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"Ich bin da" erzählt auf magische Weise vom Abschied von der Kindheit. Mit einer selten gewordenen Leichtigkeit und Eleganz zeichnet der Roman die ersten tastenden Schritte der Selbstvergewisserung eines 13jährigen nach. Mit dem Eintritt in eine Lehre als Schreinergehilfe beginnt der Junge dazuzugehören zur großen Arbeits- und Männerwelt. Das macht ihn stolz, und es gibt ihm auf eine kindliche, ursprüngliche Art Kraft, die er auf einen ihm von seinem Vater geschenkten Bumerang überträgt. Mit ihm in der Hand meint er, selbst fliegen zu können. Erri de Lucas Roman ist ein lakonisches und dichtes…mehr

Produktbeschreibung
"Ich bin da" erzählt auf magische Weise vom Abschied von der Kindheit. Mit einer selten gewordenen Leichtigkeit und Eleganz zeichnet der Roman die ersten tastenden Schritte der Selbstvergewisserung eines 13jährigen nach. Mit dem Eintritt in eine Lehre als Schreinergehilfe beginnt der Junge dazuzugehören zur großen Arbeits- und Männerwelt. Das macht ihn stolz, und es gibt ihm auf eine kindliche, ursprüngliche Art Kraft, die er auf einen ihm von seinem Vater geschenkten Bumerang überträgt. Mit ihm in der Hand meint er, selbst fliegen zu können. Erri de Lucas Roman ist ein lakonisches und dichtes Porträt einer Jugend im Neapel der 60er Jahre. Der Kampf der kleinen Leute um Selbsterhaltung verlangt schon früh auch von einem Kind, sich wie ein Erwachsener zu verhalten. Ein Roman, der auf anrührende Weise um die elementare Kraft der Liebe kreist.
Autorenporträt
Erri De Luca, geboren 1950 in Neapel, begann erst mit vierzig zu schreiben. Als Autodidakt lernte er Hebräisch und übersetzte Teile der Bibel neu. Heute zählt er zu den meistgelesenen Schriftstellern Italiens. Seine Romane haben Kultstatus und sind auch in Israel und Frankreich Bestseller. In Deutschland wurde 'Der Tag vor dem Glück' in der Presse begeistert gefeiert. 2010 erhielt Erri De Luca den "Petrarca-Preis" und 2013 wurde er mit dem "Prix Européen de Littérature" für sein Gesamtwerk ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.04.2004

