsch-türkischen Freundschaft markierte. Dieser Vorgang war prinzipiell ebenso problematisch wie die generelle, auf dem Berliner Kongreß eingeleitete Politik eines offengehaltenen Geschwürs in den Großmächtebeziehungen. Aus der bilateralen Kooperation drohten sich doch unmittelbare deutsche Orient-Interessen sowie eine feste Frontstellung Deutschlands gegenüber Rußland zu ergeben. Beiden Gefahren trat Bismarck erfolgreich entgegen, indem er die Kooperation mit dem Osmanischen Reich auf einem niedrigen Niveau hielt und im übrigen alles tat, um England wieder in die Rolle eines Patrons der Türkei zurückzuführen und die deutsch-russischen Beziehungen nicht zu belasten.

Schon 1883/84 wurde daher zumindest für die Bismarck-Zeit die deutsch-türkische Freundschaft "entzaubert", während die Orient-Politik dank Bismarcks zunächst erfolgreicher Bündnispolitik kurzfristig in ruhigere Bahnen einmündete. Viel Aufmerksamkeit widmet der Autor schließlich der neuen Balkan-Krise 1885/ 1888, in der Bismarcks Orient- wie Türkei-Politik aufs schwerste herausgefordert wurde. Mit hohen politischen Kosten und bei erheblich vergrößerten Risiken wurde ein kompliziertes bündnispolitisches Ersatzkonzept entwickelt. Das mochte in angespannter Lage für eine gewisse Zeit die bestmögliche Lösung darstellen, doch wiesen die "labilen Provisorien" der späten Bismarck-Zeit bereits in bedenklicher Weise auf die Wilhelminische Zeit hin, in der die Orient-Politik geradezu unbeherrschbar zu werden schien.

GÜNTER WOLLSTEIN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Im Mittelpunkt dieser "fesselnd geschriebenen" Studie steht Rezensent Günter Wollstein zufolge das Jahrzehnt 1880 - 1890. Allerdings müsse Autor Friedrich Scherer "weit ausholen", um seine Thesen zu erläutern, denn die Grundbegriffe der "Orient-Politik" und "orientalischen Frage" müssten "heutzutage" erst erläutert werden. Der Rezensent selbst widmet sich dieser Erläuterung nun relativ umfangreich, beschreibt die politischen Konstellationen zwischen dem Deutschen und dem Osmanischen Reich, sowie dessen Einfluss auf den Balkan. Eingeleuchtet hat dem Rezensenten Scherers Zurückweisung der unter Historikern verbreiteten Ansicht, schon Bismarck habe mit "seiner Politik des Ablenkens der Großmachtaktivitäten" von der Mitte Europas auf den Balkan "die abschüssige Bahn ins Unglück" bereitet. Scherer beschreibe den politischen Koordinatenwechsel, in dem sich "neue Handlungsspielräume und politische Verantwortlichkeiten" ergeben hätten. Viel Aufmerksamkeit sei der "neuen Balkan-Krise 1885/1888" gewidmet, in der Bismarcks Orient-Politik "auf das schwerste herausgefordert worden" sei.

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