Der Buckel Gottes
Fliehte, missa est: Erri De Lucas Roman „Ich bin da” und das Wunder von Neapel
„Heute schreibe ich einen ersten Bericht, um von den neuen Tagen etwas festzuhalten. Ich gehe nicht mehr zur Schule. Ich bin dreizehn Jahre alt geworden, und Papa hat mich zum Arbeiten geschickt. Das ist gut so, es ist Zeit.” Erri De Lucas poetischer Roman „Ich bin da” heißt auf Italienisch „Montedidio”, Berg Gottes, genauso wie das Armeleuteviertel im Herzen von Neapel, in dem der Erzähler in den späten fünfziger Jahren aufwächst.
Alles balanciert zwischen Tag und Traum, Kindheit und Erwachsenwerden, Märchen und kruder Realität. Der Junge beobachtet nicht nur das neue Leben als Schreinergeselle und seinen wachsenden Körper mit respektvoller Neugier, sondern auch das Instrument seiner Selbstvergewisserung: die italienische Sprache. Er schreibt auf Italienisch, aber seine Muttersprache ist der neapolitanische Dialekt.
Sein Vater, der Hafenarbeiter, schenkt ihm einen Bumerang, und dieses merkwürdige Ding zwischen Spielzeug, Arbeitsgerät und Waffe wird zum Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Während der Junge die Wurfbewegung trainiert, nimmt das Leben seiner Eltern eine traurige Wende: Die kranke Mutter und der Vater, der völlig in ihrer Pflege aufgeht, verschwinden immer mehr aus dem Gesichtskreis ihres Sohnes.
Doch die verschrobenen Gestalten in der Schreinerwerkstatt eröffnen ihm eine märchenhafte und gleichzeitig erwachsene Welt. Meister Errico singt beim Arbeiten und kocht sich zuhause, „mit Erlaubnis des Himmels und des Meeres”, die selbst gefangenen Brassen aus dem Hafen. In der Werkstatt gastiert außerdem ein buckliger Schuhmacher, zu dem der Junge Vertrauen fasst, weil beide vom Losfliegen träumen. Don Rafaniello ist Jude und eigentlich nur auf der Durchreise in Neapel, seit Kriegsende zieht es ihn nach Jerusalem.
Dem Schreinergesellen erzählt er, dass in seinem Buckel Storchenflügel wachsen, mit denen er ins Gelobte Land fliegen will. Beide scheinen sie wie selbstverständlich dem Tag des Abflugs entgegenzuträumen, und dass diese versponnene Geschichte nicht ins Kitschige kippt, liegt an der sparsamen Erzählweise Erri De Lucas. Dieses bucklige Männlein wartet, wie Walter Benjamin geschrieben hat, als Insasse des entstellten Lebens auf eine alttestamentarische Prophezeiung und findet in dem Dreizehnjährigen einen Verbündeten.
Beim zweiten großen Thema des Romans, der Sexualität, büßt die kindliche Perspektive allerdings ihre Kraft ein. Wenn die Nachbarstochter den verblüfften Jungen in die Geheimnisse seines „Pipi” einweiht, wird die Entdeckerhaltung ziemlich überstrapaziert. Aber das Leben im Viertel und die feinen Unterschiede zwischen italienischen und neapolitanischen Sprachelementen beschreibt der Chronist in durchkomponierten Szenen.
Ein bisschen erinnern der einfältige, aber treffsichere Protagonist und die Flugfantasien des Schusters an „Das Wunder von Mailand”, De Sicas Filmklassiker von 1950, in dem die Armen auf ihren Besen in den Himmel reiten. Der naive Blick holt die Poesie aus den Gesten und sorgt für einen Hauch von Burleske: Wenn der Beerdigungsunternehmer eine gute Reise wünscht, bleibt man besser zuhause im abergläubischen Montedidio, und vom Pfarrer kursiert die Anekdote, dass er die Messe während der Bombardierungen mit dem praktischen Segen „Fuggite, missa est” („Fliehte, missa est”) beendet habe.
Erri De Luca, geboren 1950 in Neapel, wurde erst Ende der achtziger Jahre in Italien bekannt. Der Sohn aus gutbürgerlichem Hause schloss sich 1968 den politischen Protestbewegungen und später der linksradikalen Gruppe „Lotta continua” um Adriano Sofri an. De Luca ging nicht in den Untergrund, sondern versuchte das Proletariat auf andere Weise zu verteidigen: als Arbeiter. Fast zwei Jahrzehnte lang verdiente er sein Geld in Fiat-Fabriken, als Lastwagenfahrer und als Maurer auf Baustellen in Italien, Frankreich und Afrika. 1989 entdeckte ihn der Verleger Carlo Feltrinelli und publizierte sein erstes Buch „Das Licht der frühen Jahre”.
Dass sich der Autodidakt De Luca intensiv mit dem Jiddischen und dem Hebräischen beschäftigt und seit einigen Jahren aus der Bibel übersetzt, spürt man in seinen Romanen. Der arme Schuhmacher in „Ich bin da” erklärt die gefühlsmäßige Verwandtschaft des Jiddischen mit dem Neapolitanischen. „Italienisch ist eine Sprache ohne Spucke, das Neapolitanische dagegen hat den Mund immer voll Spucke und macht, dass die Wörter gut kleben. Mit Spucke geklebt: Bei einer Schuhsohle geht das nicht, doch für den Dialekt ist das guter Leim. In meiner Sprache gibt es das auch: zigeklept mit schpajechz, mit Spucke angeklebt.”
Dem Neapolitaner Erri De Luca gelingt eine dichte Beschreibung, die der Verwandtschaft von Wörtern und Elementargeistern auf der Spur ist: in der Spucke, im Tomatensugo, im Blut und im Windstoß, der den Buckligen zusammen mit dem Bumerang aufsteigen lässt.
JUTTA PERSON
ERRI DE LUCA: Ich bin da. Roman. Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki. Rowohlt Verlag, Reinbek 2004. 128 Seiten, 14,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensent Steffen Richter sieht subtile Qualitäten in Erri De Lucas neuem Buch: "Nicht alles ist in diesem Roman so klar, wie es scheinen will." Auch wenn Gut und Böse unter den Charakteren deutlich verteilt seien, so werde doch das "poetische Funkeln" des Romans von Mehrdeutigkeiten durchzogen, die "hinter der manichäischen Fassade" schillerten. Richter erkennt auch im 24. Psalm den Schlüssel zu dieser Erzählung ("Wer wird auf des Herrn Berg gehen, und wer wird stehen an seiner heiligen Stätte? Der unschuldige Hände hat und reinen Herzens ist"), die keineswegs eine Adoleszenzgeschichte "nach dem Leben" sei, sondern vielmehr eine "Allegorie". De Luca, der sich neben außerparlamentarischer Opposition auch mit Bibelkunde beschäftigte, mache Anspielungen auf das Alte Testament, die für Steffen Richter "nicht zu übersehen" sind. Besonders lobt Richter wie dem Neapolitaner De Luca das Italienisch zur "Kunst-Sprache" werde.

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"Mitunter erinnert die Knappheit und die vibrierende Intensität an die Prosa eine Marguerite Duras." (Kölnische Rundschau)